Ich habe es gewagt und mich dazu überreden lassen eine ganze Woche in einem all inclusive Urlaub im Resort auf Djerba zu verbringen. Warum? Ich habe schon lange keinen Urlaub mehr mit meiner Mama verbracht, denn backpacken ist wirklich nichts für jedermann. Deswegen habe ich in den sauren Apfel gebissen, meinen Koffer gepackt und habe eine Woche all inclusive Urlaubauf Djerba verbracht und ich muss sagen, dass viele meiner Vermutungen wahr wurden, aber lest selbst.
„Hey, you wanna dance?“ – Ali beugte sich zu mir herunter, ließ seine mandelförmigen, braunen Augen in meine wandern und schaute mich erwartungsvoll an. „Nein, danke. Ich möchte nicht tanzen“ – Er verstand es nicht, sondern streckte mir nun seine durchtrainierten Arme entgegen, die in dem eng anliegenden Shirt verdammt gut aussahen. Alis Freunde standen schon auf der Tanzfläche und amüsierten sich mit Frauen von allen Kontinenten. Sie alle hatten eins gemeinsam: nein, nicht ihre durchtrainierten Arme, gegelten Haare oder mandelförmigen Augen – sie alle hatten ein und dieselbe Aufschrift auf dem T-Shirt: ANIMATEUR.
Willkommen im all inclusive Resort auf Djerba. Willkommen im Paradies der offenen Bar, der schönen Animateuraugen und dem stets bepackten Buffet. Willkommen.
All inclusive Urlaub auf Djerba ist sicherlich nichts anderes, als all inclusive in der Türkei, in Ägypten oder in anderen Resorts in Tunesien. Es geht letztendlich immer um das Gleiche: trinkt so viel ihr könnt, esst so viel wie geht und fangt alle einladenden Blicke der Animateure ein. Es ist, in anderen Worten, ein Abenteuer.
Das Abenteuer all inclusive Urlaub beginnt bereits am Morgen, wenn sich die müde Meute verschlafen, aber mit forschem Schritt, Richtung Frühstücksbuffet, dem erstem Buffet des Tages, bewegt. Die Teller werden voll geschaufelt, Papa isst mal Dinge, die er sonst nicht essen würde, weil es ja kostenlos ist und Opa holt die Orangenpresse raus. Oma hat sich derweil schon den Kaffee in die mitgebrachte Thermoskanne gefüllt, während alle anderen Familienmitglieder nicht nur die Liegen am Pool, sondern auch die Tische in der Lobby reservieren. Für später. Oder für den ganzen Tag. Man weiß es nicht.
Mit vollen Bäuchen wird sich dann Richtung nächste Nahrungsquelle bewegt – die Poolbar. Ali, der am Vorabend noch mit mir tanzen wollte, steht auf der Bühne und versucht die vollgefutterten Gäste zum Zumba zu animieren. Die üblichen Verdächtigen stellen sich bereits in Reihe und Glied auf und schwingen das Tanzbein. Die üblichen Verdächtigen? Das sind jene, die sich immernoch die ganz große Zukunft mit einem Animateur vorstellen, andere, die diese schon haben (denken sie zumindest) und wieder andere, die nun das machen können, was zu Hause nicht geht: zu David Guetta tanzen. Im Alter von 60 Jahren. Oder 70.
Ich schaue mir das Spektakel im all inclusive Urlaub aus der Ferne an und erfreue mich der lustigen Gemüter. Mein Frohsinn wird schnell getrübt, von der Gruppe Deutscher, die sich hinter mir bereits um 11 völlig besäuft. Darunter, die Oma, der Opa und alle anderen Familienmitglieder. Die Kinder laufen nacheinander an die Bar, um Nachschub für die Alten zu holen. Diese schaffen es gerade noch rechtzeitig vor dem Mittag ins Bett, um den ersten Rausch des Tages auszuschlafen und dann wieder fit am Mittagsbuffet zu stehen.
Denn da geht der Marathon weiter. Pizza, Pasta, Salat, warme und kalte Gerichte – es muss alles gegessen werden, denn „Wir haben doch dafür bezahlt“, wie Papa immer wieder predigt. Ich bin froh, dass meine Mama und ich da nicht so sind, denn, möge es an kleineren Mägen oder an dem wenigen Appetit liegen, wir vergnügen uns lieber bei einem Wein und beobachten das Freiluft-Theater von Weitem.
Vom Mittagsbuffet geht es dann direkt in die Lobby, wo schon sehnsüchtig auf die Pancakes und die Croissants, die vor 5 Minuten noch im Essenssaal beim Mittag verteilt wurden. Naja, die schmecken in einer anderen Kulisse ja sowieso direkt anders. Dabei frage ich mich, ob es wohl eine Möglichkeit der temporären Magenvergrößerung gibt? Denn, wie um Himmels Willen schaffen diese Menschen es 24 Stunden am Tag nur zu essen? Ist das ein spezieller Magen für den all inclusive Urlaub.
5 Minuten später habe ich die Antwort: es ist der Clubtanz. Ali und seine Freunde klatschen, die Musik ertönt und wie ferngesteuert begibt sich die vollgefressene Masse auf die Tanzfläche und tanzt den Clubtanz. Aus Spaß? Nein. Das ist strategisch geplant, denn ohne den Clubtanz würde in einer knappen Stunde garantiert nicht noch das Abendessen in den Magen passen.
Um nicht ganz so herauszustechen, versuchen meine Mama und ich uns nach dem Dinner ein bisschen unter die Masse zu schummeln. Wir spielen Rommé, Domino, trinken Cocktails mit den Essens-Liebhabern und setzen uns sogar mit ins Theater, um die tägliche Show am Abend anzuschauen. Und genau in diesem Moment wird mir bewusst, wo ich eigentlich bin: im Kellerman’s von Dirty Dancing. In einem Resort, wo normalerweise Perücken aufprobiert werden, abends Shows mit Magiern gezeigt werden und alle Gäste in einer Seifenblase leben, die meist 7 bis 14 Tage anhält. Ich fange an es tatsächlich zu mögen. Seien wir mal ehrlich, eine ganze Woche im all inclusive Urlaub bedient zu werden ist doch gar nicht so schlimm oder?
Nichtsdestotrotz, den Marathon zum Essensbuffet habe ich bis zum Ende nicht mitgemacht und auch den Clubtanz habe ich lieber den wahren Tanzbeinen überlassen. Nach einer Woche all inclusive Urlaub mit David Guetta und Co. sitzen wir nach einem letzten Winken zu Ali im Bus zum Flughafen. Mit uns sind die Menschen, die eine Woche lang zum Buffet gerannt sind und sich freudig darüber auslassen, dass dies der wohl schlechteste Urlaub Ihres Lebens war. Verrückte Welt der all inclusive Urlauber? Oder einfach nur Verlassen der Seifenblase?
4 comments
Dank für den tollen Bericht. Es gäbe da noch die eint oder andere Wahrheit über All inclusive Urlaube, die ich selbst schon erlebt habe! Das Gemotze über die lokalen Getränke zum Beispiel, werde nie vergessen wie sich 4 Urlauber genervt haben, dass es keine richtige CocoCola gab sondern halt nur den lokalen Abklatsch davon… Champagner gabs leider auch nicht und den Hendrix Gin musstens auch bezahlen. Das Geweine war so schlimm, das ich knapp davor war mitleid zu haben… In vielen Hotels gibt es A la carte Restaurants wo man auch hin kann, aber halt einmal mehr eingeschränkt… bei meinem letzten Aufenthalt hiess das konkret: Vorspeise und Hauptgang oder Hauptgang mit Dessert… für mich kein Problem, alles ist besser als das Buffet besuchen… Doch auch hier sah ich wieder viele die sich so aufgeregt haben, das ich glaubte sie platzen… Aber wie du oben schreibst, alles grosses Kino und eine perfekte Unterhaltung….
Schöner Beitrag! “Temporäre Magenvergrößerung” – das gefällt mir :) Erstaunlich finde ich auch, wie günstig solche All-Inclusive-Urlaube zu haben sind. 320 Euro für eine Woche sind, glaube ich, keine Seltenheit.
Toller Beitrag, ja, vorallem das mit den lokalen Allinklusive Getränken kommt bei manchen Touris immer noch nicht an, denn die Betonung liegt auf lokale (nationale) und nicht internationale Getränke, aber dies ist doch überhaupt kein Problem, weiß nicht, warum man sich immer wieder darünber beschweren muß.
Wow. Ich bin auch kein riesiger All In-Fan, finde den Artikel hier aber völlig unangemessen überheblich. Lasst doch die Leute so Urlaub machen wie sie es für richtig halten, deswegen habt ihr doch keine schlechtere Zeit.