Unser erstes „Blind Date“ mit einem jungen Rumänen, dass wir über Couchsurfing organisiert haben, war mit Petre A. Sein Profil hat uns verraten, dass er 25 Jahre alt ist, Web-Freelancer und wohl gerne Leute trifft. Es war ein bisschen schwer sich mit ihm zu verabreden. Allgemein Verabredungen mit den Rumänen zu vereinbaren ist nicht easy. Erst sagen sie ganz euphorisch über Mail zu, dann ruft man sie an und merkt, dass sie plötzlich total unmotiviert klingen, dann macht man auch nicht gleich eine Zeit und einen Treffpunkt aus, sondern verabredet sich noch einmal später zum telefonieren. Mit Petrei hat es dann irgendwie geklappt und wir haben ihn abends am Monument vor dem archeologischen Museum in Constanta getroffen. Er saß auf einer Bank, mit einem kleinen zierlichen Mädchen neben sich. Seine Freundin.
Ich hasse es. Man kann nichts dagegen tun. Kaum sieht man einen Menschen zum ersten Mal, ohne auch nur ein Wort mit ihm gesprochen zu haben, macht man sich schon sein eigenes Bild im Kopf. Voll von Klischees und Vorurteilen. Petrei ist groß, normal gebaut, erinnert mich von den Gesichtszügen an einen Boxer. Vielleicht auch, weil er die Haare ganz kurz trägt und eine breite Nase hat. Ich könnte mir vorstellen, dass er Fussball spielt und eine Playstation daheim hat. Außerdem sieht er wie ein typischer Grobmotoriker aus.
Er fragt uns, ob wir was dagegen haben mit ihnen zum Bahnhof zu laufen, sie müssen noch ein Zugtickets kaufen. Sie fahren am Sonntag für 10 Tage in ein spirituelles Camp. Er, seine Freundin und Schwester. Es ist irgendwo in den Bergen von Rumänien. Dort diskutieren sie mit Gurus über Lebensfragen. Warum wir auf der Welt sind. Welchen Sinn es hat. Wie man das Leben sinnvoll gestalten kann. Nebenbei meditieren sie und praktizieren Yoga.
Ich habe mich noch nie so in einem Menschen getäuscht. Nie dachte ich, dass sich hinter diesen Mann jemand versteckt, der sich so viel Gedanken über das Leben und das Sein macht. Ich finde es unglaublich spannend. Natürlich kann er mir keine dieser spirituellen Fragen in der jetzigen Situation in der wir sind beantworten, weil ich einfach gar nicht in der Materie drin stecke, aber trotzdem gibt er mir einen kleinen Einblick in seine Lebensseinstellung.
Man sollte glücklich sein, mit dem was man hat und auf einer Welle bleiben. Das streben nach immer, immer mehr verdirbt den Geist. Entscheident ist, dass man nur gutes tut, denn what comes arroung goes arround. „Was immer passiert, lass es zu, selbst wenn du deine Beine und Arme verlierst, es hat einen Sinn.“ Vor 3 Jahren hat er angefangen zu meditieren und sich tiefer Gedanken zu machen. Die Frage ob er gerne einmal nach Indien reisen möchte verneint er. Zum einen, weil die Leute dort viel zu weise sind für ihn. Was die Mönche oder Gurus dort wissen, überschreitet das was er im Leben lernen kann. Außerdem ist für ihn Reisen eine Art Flucht. Man sollte im hier und jetzt mit sich klar kommen und sich nicht ständig ablenken. Ich muss schmunzeln. Diesen Satz habe ich heute schon einmal gehört, von meiner Mutter.
Wir kommen auch auf seinen Beruf zu sprechen. Er ist Programmieren, ein für mich sehr stumpfer, unspiritueller Beruf, den ich gar nicht mir seiner Lebenseinstellung vereinen kann. Doch er hat, wie mir vorkommt auf alles ein Erklärung. Er ist programmierer, weil ihm die technischen Vorgänge interessieren. Er stellt Sachen in Frage und möchte sie verstehen, deswegen auch die vielen Lebensfragen. Sein Tipp an uns:
Jede Woche einen Tag nur für sich vorbehalten, an den man es schafft 3 Stunden nichts zu tun. Nur da sitzen und vorallem nicht nachdenken. Er beschreibt es so schön. Das Nachdenken ist wie die Verästelung eines Baumes. Man hat einen Gedanken, der geht in einen anderen über, der sich wiederrum aufteilt und entweder man macht diesen Irrweg mit oder man lässt den Ast irgendwann ins nichts enden und macht sich frei von Gedanken.
Wir haben den Bahnhof erreicht. Wir scheinen den beiden wohl sympathisch gewesen zu sein, denn sie haben uns für den nächsten Tag in ihre Wohnung eingeladen um uns zu zeigen wie sie leben, uns noch ein bisschen mehr zu erzählen und Fotos zu machen. Seine Freundin entschuldigt sich beim Abschied, dass sie so still war. Sie ist sehr schüchtern und muss sich erst an Menschen gewöhnen. Aber morgen wird sie mehr reden. Ich freue mich sehr darauf.
1 Kommentar
Witzig und interessant, sogar aufschlussreich. Ich kenne Rumänien und habe ein rumänisches Patenkind, die fand den text auch gut. Beste Grüße Dr. Ludwig Witzani (www.ludwig-witzani.de)