Wer die Brooklyn Bridge bis zum Ende durchläuft und nicht kurz vorher kehrt macht, dem eröffnet sich eine andere Seite der Millionenstadt: mindestens genauso vielfältig, aber weniger hektisch, dafür ruhiger, grüner und heller, kulturell divers, kulinarisch unvergleichlich, kreativ und inspirierend. Bevor es für mich zurück nach Deutschland ins schöne Hamburg ging, habe ich selbst einige Zeit in Brooklyn gewohnt und verrate euch jetzt einige meiner absoluten Lieblingsplätze, Bars und Restaurants.
Meine Lieblingsorte in Brooklyn: Carroll Gardens mit Abschluss im Gowanus Yacht Club
Ich fange mit dem Stadtteil an, in dem ich damals auch gewohnt habe – Carroll Gardens. Dieser Stadtteil bewegt sich zwischen trendy und retro. Szenegeschäft und Bistros koexistieren hier neben old-school Metzgereien, kleinen Kaffeeläden und Bäckereien, die von alt eingesessenen italienischen Familien betrieben werden. Auch wenn heute mehr und mehr neue Bars und Shops eröffnen, die alteingesessenen italienischen Restaurants mussten ihnen nicht weichen und so entsteht eine besondere Mischung.
Mein Tipp für einen tollen Abend: Pizza im Lucali (575 Henry Street). Eine Karte sucht man hier vergeblich. Das Menü ist übersichtlich: Pizza im Steinofen gebacken, ganz einfach mit Käse, Basilikum und Knoblauch. Wahlweise kann noch Salami und saisonales Gemüse dazu bestellt werden. Neben Pizza gibt es einzig Calzone zur Auswahl. Simpel, aber lecker. Wer mag, bringt seine eigenen Getränke mit. BYOB (bring your own bottle) ist hier angesagt. Eine leckere Flasche Wein kann vorher in einem der drei Liquor-Stores auf der Court Street gekauft werden. Nach dem Lucali einfach in Richtung Westen zur Smith Street laufen (höchtens zehn Minuten) und im Gowanus Yacht Club den Abend ausklingen lassen. Wer sich bei Yacht Club jetzt auf etwas Luxus freut, der wird enttäuscht. Herrlich abgeschrabbelte Bierzeltgarnituren gibt es stattdessen, kombiniert mit günstigem Bier. Prost!
Meine Lieblingsorte in Brooklyn: Prospect Heights und Spaziergang im Prospect Park
Ein Mix aus hip, modern und authentisch ethnisch – das ist Prospect Heights. Trotz rapider Gentrifizierung ist der ursprünglich karibische Einfluss durch Menschen, Essen und nachbarschaftliche Geselligkeit klar spürbar. Gemeinsames Bürgersteig-BBQ oder Chillen auf Nachbars Treppen – das Leben findet hier vornehmlich draußen statt. Beim Abendprogramm „in the Heights“ ist für jeden etwas dabei: Happy Hour, Cocktailbar oder Live Musik.
Der recht kleine Stadtteil beheimatet die drei monumentalsten Bauten Brooklyns: Das Brooklyn Museum, die Brooklyn Public Library und den Triumphbogen am Grand Army Plaza liegen nur wenige Fußminuten voneinander entfernt und sorgen für das notwendige Kulturprogramm. Was ich besonders an Prospect Heights liebe ist die unmittelbare Nähe zum Prospect Park. Ein perfekter Samstag beginnt bei mir mit einem ausgiebigen Brunch bei Cheryl’s Global Soul (236 Underhill Ave). An Cheryl’s French Toast, Pancakes oder Eggs Benedikt kommt die umliegende Konkurrenz kaum ran. Zum wach werden gibt es eine Mimosa oder Bloody Mary gleich dazu. Unbedingt auch nach dem homemade Gingerale fragen! Alternative: Ihr holt euch einfach einen Bagel auf die Hand vom Olde Brooklyn Bagel Shoppe (645 Vanderbilt Ave) – super lecker, schnell und sehr günstig! Nach dem Essen geht es weiter mit einem Spaziergang durch den Prospect Park. In Brooklyns Pendant zum Central Park treffen sich besonders am Wochenende viele zum gemeinsamen Picknick oder zu einer entspannten Laufrunde.
Meine Lieblingsorte in Brooklyn: The Bushwick Collective – Street Graffiti at its best
Bushwick ist vor allem für seine Kunst- und Kreativszene bekannt. Zahlreiche Ateliers und Galerien nehmen die alten Lagerhallen des ehemaligen Gewerbegebiets ein. Die Straßen bieten eine einzigartige Street Art Szene, in der sich Künstler aus aller Welt mit Graffitis, Stencils und Stickern verewigen. Nach und nach etablierte sich in Bushwick eine Künstlerszene, die heute weltweit angesehen ist. Täglich gibt es Open Gallery-Events und regelmäßig Kunst-Festivals.
Auch eine der beeindruckendsten Street Art-Ansammlungen findet sich hier: The Bushwick Collective. Die Open-Air-Galerie zieht sich von der Jefferson bis zur Wyckoff Avenue. Es trägt zu einer positiven Entwicklung der Gegend bei und stärkt das Gemeinschaftsgefühl in der Neighborhood ungemein. Also bei einem Brooklyn-Besuch einfach mit dem L train bis zum Jefferson-Stop fahren und ein bisschen durch die Gegend schlendern. Wer unterwegs Hunger hat, nicht viel Geld ausgeben und gemeinsam mit Locals essen möchte, sollte zu Tortilleria Los Hermanos (271 Starr Street) gehen. In diesem Imbiss, der direkt in die Einfahrt einer Lagerhalle integriert ist, gibt es günstige Tacos in interessanter Umgebung.
In Brooklyn findet man jede Menge gute Street Art.
Meine Lieblingsorte in Brooklyn: Fort Greene Flea
Fort Greene sollte bei einen Brooklyn-Besuch nicht fehlen. Schon Walt Whitman und Spike Lee haben die Schönheit und Entspanntheit dieses Boroughs erkannt und wollten nirgendwo anders wohnen. Von April bis Oktober wir es samstags etwas voller. Von 10-17 Uhr ist auf einem Schulparkplatz dann nämlich Zeit für den Brooklyn Flea (176 Lafayette Avenue), ein Flohmarkt mit genau der richtigen Mischung aus alten Männern, die seit Jahren komische Pins und Ohrringe sammeln, jungen Designern, lokalen Künstlern und gutem Essen.
Hier findet ihr alles: Fahrräder, Bücher, Möbel und Vintage-Klamotten. Viele kleine Essensstände sorgen dafür, dass keiner hungrig nach Hause geht. Auch wenn man auf dem Brooklyn Flea hervorragend essen kann, es ist ja nicht immer Samstag und für die anderen Tage möchte ich euch noch zwei Restaurants empfehlen.
Das 1999 eröffnete Madiba (195 DeKalb Avenue) war Amerikas erstes südafrikanisches Restaurant. Weinliebhaber sollten mittwochs zu den „Wine Wednesdays“ kommen. Hier gibt es die Flasche Wein zum halben Preis und andere Specials. Ganz günstig ist das Madiba allerdings nicht, dafür aber jeden Cent wert. Wer es gerne low budget mag, der ist bei El Toro Taqueria (89 Fort Greene Place) sehr gut aufgehoben. Hier gibt es leckere und vor allem sehr günstige Tacos und Nachos. Kleiner Tipp: Kommt nicht werktags gegen 15/16 Uhr, denn dann wird es voll. Die Kids aus der benachbarten Schule haben den kleinen Mexikaner längst für sich entdeckt.
Meine Lieblingsorte in Brooklyn: Williamsburg – Nitehawk Cinema und Skinny Dennis
Williamsburg ist in Brooklyn lange kein Geheimnis mehr und kommt mittlerweile in jedem New York-Reiseführer vor. Viele Besucher fahren mit dem L Train bis zur Bedford Avenue und laufen auch genau diese Straße runter. Hier gibt es auch eine Menge guter Bars und leckerer Restaurants. Aber mein perfekter Abend in Williamsburg findet nicht auf der Bedford Avenue statt, sondern auf der Metropolitan Avenue. Er startet im Nitehawk Cinema (136 Metropolitan Ave). Ein Ort, der Kino mit Dinner kombiniert. Die dafür ausgelegten Kinosäle haben Platz für kleine Tische ebenso wie für die Kellner, die vor und auch während der Vorstellung Getränke und Essen servieren. Wer wie ich gute Filme und gutes Essen mag, ist hier richtig aufgehoben. Nach Film und Essen, geht es einfach nur ein paar Schritte nach nebenan – ins Skinny Dennis (152 Metropolitan Avenue). Honky Tonk in Williamsburg! Hier gibt es Country Music, süffiges Bier und vor allem gute Stimmung. Insbesondere bei Live Musik am Wochenende steigt der Partyfaktor. Interessant ist hier das Hausgetränk – der Uncle Willies Frozen Coffee, eine Kombi aus Kaffee, Wodka und Sahne.
Meine Lieblingsorte in Brooklyn: Red Hood – Key Lime Pie und Fort Defiance
Mit maritimem Ambiente und kreativer Szene in industriellem Flair hebt Red Hook sich von anderen Gegenden Brooklyns ab. Seit den 70er Jahren wurde der Stadtteil zunehmend bei Künstlern und Kreativen beliebt, die die leer stehende Lagerhallen zu niedrigen Preisen einnahmen. Bis heute finden hier regelmäßig Musik und Kunst Festivals statt. Wer nach Red Hook kommt, sollte Hunger und Durst oder zumindest Lust zum Snacken mitbringen – das Angebot der lokalen Bars und Restaurants ist vielseitig und originell.
Eins, was ich besonders mag ist das Fort Defiance (365 Van Brunt Street): Cafe & Bar steht außen dran, drinnen gibt es starken Kaffee und vor allem ausgezeichnete Drinks. Auf Wunsch mixt der Barkeeper individuell nach Geschmack, Charakter oder Stimmung. Zum Brunch, Lunch oder Dinner bietet die Speisekarte einfache amerikanische Küche, aufgepimpt durch saisonbedingte und lokale Zutaten.
Was man sich auf keinen Fall entgehen lassen darf: Steve’s Authentic Key Lime Pie (185 Van Dyke Street). Etwas abseits gelegen, aber unbedingt einen Besuch wert! In einem der roten Ziegelgebäude am Wasser versteckt sich diese einfache, aber charmante Bäckerei.
Der Name ist Programm: Groß, klein oder am Stiel – gibt es hier ausschließlich Key Lime Pie (ein Schild warnt: “No, we do not serve coffee!”). Grundzutat sind Limetten von den Florida Keys, der Heimat von Inhaber Steve. Dass es kaum Sitzmöglichkeiten gibt ist nicht schlimm: Ein kleiner Park und Pier mit direktem Blick auf die Freiheitsstatue ist direkt nebenan. Red Hook ist vergleichsweise ruhig und vom Besucherandrang bisher noch recht verschont geblieben. Das liegt sicherlich an der mäßigen Verkehrsanbindung. Kenner nehmen das IKEA Watertaxi von Manhattan oder die Buslinie B61. Wer Red Hook im New Yorker Stil erreichen möchte, der läuft ganz einfach. Zum Beispiel im verlängerten Spaziergang von der Brooklyn Waterfront über die belebte Van Brunt Street bis zu den Piers.
Meine Lieblingsorte in Brooklyn: Ditmas Park – The Sycamore und Mimi’s Hummus
Wie vielseitig Brooklyn ist zeigt ein Abstecher nach Ditmas Park. Diese Neighborhood habe ich erst recht spät kennengelernt, mittlerweile gehört sie aber zu einer meiner liebsten Ecken in Brooklyn. Zwischen viktorianischen Villen mit gestutztem Rasen, Schaukelstuhl auf der Veranda und “be ware of the dog” Schild, ist schnell vergessen, dass man in New York ist – Wolkenkratzer und Brownstones scheinen weit weg. Das Herz Ditmas Parks ist die Cortelyou Road. Hier gibt es beliebte Restaurants, Bars und kleine Geschäfte, die ohne großen Hype und Presse fast bescheiden wirken.
Zwei meiner liebsten Läden stelle ich euch jetzt vor. Die Kombi Kneipe und Blumenladen gibt es vielleicht nur in Brooklyn – im Sycamore (1118 Cortelyou Road). Dem Flowershop im Eingangsbereich folgt eine ziemlich normale Bar mit großer Whiskeyauswahl und fairen Preisen. Der Hinterhof hat Platz für Gruppen und kann durch ein Zeltdach auch im Winter genutzt werden. Ein weiteres Plus: Essen mitbringen ist erlaubt, zum Beispiel von Mimi’s Hummus (1209 Cortelyou Road) schräg gegenüber. Diese „Snack Taverna“ hat gerade mal acht Tische und ist trotz Sitzen auf engstem Raum immer gut besucht. In der offenen Küche können Gäste die Zubereitung der nahöstlichen Gerichte verfolgen. Neben Hummus gibt es z.B. Taboulé, Shakshuka Eggs, Chicken Couscous und mehr – alles frisch, lokal bezogen und inspiriert durch Besitzerin Mimi Kitani.
So, das waren sieben meiner Lieblingsorte in Brooklyn. Ich könnte noch viel, viel mehr aufschreiben, aber das würde den Rahmen hier sprengen.
Wer noch nicht genug hat und noch mehr Tipps für Brooklyn haben möchte, für den hab ich was: Gemeinsam mit meiner Freundin Anne bringe ich im Dezember den ersten deutschsprachigen Reiseführer für Brooklyn heraus. Denn New York ist so viel mehr als nur Manhattan. Zur Finanzierung von Druck, Design und Marketing läuft gerade unsere Crowdfunding-Kampagne bei Kickstarter – noch bis zum 15. Oktober darf fleißig unterstützt werden.
Hier geht es zur Kickstarter-Kampagne!
Das ist ein Graffiti in Bushwick!
Ein typischer Brooklyn Sunset!
Ursprünglich komme ich aus der Grimme-Preis-Stadt Marl im Ruhrgebiet. Nach meinem Germanistik-Studium in Bochum ging es für ein paar Jahre zum Arbeiten nach New York. Während dieser Zeit habe ich in Brooklyn gewohnt und nie fühlte ich mich freier und zufriedener. Auch wenn ich mich manchmal ärgere, dass ich damals keine Ausbildung zur Fotografin gemacht habe anstatt zu studieren – meine Liebe zur Fotografie ist noch immer da und meine Kamera überall dabei. Nachdem ich in den vergangenen drei Jahren in einer PR Agentur in Hamburg gearbeitet habe, bin ich nun ab Oktober offiziell selbstständig und das nutze ich auch voll und ganz aus. Gerade bin ich sechs Wochen in Brooklyn und recherchiere für den Guide. Ich arbeite mindestens genauso viel wie in der Agentur, der große Unterschied ist: Ich arbeite jetzt für mich und das fühlt sich richtig gut an. Neben guter Live-Musik (gerne etwas Country) bin ich auf meinen Reisen immer auf der Suche nach interessanten Menschen, denn sie machen eine Stadt erst zu dem was ist.
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6 Kommentare
Liebe Ina,
was für ein wahnsinnig toller Bericht. Man merkt, dass dies persönliche Empfehlungen sind und du überall selbst zu Gast warst. Sehr authentisch und obwohl ich gerade selbst auf Reisen bin, habe ich gerade unglaubliche Lust nach New York und Brooklyn zu reisen. Ich war nämlich erst ein einziges Mal da und es hat leider nur für einen ersten Eindruck von Brooklyn gereicht. Tausend Dank für die tollen Tipps und Fotos. Franzi
Liebe Franzi,
Tausend Dank für deine lieben Worte. Sowas hört man gerne ;-)
Es freut mich sehr, dass es dir gefällt!
Im Buch gibt es noch mehr solcher Tipps! Aber wenn ich das richtig gesehen habe, hast du dir schon eins gesichert?!
Liebe Grüße,
Ina
Danke für die tollen Tipps! Ich finde es immer schön, Reisetipps von Menschen zu bekommen, die tatsächlich auch mal in der Stadt gelebt haben. Solche Insider Infos bekommt man einfach nicht, wenn man einen langweiligen Standard-Reiseführer aufschlägt :)