Jeder der eine Auszeit braucht, Zeit zum Nachdenken, Freiheit für den Kopf und die Seele, den würde ich sofort in den Flieger nach Las Vegas setzen und anschließend in ein Auto, um 1300 Kilometer durch Nevada und Kalifornien zu fahren.
Manchmal, im stressigem und monotonen Alltag, glaubt man, sich ein bisschen verloren zu haben. Nicht nur in Gedanken, sondern auch das Gefühl für den Körper. Man hat aufgehört sich zu spüren, den Regen auf der Haut, die Sonne im Gesicht, was einem gut tut und noch weniger, was einen zermürbt und kaputt macht. Was dagegen hilft? 10 Tage Auszeit und eine Fahrt durch das Death Valley. Das Death Valley ist einer der heißesten und trockensten Plätze der Welt. Im Durchschnitt regnet es hier 5 cm im Jahr. Die höchste Temperatur wurde 1913 gemessen. An diesem Tag fielen die Schwalben tot vom Himmel und ein nasses Tuch trocknete binnen Sekunden. Ich kann mir nicht vorstellen, dass hier überhaupt irgendetwas länger als ein paar Stunden überleben kann. Dieser Ort ist eine Extremsituation. Eine Landschaft, die ich noch nie vorher gesehen habe. Ein Moment, der sich in mein Gedächtnis frisst. Vom Dantes View, einem Aussichtspunkt über das Badwater Tal schlängelt sich ein Highway bis zum heißesten Punkt. Das Tal hat seinen Namen von einem Landvermesser, der sein Maultier dazu bringen wollte aus einem See im Tal zu trinken. Das Tier wollte aber nicht, da das Wasser zu salzig war und so taufte der Mann das Tal „bad water“.
Wer hier aus dem Auto steigt und nichts spürt, der ist wirklich tot. Kilometerlang führt die Straße durch trockene Steppe, umrahmt von über 3300 m hohen Bergen der Sierra Nevada. Hier, 86 m unter dem Meeresspiegel, liegt im Death Valley der niedrigste Punkt der USA und einer der heißesten Punkte der Erde mit bis zu 57 Grad. 49 Grad steht auf der digitalen Anzeige des Autos, als ich den Griff der Autotür öffne und mir eine warme Welle entgegen kommt. Ich fühle mich, als würde ich den Backofen mit Umlufthitze öffnen. Ein paar Meter vom Auto entfernt, laufe ich auf der weißen Salzkruste, die ich schon vom Dantes View aus 1500 Metern Höhe gesehen habe. Irre! Einfach irre! Der heiße Wind peitscht mir gegen den Körper, dass es schmerzt. Das ist Sturm-Sauna. Ich habe mich noch nie so lebendig gefühlt. Innerhalb von 3 Minuten ist meine Kehle staubtrocken. Würde mich hier jemand 3 Stunden ohne Wasser aussetzen, wäre ich tot. Es ist der Wahnsinn, wie solch ein Naturerlebnis einen vor Augen führt, wie endlich alles sein kann und wie wunderschön die Welt ist und dass man gar nicht genug von ihr sehen kann.
Die Fahrt durch das 200 Kilometer lange Death Valley ist eine Fahrt, die keiner so schnell vergessen wird. Warum? Weil man nichts sieht. Kilometerlang nur Felsen und Sanddünen. Doch je länger man durch das Tal fährt, desto schöner wird es. Die weichen Berge, die spitzen Hügel mit tiefen Furchen. Faltige Berge wohin das Auge reicht im leuchtenden Ocker bis zartem Grün. Ich wusste gar nicht, dass Steine so spannend sein können. Aber ich wusste so viel nicht. Auch über mich.
Ich hatte diese lange To Do-Liste für die Fahrt. Texte lesen, Fotos bearbeiten, Notizen sortieren …
Doch nach ein paar Meilen ist alles vergessen. Nichts geht mehr, außer auf die Straße und die Landschaft glotzen und gute Musik hören. Alles Rationale wird ausgeschaltet. Es geht nur um das Fühlen. Die Weite, die Freiheit und die Unendlichkeit. Und irgendwie auch mich. Immer wenn ich in einer extremen Situation bin, kommt unwiderruflich die Frage: „Wer bin ich in dieser großen, weiten Welt und was will ich?“ Manchmal weiß ich auch keine Antwort darauf. Aber es liegen noch 1100 Kilometer vor mir …
Der Weg in das Death Valley startet von Las Vegas aus. Es ist möglich erst einen Stopp im Red Rock Canyon einzulegen.
Der Red Rock Canyon liegt etwa 27 km westlich von Las Vegas, inmitten der Hochwüste Nevadas.
Meine Paylist für diese Fahrt: Bon Iver – I Can’t Make You Love Me (David Keller Remix)
Soléy – Pretty Face
Ben Howard – Keep Your Head Up
William Fitzsimmons – Passion Play
NEEDTOBREATHE – A Place Only You Can Go
Newton Faulkner – Teardrop Cover
Imogen Heap – Hide & Seek (Murdok Dubstep Remix)
The Lumineers – Ho Hey
Ruede Hagelstein and The Noblettes – Berlin
Bon Iver – Skinny Love
Die Straße zum Dankes View
Little Dragon – Ritual Union
Blick auf das Badwater Bassin
Florence + the Machine – The dog days are over
The Moldy Peaches – Anyone Else But You
Bon Iver – Holocene
So sieht er aus, der heißeste Punkt in Amerika.
Kein Wunder, dass da kein Esel draus trinken wollte …
Valley-Zabriskie Point
Das war wirklich die beste Aussicht, die ich jemals von einer Bank aus hatte …
Klangkarussell – Sonnentanz
Danke an Motel 6 für die Übernachtung im Motel 6 Beatty. Wenn ihr da seid, unbedingt bei Denny’s Burger essen und eine Runde durch das Dorf drehen. Das ist Amerika!
16 comments
Wow! Unendliche Weiten!
Aber du sollst doch keine Fotos machen während dem Autofahren!!! ;)
Mach ich aber auch immer, v.a. wenn ich auf kleinen Inseln unterwegs bin, wo außer mir eh so gut wie keiner unterwegs ist. Da könnte man sich auf die Straße legen und müsste höchstens Angst haben von einem der freilaufenden Pferde zertrampelt zu werden.
Mich zieht es zwar überhaupt nicht nach Amerika, aber das Death Valley würde mich trotzdem mal reizen.
Ich war Beifahrer ;)
Wow! Vielen Dank für die tollen Eindrücke :-)
32 Tage, dann startet unsere Tour (San Diego – Las Vegas – San Francisco – Los Angeles) mit all den Schönheiten die auf dem Weg liegen. Ich freu mich!!!!!!!! …. nach Deinem Bericht und einigen schönen Songs nun noch mehr!! DANKE!!
Die ganze nächste Woche kommen Tipps von mir :) Freut euch und ich freue mich auf eure Vorfreude :)
Been there, done that. Motel 6 in Beatty und morgens im Denny’s gefrühstückt – durch das man nur kam, in dem man durch ein kleines Mini-Kasino ging.
Unsere Tour: nerdsgonewest.tumblr.com
Ja, das geile Mini-Casino :D
Ähnliches Erlebnis hatte ich im australischen Outback, jedoch nicht ganz so extrem! Ich fand es damals beeindruckend, wie groß und unendlich weit Land sein kann. Europa oder Deutschland kam mir im Vergleich dazu so klitzeklein und vollgestopft vor. Ging dir bestimmt ganz ähnlich :)
Wir waren im Juni diesen Jahres im Death Valley bei 53 Grad. :)
So etwas habe ich auch noch nie erlebt, durch diese trockene Hitze hat man draußen eigentlich gar nicht geschwitzt, weil alles gleich verdunstet ist. Hat man aber wieder im Auto gesessen, lief es nur so =)
Sehr,sehr schöne Bilder und eine Geschichte dazu,die zum nachdenken anregt!:)