Wie ihr bestimmt schon im Post “Ja ich habe mich getraut!” gelesen habt, geht es für Stefan bald los. Er hat sich ein Sabbatical genommen und macht eine Weltreise, von der er hier auf Lilies Diary berichten wird. Hoffentlich wird er endlich seinen Bären sehen… Hier zum Einstieg schon mal eine Geschichte von seiner letzten Reise:
Um 5:15 Uhr klingelt der Wecker und holt mich mehr als ungemütlich aus dem tiefen Schlaf. Gerade noch schön geschlummert und geträumt, zeigt mir das iPhone, mit seinem unerbittlichen Surren, mal wieder seine harte Seite. Draußen ist es noch stockdunkel und die Temperatur liegt knapp über dem Gefrierpunkt. Aber ich denke mir, sei hart, denn wer die unberührte Wildnis im Grand Teton Nationalpark in den Bergen Wyomings erleben will muss früh raus.
Grand Teton – the place to be(ar)
Gestern bin ich nach gut 300 Meilen Autofahrt direkt aus Salt Lake City hier angekommen. Der Grand Teton ist der kleine Bruder des bekanntesten amerikanischen Nationalparks, dem Yellowstone Nationalpark. Wer aus Süden von Salt Lake City aus Richtung Yellowstone fährt kommt unweigerlich an diesem schönen Park vorbei. Doch nur die wenigsten nehmen sich die Zeit und verweilen ein paar Tage hier, sondern fahren direkt weiter zum großen Bruder Yellowstone. Da mir aber mehrere Reisende als auch die Einheimischen in Salt Lake City versichert haben, dass es hier ruhiger, gemütlicher und originaler zugeht, war ein Stopp im Grand Teton Pflicht. Der Nationalpark bietet neben atemberaubender Natur, vor allem den Lebensraum für viele Tiere u.a. Bisons, Vögel, Rehe, Elche, Wölfe und Bären. Und genau deswegen bin ich hier: ich will endlich einen Bären in freier Wildbahn sehen! Diese wunderbaren, furchteinflößenden Raubtiere, haben mich schon immer fasziniert. Vielleicht bin ich in meiner Kindheit auch schon zu sehr geprägt worden durch zahlreiche Filme wie „Der Bär“ oder Dokumentationen wie „Grizzly Man“ aber ich will ihn einfach sehn – und zwar live. Und hier im Park soll es ihn geben – sowohl als Schwarzbären als auch als Grizzlybären. Und jetzt bin ich hier, in „Bear country“ und begebe mich auf Bärenjagd – mit Kamera und Fernglas – natürlich ohne Gewehr. Klar weiß ich, dass man für eine Bärensichtung sehr viel Glück haben muss, da die Tiere sehr scheu sind und jeden Kontakt zu Menschen meiden. Und genau deswegen muss man dem Schicksal nachhelfen und sich auch mal früh rausquälen. Und los geht’s.
Auf dem Wasser durch den Grand Teton Nationalpark
Mit dem Auto geht es Richtung Jackson Lake Lodge, denn von hier startet mein Early bird Trip in die Wildnis des Grand Teton Nationalparks. Ich habe mich für eine Rafting Tour auf dem Snake River entschieden. Drei Stunden soll es in einem eher gemütlichen Tempo auf einem Rafting Boot durch die Flora und Fauna des Nationalparks gehen.
Und da kommt er auch schon, unser Guide für die nächsten Stunden. Wilson, Anfang 30, stämmig, Vollbart, kommt ursprünglich aus San Fransisco und hat sein Leben in der Großstadt für die Wildnis im Grand Teton aufgegeben. Im Sommer fährt er nahezu jeden Tag Touristen auf dem Snake River den Fluss herunter und im Winter nutzt er die gewonnene Zeit und das Geld zum Skifahren in den nahegelegenen Bergen. Er kennt jeden Winkel dieses Parks, aber war noch nie im Yellowstone unterwegs. Schon seltsam, das sind nicht mal 50 Kilometer von hier und das ist der bekannteste Nationalpark der USA. Aber Wilson, der seit Jahren hier arbeitet, war noch kein einziges Mal dort.
Auf die Bären, fertig los!
Nach kurzer Autofahrt, kommen wir am Fluß an und bringen unser Boot zu Wasser. Nicht aber ohne vorher über Risiken und Gefahren der Tour aufgeklärt worden zu sein und jedem eine Schwimmweste überzuziehen. Ja wir sind in den USA, hier hat alles seine Ordnung und Sicherheit steht an erster Stelle. Ich habe Glück – so früh will noch keiner los. Der Großteil der Urlauber meidet die Kälte und das frühe Aufstehen. So haben wir das Boot mit unserer kleinen Reisegruppe für uns alleine. Normalerweise quetschen sich hier zwölf Personen ins Boot, heute sind wir nur zu viert. Paddeln müssen wir nicht, das macht der kräftige Wilson alleine und die leichte Strömung des Flusses unterstützt ihn dabei. So gleiten wir langsam auf dem Fluß dahin und fahren in den Morgentau, der sich beim Sonnenaufgang über dem Wasser bildet. Jeder Flussbogen bietet einen neuen wunderschönen Ausblick und lässt uns weiter den Snake River runter treiben. Jetzt bekomme ich den Lohn dafür, dass ich mich so früh aus dem Bett gequält habe. Der Anblick der Bergkette im Sonnenaufgang, die im schwindenden Nebel immer deutlicher wird, das Rauschen des Flusses und die gelblichen Herbstwälder am Uferrand, lassen mich den garstigen Weckruf des Morgens spätestens jetzt vergessen. Die Fahrt wird zu einer Wellnessreise für Geist und Seele. Nur die Tierwelt hat heute wohl noch Langschläfer Tag, bis auf einen Biber, der sich gerade am Nestbau übt, habe ich bis jetzt nur Natur pur genießen dürfen. Alles wunderschön, aber ich bin doch hier um einen Bären zu sehen.
Doch schon eine Kehre später, lassen uns Brunftschreie die durch den Wald hallen aufhorchen. Hinter einer Nebelwand stapft ein Hirsch unweit von unserem Boot durchs Wasser ans andere Ufer. Ein Bild wie gemalt. Später kommen noch unzählige Hirsche am Flussrand hinzu und gerade die lauten, sehr hellen und grellen Brunftschreie tönen immer wieder aus dem Unterholz über den Fluss. Ständig wandert mein Blick am Ufer entlang, Foto und Fernglas im Anschlag und immer in Hochspannung etwas Besonderes zu sehen.
Wann kommt endlich der Bär? Ganz schön anstrengend jeden Winkel im Wald abzuscannen, in der Hoffnung auf den großen Augenblick. Groß, braun, gewaltig, springt er aus dem Wald, suhlt sich im Fluss, nimmt sich zum Frühstück noch einen Fisch mit der Pranke und verschwindet dann nach kurzem Foto-Possing wieder im Wald. Genau so stell ich mir das in meinen Träumen vor. Doch neben Hirschen, Bibern, Adlern und Steinböcken bleibt mir am Ende der Fahrt der Bär leider immer noch verborgen. Nach knapp drei Stunden wunderschöner Fahrt auf dem Snake River legen wir wieder am Ufer an. Am Ende erzählt Wilson in einer Seelenruhe, dass er noch nie einen Bären auf dieser Rafting Tour gesehen hat. WAS???? Und Wilson fährt diese Strecke in der Hochsaison drei Mal täglich. WAAASSS? Hallo!?!?!?! … das hätte mir ja auch vorher jemand sagen können. Innerlich kommt kurz Wut in mir auf. Nein Stefan, beruhige dich. Das waren drei wunderschöne Stunden und zu schön waren die Eindrücke auf der Rafting Tour um mich jetzt über die verpassten Bären zu ärgern.
Schlimmer geht immer
Zurück an der Lodge erzählt mir ein Park Ranger ganz aufgeregt, dass gerade vor einer knappen halben Stunde, nur 400 Meter von der Hauptstraße entfernt, drei Grizzlybären gesichtet wurden. Drei WASSSS???? Ich traue meinen Ohren nicht. Ich begebe mich in aller Hergotts-Früh auf Wildnistrip und dabei hätte ich doch nur meinen Hintern ins Auto bewegen und ein wenig die Hauptstraße hoch und runter fahren müssen. Das gibt’s doch nicht!
Doch ich werde die Suche nicht aufgeben. Übermorgen wenn ich den Yellowstone National Park erreiche, mache ich mich wieder auf die Suche nach den Bären. Und egal ob der Wecker auf 5 Uhr oder gar 4:30 Uhr steht ich werde aufstehen und ihn finden….irgendwann….
Da steht er, in der Hotellobby im Grand Teton Nationalpark: ein Bär. Leider nicht lebend…
1 Kommentar
Toller Beitrag! Ich würde für die Beobachtung ein typisches Fernglas für Jäger benutzen, denn das hat vor allem die Eigenschaften wie:
hoher Objektivdurchmesser
gute Dämmerleistung
u.v.m.