Donnerstag 20:15 Uhr. Ich treffe mich mit meiner Mitfahrgelegenheit nach München an der S-Bahnstation Westkreuz, in Berlin. Ich wundere mich ein bisschen über die seltsame Uhrzeit. 20:15 Uhr, das ist Spielfilmzeit. Für die Mitfahrgelegenheit trifft man sich um Ganz oder um Halb.
Um Punkt 20:15 hält ein gelber Lieferwagen am verabredeten Treffpunkt. Ein kleiner bulliger Mann mit Glatze und Head-Set um den Kopf montiert steigt aus und fragt mich wohin ich möchte.
„München.“
„Gut, dann steig ein. Ich bin Heinz.“
Die Mitfahrgelegenheit ist ja immer für eine Überraschung gut. Man hört die seltsamsten Geschichten, trifft die skurrilsten Menschen und ist meistens froh, wenn man wieder aussteigen darf.
Ich bleibe etwas erschrocken in der Bushaltestelle stehen und frage mich, ob ich jetzt wirklich in einen Lieferwagen steigen soll. Vorne in das Fahrerhäuschen, um nach München zu kommen.
Heinz hat es eilig, holt mich aus den Gedanken, packt meinen Koffer und verstaut ihn. Ein paar Minuten später sitze ich mit Heinz im Fahrerhäuschen und rauche meine erste Zigarette. Ich merke schon, er ist nicht sehr gesprächig und sehr mit seinem Head-Set beschäftigt. In das er ständig reinbrabbelt. Am Anfang dachte ich noch er redet mit mir. Irgendwann ist seine Stimme ein monotones Hintergrundgeräusch geworden und ich merke gar nicht, als er mir wirklich etwas erzählen will.
„Wir halten jetzt mal kurz in Halle an und machen einen Fahrerwechsel.“
Wie Fahrerwechsel? Ich kenne bis jetzt nur einen Mitfahrerwechsel.
Wir verlassen die Autobahn und biegen in ein naheliegendes Gewerbegebiet in Halle ein. Eine kleine, dicke Frau in einem knallroten T-Shirt wackelt auf uns zu, gibt Heinz einen dicken Schmatzer und stellt sich als neue Fahrerin vor. Es werden Flaschen, Ordner und Plastiktaschen aus dem Fahrercockpit gewechselt, Formulare ausgefüllt und eine Abschiedsszenen mit viel Gewinke absolviert. Minuten später bin ich wieder auf der Autobahn. Diesmal mit Jutta, Heinz Ehefrau.
Jutta hat eine Stimme, welche einen die Schuhe ausziehen lässt. Es ist genau die Stimmlage, die mein Hirn zum pochen und meine eigene Stimme am liebsten um Hilfe schreiben lassen wurde. Auch sie telefoniert viel, mit ihrem Handy. Das stört mich nicht nur wegen ihrer schrecklichen Stimme, sondern auch, weil sie kein Head-Set hat und ihr Handy in der einen Hand hält und mit der anderen lässig den Wagen zwischen den Spuren hin und her wechselt. Ich werde nervös. Sollte ich sie dezent darauf hinweisen, dass Fahren am Steuer mit Handy verboten ist und mir Panikattacken beschert? Wie ich erfahren habe, fährt sie die Strecke dreimal wöchentlich, also sollte sie eigentlich mit den Verkehrsregeln vertraut sein. Ich schweige und versuche meine Verdrängungstaktik anzuwenden. Augen zu, einschlafen und nichts mitbekommen. Aber Jutta ist leider um einiges gesprächiger als Heinz und erzählt mir, wenn sie nicht telefoniert, zu jeder Autobahnraststätte eine Geschichte und den Zustand der dortigen Toiletten und nebenbei erwähnt sie auch noch mal, dass wir in Bayreuth einen weiteren Stopp machen…
Fortsetzung folgt…
Fortsetzung folgt…