Es liegt in meinem Wesen für alles, was passiert, einen Grund zu finden. Manchmal ist es ganz einfach und er steht direkt vor meiner Nase. Manchmal habe ich keine Ahnung, was mir das Schicksal sagen will. Vor zwei Wochen wurde mein Hund Boris von einem Wildschwein angefallen und wäre fast verblutet. Tagelang habe ich mich gefragt. Wieso? Weshalb? Warum? Ich habe immer noch keine Antworten, aber ich glaube, damit muss ich einfach leben. Ich weiß erst jetzt, zwei Wochen später, was mir dieser Vorfall gebracht hat – Achtsamkeit für mich, das Leben und die anderen.
Nachdem er den Unfall hatte, bin ich zwei Wochen zu Hause geblieben und habe auf ihn und seine Wunden aufgepasst. Jeden Tag bin ich aufgestanden und hatte Zeit ihn erst einmal eine halbe Stunde zu streicheln und ich war so dankbar um diesen Moment und habe jede Minute genossen. Der Vorfall hat mich total aus meinem Autobahnleben gerissen und mich in eine Pferdekutsche gesetzt. Ich hätte eigentlich in Sri Lanka sein sollen, war nun aber in Berlin, ohne Termine, ohne Verpflichtungen, ohne Eile. Nichts musste mehr ganz schnell gehen. Ich hatte plötzlich Zeit und war von der Routine des Alltags befreit.
In der Zeit der Ruhe habe ich erst einmal gemerkt, wie erschöpft ich bin. Durch die Aufregung, aber auch ein bisschen durch meinen Lebensstil der letzten Monate. Jetzt war der Moment, in dem ich endlich still stehen konnte. Das Schicksal hat mich gewissermaßen dazu gezwungen. Es fühlte sich so an, als würde ich über meinem Leben schweben. Ich habe alles mit Abstand und so viel klarer gesehen. Ich glaube diesen Zustand nennt man Melancholie und er tat richtig gut. Melancholie überkommt einen meistens in Momenten, in denen man nichts zu tun hat, nichts zu erledigen, organisieren, abarbeiten… Es ist eine Mischung aus negativen und positiven Gefühlen und gar nicht schlecht. Da war der Schock über den Unfall, aber auch die Energie, vieles ändern zu wollen. Mir hat es in den letzten zwei Wochen sehr geholfen und einiges wurde mir bewusst:
- Ich brauche viel mehr Zeit für mich. Ich muss Sachen verarbeiten und nicht einfach in irgendeine Ecke stellen. Das gilt für Gefühle, genauso wie für Ideen, die ich habe.
- Ich muss es nicht immer jedem Recht machen.
- Manchmal ist es gut, erschöpft zu sein und sich auszuruhen um dann mit voller Energie wieder loszustarten.
- Nur wenn man Zeit hat, kann man sein Leben einmal mit Abstand betrachten und sich fragen, was einem gefällt und was nicht.
- Ich möchte mich nicht mehr aufregen über lächerliche Sachen.
Was ich auch gelernt habe: was Achtsamkeit im Umgang miteinander bedeutet. Und kaum schreibe ich diese Zeilen, läuft schon wieder das Wasser die Wangen runter, denn ich denke die meisten können sich gar nicht vorstellen, wie viel mir ihre kleine Nachricht mit Genesungswünschen bedeutet hat. Es ist dieser Moment, in dem man weiß, da denkt jemand an dich. Das ist richtig schön, weil man fühlt sich weniger alleine in dieser großen Welt. Vielen Dank an alle. Auch ich habe versucht diese Woche achtsamer mit anderen umzugehen. Das hat viel damit zu tun, sich Zeit zu nehmen. Zeit zu nehmen für Gespräche und auch dafür, andere zu verstehen. Manchmal glaube ich, dass der Alltag unsere Sinne abstumpft. Passiert etwas Krasses, wird alles wieder auf Null gesetzt. So ging es mir auf jeden Fall. Ich kann mich nicht mehr dran erinnern, wann ich das letzte Mal so glücklich war, eine Schneeflocke auf meiner Hand landen zu sehen, wie diese Woche.
Doch es müssen nicht immer ganz große Ereignisse sein, die den Reset-Knopf drücken. Manchmal reicht es auch, einfach mal wieder daran erinnert zu werden. Den Anlass über dieses Thema zu schreiben, habe ich SWISS zu verdanken. Für die Fluggesellschaft ist besonders die Achtsamkeit im Umgang miteinander eine Herzensangelegenheit und sie hat als Botschafter für diesen wichtigen Wert letzten Winter eine Tour quer durch Europa gestartet. Dabei projizierte der Künstler Gerry Hofstetter überdimensionale Augenpaare auf das Royal Observatory in London, das Hotel Vier Jahreszeiten in Hamburg, die Wiener Staatsoper, die gewaltige Kirche Sagrat Cor auf dem Tibidabo über Barcelona, die Cité Internationale Universitaire in Paris und zuletzt auf das Nationalmuseum Leonardo da Vinci in Mailand. Die Augenpaare stammten von SWISS Crew Mitgliedern und sollen als Symbol für den Blickkontakt zwischen Menschen zu mehr Sorgfalt im Umgang miteinander ermuntern.
Die finale Lichtinstallation hat vor kurzem in den Schweizer Alpen stattgefunden. Hunderte Eye-Selfies von Menschen aus ganz Europa standen dieses Mal im Fokus und setzten gemeinsam mit SWISS das wohl größte Zeichen für mehr Achtsamkeit. Aber nicht nur das, gemeinsam mit forsa führte die Schweizer Fluggesellschaft eine Studie durch, bei der rauskam, dass 79 Prozent der Befragten aus verschiedenen europäischen Ländern das Gemeinschaftsgefühl in der heutigen Gesellschaft vermissen. 82 Prozent bestätigen, dass der Egoismus in den letzten Jahren deutlich zugenommen hat. Das sind wieder die Fragen: Wieso? Weshalb? Warum?
Wie wäre es, wenn wir im Dezember alle ein bisschen Pfadfinder spielen und eine gute Sache am Tag für jemand anderes tun? Einer älteren Dame beim Taschentragen helfen, einen Obdachlosen fragen, was man ihm aus dem Supermarkt mitbringen kann, den Sitz in der U-Bahn für jemand anderes freigeben… Gerne könnt ihr hier jeden Tag in den Kommentaren schreiben, was ihr getan habt. Ich finde das sehr inspirierend zu lesen, was andere gemacht haben.
Jetzt möchte ich mich noch für eure Achtsamkeit mir gegenüber bedanken. Dass ihr immer wieder hier her kommt und euch inspirieren lasst. Dass ich ein Teil eures Alltags sein darf. Und auch an euch, liebe Leser, vielen, vielen, lieben Dank für all die netten Worte zu Boris und mir.
Dieser Post ist in Kooperation mit SWISS entstanden!
4 Kommentare
Liebe Christine, ich gebe dir recht. Und besonders, die Entscheidung sich nicht über Lächerliches aufzuregen finde ich sehr wichtig. Das hab ich auch vor einigen Jahren entschieden und kann mich meistens auch daran halten. Natürlich regen wir uns alle ab und zu mal kurz auf. Und manchmal braucht man das auch und es erleichtert, aber solche Situationen dürfen einfach nicht zu oft sein. Außerdem finde ich, dass Menschen, die sich ständig über alles und jeden aufregen und sich geradezu daran festbeißen, eine sehr negative Ausstrahlung haben. Und man kann sich ja einfach wirklich entscheiden: Will ich meine rare Zeit mit meckern und damit, mich zu ärgern verbringen, oder will ich versuchen mich über vieles, auch kleine Dinge, zu freuen? Wie viele Leute leider trotzdem versuchen nur negatives zu sehen, erkennt man ja auch oft in Blogkommentaren. Da gibt es ja auch diejenigen, die gerne loben und sich über gute Artikel erfreuen und die, die sich nicht mögen einfach nicht lesen. Und dagegen diejenigen, die scheinbar Blogs nur durchforsten, um etwas zum Meckern und Jammern zu finden. Schade! Aber darüber will ich mich nun nicht weiter aufregen;-). Auf jeden Fall…gute Vorsätze. Weiter so!
Dankeschön :)
Danke, für den wunderbaren Text.
Oh nein, der arme Boris :(
Ich hoffe er erholt sich gut von dem Schreck.