18 Tage habe ich mich auf die Reise gemacht, um das Ende der Welt zu sehen – das ewige Eis. Die Antarktis ist nicht nur das Ende, sondern auch eine ganz andere Welt. Ich werde diesen einen Morgen nie vergessen, als ich aufstand, an Deck ging und es aussah wie im Märchen – leuchtend blaue Eisberge, spiegelglattes Wasser, in dem sich die Berge spiegelten, Eisschollen, auf denen sich Robben trocken rubbelten und Pinguin-Schwärme, die wie Delfine aus dem Wasser sprangen.
Stundenlang stand ich an Deck und habe das Alles in mich aufgesogen. Den Moment, diese Schönheit der Natur. Ich hatte ihn ganz und gar für mich, denn ich habe diese Reise alleine gemacht, was für sehr viele sehr irritierend war. „Und Sie reisen wirklich ganz alleine?“ Das war die wohl häufigste Frage, die ich vorab und auf dem Schiff gestellt bekommen habe. Danach wollten alle wissen, wie es war und vor allem, was sind denn da so für Leute auf dem Schiff?
Ich kann sagen, dass ich eine wunderbare Zeit hatte und so dankbar dafür bin, all diese Menschen kennengelernt zu haben. Es waren die unterschiedlichsten Konstellationen: Mutter und Sohn, Tochter und Vater, Ehepaare, Freunde und viele, die wie ich alleine unterwegs waren.
Doch so unterschiedlich die Charaktere auch waren, alle hatten etwas gemeinsam – es war ihr größter Traum, einmal die Antarktis zu sehen oder sogar noch einmal zu sehen. Ein Ehepaar war schon sieben Mal dort. Ja, es kann süchtig machen, das kann ich sehr gut verstehen. Außerdem haben alle die Begeisterung für die Natur. Alle gehen respektvoll mir ihr um. Alle, egal wie alt, haben sich wie ein Kind gefreut, wenn die Natur uns ihre Tierwelt gezeigt hat.
Ich werde nie den Tag vergessen, als wir das erste Mal auf den Falklandinsel angelandet sind und eine Eselpinguin-Kolonie beobachtet haben. Alle haben am Abend so gestrahlt und waren so angetan von diesen kleinen Geschöpfen. All diese Menschen waren der lebende Beweis dafür, dass das wirkliche Glück sich nicht hinter Materiellem versteckt. Ich habe noch nie so leuchtende Augen gesehen nachdem sich jemand ein Paar Schuhe gekauft oder eine Gehaltserhöhung bekommen hat.
Genauso wie ich mich für die Tiere interessiere, interessieren mich auch Menschen. Wie ihr euch sicher denken könnt, war ich eine der jüngsten Gäste an Bord und ich fand es wirklich süß mit 31 Jahren „Baby an Bord“ genannt zu werden. Es war toll, so viel Zeit mit älteren Menschen zu verbringen. In Berlin sind sie wie ausgestorben. Ich liebe es, ihren Geschichten zu lauschen und ihre Meinung zu hören und alle an Bord haben mir gezeigt, dass man auch noch mit 70 verreisen kann. Und das auch alleine.
Die liebe Hilde beispielsweise war über 70 und ist die Reise ohne ihren Mann angetreten. Er traute sich nicht mehr, den langen Flug auf sich zu nehmen, doch Hilde wollte unbedingt noch einmal die Antarktis sehen. Ihr Mann hat sie zum Flughafen gebracht und dort hat sie am Gate schnell viele andere Gäste kennengelernt, die auch auf den Weg in die Antarktis waren. Und wenn es ein Problem gab, war immer einer da, der helfen konnte. Wir sind in kürzester Zeit eine Gemeinschaft geworden, die auf sich geachtet und aufgepasst hat. Nachdem ich nach 36 Stunden Seekrankheit aus meiner Kabine kam, hat mich erst einmal jeder gefragt, wie es mir geht und ich sollte doch das nächste Mal bitte sagen, wenn ich was brauche. Ich war erst einmal überrascht, dass bei 400 Menschen überhaupt jemanden aufgefallen ist, dass ich mal einen Tag verschwunden war. Und dann war ich zugleich gerührt, wie sie sich um mich gesorgt haben. Die Anonymität der Großstadt lässt einen manchmal abstumpfen. Man wird zum Einzelkämpfer, boxt sich durch den Berufsverkehr und eben auch das Leben. Hier hat jeder auf einen aufgepasst.
Ganz besonders ans Herz gegangen sind mir auch all die Lebensgeschichten, die ich mitbekommen habe. Das muss ich hier niemanden erzählen: Das Leben ist nicht immer nur Sonnenschein, doch es gibt viele, die jahrelang absichtlich die Vorhänge zugezogen haben, weil sie die Sonne gar nicht sehen wollten. Irgendwann kam dann wieder ihre innere Stärke zurück, sie haben die Vorhänge aufgezogen, sind durch die Tür ins Leben und diese Reise war der Höhepunkt ihres Wendepunkts. Jeder hat sein Päckchen zu tragen. Viele waren auf dem Schiff, um Zeit zu haben. Zeit zum Nachdenken über ihr Leben, über große Entscheidungen und den Sinn hinter allem.
Ein Mann hat mich ganz besonders beeindruckt. Er war dem Tod glaub ich näher als alle anderen. Doch er hat ihm den Stinkefinger gezeigt und kostet seitdem das Leben aus. Er erfüllt sich all seine Wünsche und zwar jetzt und nicht später, weil man nie weiß, ob es ein später gibt. Natürlich geht man immer vom besten Fall aus, aber man weiß es eben nicht.
Aber nicht nur die Passagiere, sondern auch die Crew hat es geschafft, mich zu Tränen zu rühren.
Eine Reise in die Antarktis ist eine unberechenbare Reise. Was die Natur nicht möchte, das wird auch nicht passieren. Gleich am erste Tag haben wir durch den Sturm einen ganzen Tag verloren. Der ganze Plan wurde also über Bord geworfen und wir hatten eine Anlandung auf den Falklandinseln weniger. Aber nicht nur das. Auch den ersten Tag in der Antarktis konnten wir nicht anlanden, weil es zu stürmisch war. Am zweiten Tag musste die Anlandung nach 20 Minuten abgebrochen werden. Ich war in der ersten Gruppe und eine der Glücklichen, die für 10 Minuten an Land gehen durfte. Doch ich habe am eigenen Körper gespürt, wie der Wind plötzlich stärker wurde und die leichten Schneeflocken kamen als spitze Hagelkörner vom Himmel. Wir hatten ein super Expeditionsteam an Bord, das mit dem Kapitän zusammen jeden Tag schwierige Entscheidungen getroffen hat. Am dritten Tag in der Antarktis konnten wir endlich an Land, aber nur, weil das Expeditionsteam alles gegeben hat. Die Bucht, in der wir mit den kleinen Booten anlanden konnten, war voller Eisschollen, was alles so viel schwieriger machte.
Die Crew hat Eisschollen mit dem kleinen Boot aus der Bucht gefahren und am Ufer sind sie in Trockenanzügen durch das flache Wasser marschiert und haben mit den Händen die Eisberge weg geschoben, damit die Boote durchkamen. Den ganzen Tag haben sie ohne Pause gearbeitet, um all den Passagieren diese Anlandung zu ermöglichen und auf antarktischen Boden zu stehen. Es ist die Leidenschaft für ihren Beruf, die ihnen die Kraft und den Willen gegeben hat, das alles durchzuziehen. Viele ältere Passagiere an Bord hatten Gehhilfen und waren nicht die fittesten, doch es war ihr größter Wunsch die Antarktis zu sehen und dank des tollen Teams wurde ihr Traum Wirklichkeit. Es hat mich zutiefst gerührt und während ich diese Worte schreibe, bekomme ich schon wieder ganz feuchte Augen.
Diese Reise hat uns alle miteinander verbunden, doch leider musste sie sich auch einmal dem Ende zuneigen. Früher war ich dann schon immer drei Tage vorher traurig und habe mir damit die Zeit vermiest. Mittlerweile habe ich eine Lösung gegen die Traurigkeit gefunden. Ich sage mir immer: „Weine nicht, weil es vorbei ist, sondern lache, weil es schön war.“ Ich hatte eine super Zeit, ich werde all die Menschen und Begegnungen in meinem Herzen mit mir tragen und genauso wie diese Reise, waren sie etwas ganz Besonderes.
Was ich mir immer noch fast jeden Tag anschaue – diese wunderschönen Fotos:
9 Kommentare
Mein Lieblingspost (bisher)! Da stimmt einfach alles und man hat das Gefühl dabei zu sein – ganz viel Herz! <3
Dankeschön! Noch ein paar kommen :)
Wie wundervoll! Ich bin ganz deiner Meinung: Lache weil es so schön war! Die Bilder sind traumhaft! So gerne würde ich diese Landschaft auch mal selbst sehen. Nur leider werde ich so schnell Seekrank :-(
Herzliche Grüße
Sabine
Ich auch :D Oh Gott, das war echt schlimm…
Toller Bericht und schöne Bider.Mache mir Gedanken,Seekrank und Höhenkrank in den Dolomiten.Bekommt man weg.LG Werner Gerhard
Wow, was für ein toller Bericht, mit soooo wundervollen Bildern! ich liebe es ja mit dem Schiff zu Reisen, und freue mich schon das unsere nächste Reise mit dem Schiff immer näher rückt. Aber die Antarktis würde mir sehr gut gefallen und da will ich unbedingt auch mal hin! <3
lg tanja
Dankeschön :)
Wow toller Bericht. Die Antarktis ist wirklich eine besondere Reise die nicht jeder macht. Dein Bericht hat mich von Beginn an in seinen Bann gezogen.
LG Christian
Das freut mich sehr, dass ich euch auf diese Reise mitnehmen konnte :)