Goldenes Sonnenlicht strahlt durch das satte Grün der dicht bewachsenen tropischen Vegetation und spiegelt sich im Wasser. Man hört Vögel zwitschern, zwei Frauen paddeln bedächtig in ihrem Kanu vorbei. Ihre Saris leuchten – ein roter und ein gelber Farbkleks inmitten dieser einzigartigen Landschaft. Ich könnte hier stundenlang von meinem Liegestuhl aus in Richtung Wasser schauen. Ein perfekter Ort, um sich vom Alltagsstress zu verabschieden.
Mein Guesthouse befindet sich in der Nähe Alappuzha, (oder Aleppey) inmitten der Backwaters von Kerala. Die Backwaters sind ein verzweigtes Wasserstrassennetz im Hinterland der Malarbarküste. Sie erstrecken sich von Kochi bis Kollam auf einer Fläche von insgesamt 1.900 km². Die Wasserwege sind umrandet von einer dichten, grünen, tropischen Vegetation. Die Menschen, die hier leben, nutzen dieses einzigartige Ökosystem, um sich zu waschen, um zu fischen und sie nutzen die Backwaters, um sich darauf fortzubewegen.
An mir ziehen große Hausboote vorbei – die „Kettuvallam“. Kettu bedeuted „nähen, binden oder schnüren“ und „vallam“ steht für Boot. Traditionell wurden Kettuvallams zum Transport von Gütern, hauptsächlich Reis und Gewürzen, eingesetzt. Heute sind sie umgebaut und werden als Hausboote für Touristen genutzt.
Mein Guesthaus, das Malayalam Lake Resort Homestay, ist ein kleiner Familienbetrieb in der Nähe von Allapuzha. Der Riskaw Fahrer fährt soweit er kann, den Rest muss man selbst auf einem Trampelpfad weiter laufen. Dafür ist man dann mittendrin in den Backwaters.
Ob ich lieber mit dem Kanu, einem motorisierten Boot oder einem Kettuvallam fahren möchte, werde ich von dem Besitzer gefragt. Ich entscheide mich für ein Kanu, für den späten Nachmittag und für ein kleines motorisiertes Boot zum Sonnenaufgang am nächsten Morgen. Ich nehme einen Schluck Tee und schaue mir das Ayurveda Menü an, das mir auch auf den Tisch gelegt wurde. Das hört sich alles gut an. Ich sage, ich möchte eine Ölmassage, und schon liege ich auf einer Holzpritsche und werde von der Nachbarin eingeölt. Danach liege ich auf dem Liegestuhl vor meinem Zimmer, den Blick auf das Wasser gerichtet, Kettuvallam ziehen vorbei. Ich schlafe entspannt ein.
Als ich wieder erwache steht schon der nächste Programmpunkt an: mit dem Kanu durch die Wasserwege. Ich darf selbst paddeln und fühle mich ein wenig wie Indianer Jones. Mit dem Kanu kann man bis in die kleinsten Wasserwege gelangen. Wir legen an einem kleinen Dorf an. Zwei Jungen helfen gerade ihrem Vater dabei, mit einem langen Stock Mangos vom Baum zu holen. Namaste! (Guten Tag), schallte es aus jedem Haus, an dem ich vorbeilaufe. Die Menschen hier sind sehr freundlich, ich werde überall mit einem strahlenden Lächeln empfangen. Alles geht sehr gemächlich zu, die Zeit läuft langsamer.
Am nächsten Morgen werde ich kurz vor Sonnenaufgang von meinem bestellten Motorboot abgeholt. Das motorisierte Boot ist sehr komfortabel, man kommt schneller voran als mit dem Kanu. Als die ersten Sonnenstrahlen erscheinen, geht es schon relativ geschäftig auf den Wasserwegen zu. Die Kettuvallam, die über Nacht hier in einer Reihe geparkt hatten, fahren nun nach und nach Richtung Allapuzha City, um Touristen dort an Bord zu nehmen. Fischer sind unterwegs und Schulkinder werden in Kanus in die Schule gebracht. Ich beobachte das Treiben aus einer gemütlicher Liegeposition von meinem Boot aus. Das leichte Surren des Motors, die glitzernde Wasseroberfläche, das alles ist für mich so entspannend, dass ich einschlafe und leider die Hälfte meiner dreistündigen Bootstour verpasse.
Später gehe ich zum Strand von Alappuzha, ein indischer Strand. Das heißt, hier wird sich nicht auf westliche Art im Bikini gesonnt und es wird auch nicht geschwommen, sondern Inder laufen in Kleidung den Strand auf und ab und stürzen sich ab und zu in die Wellen, bekleidet natürlich.
Am nächsten Tag verlasse ich Alappuzha. In Kerala kann man prima eine schöne Runde machen, da alles relativ dicht beisammen liegt. Ich kam mit dem Bus von dem ungefähr zwei Stunden entfernten Kochi, oder Cochin, nach Alappuzha. Kochi ist ein kleines, beschauliches Städtchen am Meer, mit vielen Gebäuden aus der Kolonialzeit. Bekannt ist Kochi für die chinesischen Fischernetze, die es so nur dort gibt. Nun fahre ich weiter in den Süden nach Varkala und freue mich auf den Strand. Von Trivandrum, oder Thiruvananthapuram, fliege ich zurück nach Deutschland.
Kerala wird zurecht als die „grüne Lunge“ Indiens bezeichnet–Kokospalmen soweit das Auge reicht.
Die Chinesische Fischernetze von Kochi, deren jahrhundertealte ursprüngliche Form oder Arbeitsweise kaum verändert wurde.
Mit dem Kanu gelangt man auch in engste Wasserwege.
Ein Kettuvallam mit indischen Touristen an Bord gleitet an mir vorbei.
Ein Vater und seine Söhnen haben gerade Mangos von einem Baum geholt.
Kurz vor Sonnenaufgang in den Backwaters von Alappuzha
Die Gastautorin
Sandra hat das Reisefieber gepackt seit ihrem ersten Mal in Thailand. Das war 2000, vielleicht 2001, so ganz weiß sie das nicht mehr. Asien hat sie seitdem ganz gut kennengelernt, sogar mal ein paar Jahre in Bangkok, Thailand und in Medan, Indonesien gelebt. Jetzt wohnt sie zwar in Berlin, ist da aber nicht so häufig anzutreffen. Zu ihren Lieblingsländern gehören Indien, Myanmar und Kuba. Sie arbeitet als Fotografin und manchmal schreibt sie auch. Ihre Fotos und Geschichten waren schon in Magazinen zu finden wie z.B. National Geografic Traveller, Lonley Planet Traveller oder Globetrotter. Mehr über Sandra erfahrt ihr auf auf ihrem Instagram-Kanal @sandrawellerfoto!