Die Einheimischen hatten uns gewarnt. Man würde uns mit Feuer jagen, mit Flammen bespucken, uns in Fontänen aus Funken baden. Beim “Correfoc”, zu Deutsch “Feuerlauf” verkleiden sich die Mallorquiner als Feuerteufel und fegen mit Fackeln und Feuerwerk durch die Straßen. Wer sich mit den “Dimonis”, den Feuerteufeln einlasse, bezahle seinen Wagemut mit Brandflecken. Bestenfalls. Den Warnungen zum Trotz stürze ich mich ins Getümmel.
Palma hat sich schick gemacht: Der Himmel glimmt noch einmal auf, bevor er sapphirblau in die Nacht eintaucht. Über den Dächern der Stadtpaläste thronen Unendlichkeit und Stille. Doch die friedvolle Stimmung trügt. Unter der majestätischen Kuppel knistert es vor Anspannung.
Die Menschen am Plaça Rei Joan Carles I. warten auf etwas. Ganz Palma scharrt vor Ungeduld mit den Füßen, Familien mit Kindern, Pärchen, sogar deutsche Rentner. Die jüngeren sind vermummt oder tragen Kapuze. Mallorquinische Hooligans sind sie nicht. Trotzdem steht ihnen ein Großaufgebot an Polizei und Feuerwehr zur Seite.
Palma brennt
Ein Zucken geht durch die Menge, denn am Ende des Carrer de la Unió tut sich etwas. Trommelwirbel. Hälse recken sich. Zwischen stattlichen Platanen sprühen die ersten Funken. Es kracht, pengt und qualmt die Straße hinunter. Das Getöse peitscht direkt auf uns zu. Ich vergesse zu atmen.
Stunde der Feuerteufel
Ein feuerschnaubender Drache fliegt heran. Scharfe Krallen, gefräßiger Schlund. Die Umstehenden kreischen und laufen auseinander. Die Verbliebenen zücken ihre Telefone. Endlich ist es so weit.
Der Qualm löst sich auf, noch sehe ich nichts. Dann zeichnet sich das Unheil ab. Ochsenköpfe mit gebogenen Hörnern, schwarz-rote Kutten, Fratzen mit wulstigen Hautfalten, die mir die Zunge herausstrecken. In wilden Horden preschen sie über den Asphalt. Der scheint zu glühen. Knaller zischen vor unseren Füßen. Sie sollen die bösen Geister vertreiben.
Tanz unter einem Schirm aus Funkenschlag
Mit bengalischen Feuern und Stöcken, aus deren oberem Ende Funken sprühen, rasen die Gehörnten durch das Spalier aus Schaulustigen. Die Furchtlosesten umringen die Dämonen, sie tanzen und hüpfen zum Rhythmus der Blechtrommeln. Je näher sie den Teufeln rücken, desto eher entgehen sie den herabrieselnden Funken. Was für ein wahnwitziger Nervenkitzel!
Mit jeder Woge fiebere ich mit, tänzle in Trippelschritten durchs Feuermeer, nur um mich vor der nächsten explodierenden Flammensäule auf den Bordstein zu retten.
Nach einer Stunde habe ich leicht angekokelte Locken und meine Begleiter im Gewusel verloren. Ich folge der Spur aus Qualm und Schwarzpulver. Am Placa Rei Joan Carles I. sammelt sich die wilde Meute. Die aufgepeitschten Feuerteufel tanzen ihren lüsternen Reigen, strecken ihre Zepter empor und huldigen einer Fledermaus. Ja, ihr lest richtig. Über den tobenden Hornochsen schwebt ein putziger Vampir – ganz lautlos und ungefährlich.
Von Blutsaugern und Bürokraten
Merkwürdig, denke ich auf dem Heimweg. In Berlin steppt der Bär, Bayern protzt mit den Löwen. Palma wählt eine niedliche Fledermaus als Wappentier. Dabei galten die fliegenden Säuger als Vorboten des Unheils, als pelzige Pestbringer, jedenfalls in der Mitte des alten Europas, da, wo ich herkomme.
Weiter südlich, im Königreich Aragon war das anders. In dem Landstrich rund um Barcelona, mauserte sich das Tier mit den kleinen Augen und den großen Ohren zum Glücksbringer. Mit den Eroberern aus Aragon und Katalonien kam die Fledermaus nach Mallorca und wird seitdem verehrt, offensichtlich auch von den Feuerteufeln.
Denen sollte es zwischenzeitlich an den Kragen gehen, nein, nicht durch den kleinen Blutsauger. Die Spaßverderber der EU wollten die alte Tradition der Correfocs verbieten. Begründung: Die Feuerläufer hielten die vorgeschriebenen Mindestabstände zwischen Feuerwerkskörpern und Publikum nicht ein. Das passiert, wenn man selbst noch nie Feuer in den Augen hatte. Mittlerweile machen die Teufel eine Ausbildung im Zündeln und alle können sich wieder sicher fühlen.
Fahrt hin und seht es euch an. Das fetzt. Correfocs gibt es in Palma zu Sant Antoni (17. Januar). Der Abstecher im Winter lohnt sich besonders. Dann feiert die Stadt ihren Heiligen, Sant Sebastià (20. Januar) – mit öffentlichen Grillrunden und spanischer Musik auf allen Plätzen.
Eins noch: Packt alte, einigermaßen feuerfeste Klamotten ein, Kapuzenpulli oder Mützen und vergesst die Handschuhe nicht. Winternächte sind auch am Mittelmeer eher frisch, jedenfalls abseits der Flammen.
Vielen Dank für die Unterstützung an Passion for Palma de Mallorca. Die Fotos wurden mit der OLYMPUS E-PL5 aufgenommen.
3 comments
Ein Correfoc ist wirklich eine einmalige Erfahrung. Ich habe das 2013 in Barcelona erlebt und bin trotz der Tatsache, dass ich ordentlich eins auf die Nase bekommen habe, immer noch geflasht. Ein Correfoc im Winter ist aber wahrscheinlich sogar noch besser. Im September haben wir in unserem “Schwarzen Block”-Outfit ganz schön geschwitzt ;)!
hola vecinos
da habe ich aber eine tolle, für mich neue, Adresse gefunden.
Ganz große Klasse. Viele Grüße
Ich habe 2009 ein Jahr lang auf Mallorca gelebt und damals den ersten Correfoc erlebt. Für mich die eindrucksvollste Zeit, zu der man Mallorca besuchen kann! Man merkt, dass die Einheimischen froh sind, mal unter sich feiern zu können. Viele Grüsse Der Gute Reisende