Genau heute haben sie angefangen. Die gefürchteten Tage zwischen den Jahren. Man kann gar nicht glauben, dass Weihnachten schon wieder rum ist und wie viel Essen in einen Bauch passt. Als ich heute morgen aufgewacht bin, konnte ich gar nicht sagen, welcher Tag es ist. Geschweige denn, wo ich bin. Ein gefühlter Montag, bei mir zu Hause, nach einem verlängerten Wochenende aber auf dem Kalender ein Dienstag und ich bin noch bei meinen Eltern. Bis zum Samstag hat man jetzt Zeit. Zeit, um das Jahr 2011 noch einmal vor seinem inneren, geistigen Auge abzuspielen. Sich die immer gleichen Fragen zu stellen – was war schön, was war schrecklich und was ändere ich nächstes Jahr. Nach den letzten wirklich erholsamen Tagen, an denen ich ca. 14 Stunden geschlafen habe, da mich eine gemeine Erkältung aufgesucht hat und ich mich mit Kräutersalben und ätherischen Ölen absolut high gemacht habe, bin ich in eine Art Koma gefallen. Ich kann nichts tun. Ich sitze die restlichen 10 Stunden, die ich nicht schlafe, im Wohnzimmer, höre meinen Kopf brummen, schaue mir den Christbaum an und stelle mir die immer gleichen Fragen – was war schön, was war schrecklich und was ändere ich nächstes Jahr? Meine ganze Energie des Tages habe ich heute dafür aufgebracht, mich aufrecht auf einen Stuhl zu setzten, meinen Laptop aufzuklappen und diesen Text zu schreiben. Irgendwann muss man ja mal wieder anfangen etwas zu tun und die Gehirnzellen aktivieren. In meiner momentanen schläfrigen Komaphase kann ich mir gar nicht vorstellen, dass 2012 irgendetwas passieren wird, was sich außerhalb meines Bettes und der Küche abspielen wird. Ehrlich gesagt, ich hasse die Tage zwischen den Jahren und bin ziemlich froh, dass ich sie dieses Jahr nur beim halben Bewusstsein mitbekomme und voll auf WickVapoRub bin.
2011 war ein geiles Jahr. Ein endgeiles Jahr. Ich habe mein Buch geschrieben, ich war unterwegs, habe versucht eine Festanstellung auszuüben und meine Freiheit wieder gewonnen, so viel Liebe und Freude bekommen und immer versucht, etwas weiter und zurück zu geben. Es war alles neu und zum ersten Mal und einfach genial. Ich müsste zufrieden und glücklich in meinem Sessel sitzen und mir sagen: „Christine, hast du ganz gut gemacht.“ Aber leider ist es nicht so. Ich freue mich natürlich über alles und danke meinem Schicksal, dass es mir das alles möglich gemacht hat. Doch bin ich kein Mensch, der gerne zurück schaut. Vergangen ist vergangen. Bei Schicksalsschlägen und traurigen Ereignissen in der Vergangenheit ein durchaus cleverer Schachzug, bei Erfolg jedoch zermürbend, denn der Rückblick auf das schon Geschaffte, würde einen ab und zu ein bisschen mehr Optimismus und Mut für die Zukunft geben. So sitze ich da, an den Tagen zwischen den Jahren, vor Silvester und habe etwas Angst. Angst nicht noch einmal so viel Glück zu haben und so ein schönes Jahr, wie 2011 zu erleben. Angst bei neuen Sachen zu versagen, da ich die Messlatte sehr hoch gesetzt habe. Angst, immer mehr zu wollen und es nicht zu erreichen. Angst vor der Angst, denn sie hemmt.
Ich habe zwischen den Jahren auch viel gelesen. Erst gestern DIE ZEIT. Im Feuilleton war ein netter Artikel über Charlotte Roche. Ich habe keiner ihrer Bücher gelesen, ich enthalte mich auch einer Meinung über ihre Person. Jedoch interessiert sie mich als Autorin, auch wenn ich weiß, dass sie in einer ganz anderen Liga spielt. Ihr erstes Buch „Feuchtgebiete“ war ein voller Erfolg. Ihr zweites Buch „Schoßgebete“ kam da nicht ran. Das war klar. Fast so klar wie die Tatsache, dass sie auch nie wieder so einen Erfolg haben wird, wie mit „Feuchtgebiete“. Was Charlotte Roche dazu sagt:
„Ich habe halt den größten Erfolg meines Lebens mit 30 gehabt. Damit muss ich jetzt klarkommen.“
Ich habe sie immer beneidet für ihre Ziele, die sie erreicht hat. Nach diesem Satz tut sie mir leid, denn ich glaube sie hat recht. Nein, vielleicht hat sie gar nicht recht. Aber sie hat auf jeden Fall die Hoffnung aufgegeben.
Da sitz ich also, ein Schisser, der Angst vor 2012 hat und eigentlich immer unzufrieden mit sich selber ist, weil er denkt da geht noch mehr und Angst hat, es nicht zu erreichen. Aber genau das brauche ich. Die Hoffnung, dass noch mehr geht, die Angst, die mich antreibt und die Tage zwischen den Jahren, die mir das immer wieder vor Augen halten. Was ich mir für 2012 wünsche? Das ich niemals sage: „2011 hatte ich den größten Erfolg meines Lebens.“ und das Tocotronic recht haben mit ihrem Songtext:
“Im Blick zurück entstehen die Dinge. Im Blick nach vorn entsteht das Glück.”
11 Kommentare
Hmmm, ich hatte schon wieder einer dieser Tage üblichen Jahresrückblick-Blogeingräge erwartet aber irgendwie war deiner anders. Du hast ausgesprochen, was ich auch denke, gerade in Bezug auf die Vergangenheit. Ich kann auch nicht zurückschauen und mich über das Erreichte freuen, bin auch immer getrieben von dem Blick nach vorn. Vielleicht muss man diese Charaktereigenschaft einfach akzeptieren. Jedenfalls ist es schön zu sehen, dass andere genauso unruhig sind ;)
:)
Ich würde da mehr zu Blumfeld als zu Tocotronic tendieren
Die Welt ist schön
Die Nacht war lang
Ich fragte mich
Wie soll es weitergehen
Und dunkle Wolken zogen übers Meer
Ich saß nur da
Und tat sonst nichts
Als nur die Wand ansehen
Und der Fluss floss ruhig vor sich her
Es zog mich raus
Ich sah mich um
Ich ging nur, um zu gehen
Und Schatten tanzten mit dem Wind
Ich dachte mir:
Vielleicht sind wir
Nicht da, um zu verstehen
Wir vergehen, wie wir gekommen sind
Dann kam der Tag mit seinen Farben
Er kam zu mir und der war neu
Und ich muss sagen, trotz aller Plagen:
Es geht mir gut. Die Welt ist schön. Ich lebe gern
Die Sonne schaut zur Tür herein
Und sieht mich strahlend an
Sagt mir, sie hätt’ noch was zu tun
Doch später möcht’ sie bei mir sein
Ich weiß, ich bin ihr Mann
Und sie wirft mir mit Blicken Küsse zu
Und wie wir durch die Landschaft fahren
Mit Freunden oder nur zu zweit
An solchen Tagen möchte ich ihr sagen:
Ich liebe Dich. Die Welt ist schön. Ich lebe gern
Und Gott zieht durch die Galaxien
Er ist so einsam und allein
An manchen Tagen scheint er zu sagen:
Ich bin o.k. Die Welt ist schön. Ich lebe gern
(Blumfeld)
Locker bleiben…
Ich schaue eigentlich sehr gerne zurück. Das ganze Jahr über “sammele” ich schon die Dinge, die schön gewesen sind, von herausragenden Ereignissen bis hin zu Begegnungen mit netten Menschen. All das macht mich beim Zurückschauen total dankbar und motiviert mich, das neue Jahr “zu entdecken”. Die Vorfreude ist immer stärker als Angst oder Erfolgdruck. Es muss nicht immer mehr und immer besser werden. Das neue Jahr kommt einfach zu mir und hat viel im Gepäck :)
Ich habe lange nicht mehr hier gelesen …
Es ist schön, dass es DIR gut geht und Dein Jahr erfolgreich war. :-)