„Ich konnte einfach nicht aufgeben und wieder nach Hause fahren”. Bea schaut einmal in die Runde, ob alles gut ist und dann erzählt sie weiter. Eine Geschichte, die mich einerseits zu Tränen rührt und andererseits richtig aggressiv macht. Bea wurde von einer Freundin gebeten mit ihrem damaligen Hund Rocky vorbeizukommen. Sie hatten eine Hündin im Transporter, die partout nicht herauskommen wollte und völlig verstört war. Elaine wurde aus schlimmen Verhältnissen, in denen sie geschlagen und misshandelt wurde, gerettet. Ihr Besitzer drückte ihr Zigaretten auf dem Bauch aus. Ich bekomme Gänsehaut und einen Klos im Hals. Was muss man für ein Mensch sein, um so etwas zu tun? Kein Wunder also, dass sie zu Menschen kein Vertrauen mehr hatte. Beas Freundin hoffte, dass Beas souveräner Rüde Rocky vielleicht auf der Hundeebene ein bisschen was an der Situation ändern könnte. Gesagt, getan. Nur leider hatten die beiden die Rechnung ohne Rocky gemacht. Der entschied nach kurzem Betrachten von Elaine, dass er kein Bock auf ihre Mätzchen hatte.
Bea hatte Bock. Sie blieb. Sie aß Leberwurst. Sie wartete. Sie wollte unbedingt, dass Elaine aus dem Auto kommt. “Das hat sie aber leider gar nicht gejuckt.”, sagt Bea. Schließlich, nach zwei Tagen Durchhaltevermögen traute sich die Hündin dann doch endlich aus dem Wagen und setzte sich direkt an Beas Rücken. Seitdem ist alles klar. Die beiden gehören zusammen.
Wie im Actionfilm bei der Geld- oder Geiselübergabe warte ich auf einem leeren Parkplatz irgendwo am Rande von Berlin. Weit und breit keine Menschenseele, hinter mir Ackerland und Wald. Ich schaue auf die Uhr – zehn nach. Auf einmal kommt ein großer, silberner Van angebraust. Eine perfekt geschminkte Frau mit schwarzen Haaren unter einer Cap, Boots, Kleidchen und schwarzer Lederjacke kommt festen Schrittes auf mich zu. Hinter ihr trottet ein riesiger Doggen Mix mit Maulkorb. Vor diesem Duo hat man Respekt. Sie begrüßt mich nett und hantiert dabei an ihrem Gürtel, an dem zwei Dutzend Leinen hängen. Als Bea sich umdreht um den Kofferraum des Vans zu öffnen, erhasche ich einen Blick auf das Tattoo in ihrem Nacken, dass unter ihren Haaren hervor spritzt. Es ist ein chinesisches Zeichen. Was es wohl bedeutet? Ich traue mich noch nicht zu fragen, wir kennen uns ja erst seit ein paar Sekunden. Zwei Minuten später steht Bea schon umringt von mehr als fünfzehn Hunden vor mir und es wird losspaziert. Wir laufen durch das riesige Auslaufgebiet und Bea erzählt mir von ihrem Job und ihren Hunden.
Dogwalker Berlin ist ein Zusammenschluss aus Menschen, denen das Arbeiten mit mehreren Hunden Spaß macht, die Interesse und Begabung zum Thema Hund mitbringen und lernwillig sind. Momentan gibt ist die Berufsbezeichnung „Dogwalker“ noch nicht an eine Ausbildung oder ein Studium geknüpft, weswegen gerade in Berlin viele Hobby-Dogwalker unterwegs sind. Bea und ihr Team möchten das gerne ändern und arbeiten stetig daran sich und andere zum Thema Hund weiterzubilden. Auch arbeiten sie daran, dass es zukünftig eine Ausbildung für diesen Beruf gibt.
Seit sieben Jahren arbeitet Bea jetzt als Dogwalkerin. Das bedeutet, sie holt die Hunde zur abgemachten Zeit bei ihren Besitzern ab, fährt in das Hundeauslaufgebiet und geht dort mit ihrem riesigen Rudel zwei Stunden lang spazieren. Neben ihren eigenen drei Hunden Ares, Elaine und Gini kommen manchmal mehr als fünfzehn weitere Hunde mit auf ihren täglichen Spaziergang. Da es in Berlin viele Herrchen und Frauchen gibt, die auf ein bisschen Unterstützung bei den Gassirunden angewiesen sind, arbeiten neben Bea noch sieben andere Dogwalker bei Dogwalker Berlin. Aktuell sind drei davon “Auszubildende”.
Im Grunde ist ein normaler Dogwalker mit circa dreizehn Hunden unterwegs. Bea bildet da eine Ausnahme. An dem Tag als ich mit ihr und ihrem Rudel spazieren gehe sind wir mit Boris insgesamt achtzehn Hunde. Und alle lieben Bea. Irgendwie kann ich das verstehen. Diese Frau hat eine besondere Ausstrahlung. Ruhig, gelassen aber auch bestimmt spazieren wir über die Felder und auf den Waldwegen. Neben uns tollen die Hunde ohne Leine herum, einige wollen fast nicht von Beas Seite weichen, ein paar von ihnen spielen auf den Feldern, wenige sind mehr als zehn Meter entfernt. Wenn jemand zu weit ab vom Schuss ist ruft Bea. Sie schreit nie, sondern sie ruft bestimmt und mit klarer Betonung. Der Angesprochene dreht sich sofort um, guckt und kommt meist sofort zurück zur Rudelführerin getrottet. Denn das ist Bea. Sie ist hier die Rudelführerin.
Bea kommt aus einer hundeaffinen Familie. Schon ihre Uroma hat in der DDR Schäferhunde ausgebildet, ihre Oma züchtete Dackel. 2011 begann Bea mit ihrem Doggenmix Ares eine Ausbildung zur Kynotherapeutin, die sie 2014 erfolgreich abschloss. Kynologie kommt von Kynos, dem griechischen Wort für Hund, und bedeutet, die wissenschaftliche Lehre von den Hunden. Allgemein geht es um Therapieformen, die durch Tiere unterstützt werden, wie zum Beispiel die Anwesenheit eines Hundes bei einer Gruppentherapie. Hier gibt es Erfahrungswerte, die zeigen, dass Patienten durch die Anwesenheit eines Hundes auflockern oder sogar euphorisch werden und so leichter zugänglich sind. Bea hat diese Ausbildung als zweites Standbein gewählt. Denn auch wenn sie irgendwann nicht mehr täglich mit einem riesigen Rudel spazieren gehen kann, möchte sie gerne weiterhin mit Hunden arbeiten.
Bea erzählt uns Geschichten über ihren Alltag als Dogwalkerin. Die schönsten Geschichten bleibt die von ihrer Hündin Elaine, die völlig friedlich im Rudel mitläuft. Hätte Bea Ellaine nicht getroffen, wäre sie vielleicht gar keine Dogwalkerin geworden. Wegen ihr hat sie sich viel mit Verhaltensmustern von Hunden beschäftig. Sie wollte, dass Elaine ihre schwere Vergangenheit vergisst und keine Angst mehr vor Menschen hat und hat Thomas getroffen, den ersten Dogwalker in Berlin, um von ihm zu lernen. So kam Bea dazu jeden Tag mit einem Rudel Hunden zu verbringen, die sie beobachtet und eine Menge von ihnen lernt. “Kannst du den von deinen Hunden lernen?”, will ich wissen. “Ja klar. Wenn man sie jahrelang beobachtet, findet man ganz viele Sachen raus. Besonders toll finde ich, dass Hunde nicht nachtragend sind.”, sagt Bea. Hier kann sich der Mensch noch einiges abschauen. Es wird zwar gerügt und das Verhalten gegenseitig gemaßregelt, doch Hunden käme niemals in den Sinn mehrere Tage auf bockig zu machen – sich gar zu ignorieren. “Menschen sind in solchen Situationen oft egoistisch. Hunde können da auf einer anderen Ebene miteinander kommunizieren und sind nach einem Streit auch wieder cool miteinander.” Beas größter Lehrmeister ist inzwischen Elaine geworden.
Ein Dogwalker zu sein bedeutet mehr als keine Angst vor Hunden zu haben und gerne spazieren zu gehen. Ein Dogwalker muss führen können und Bestimmtheit ausstrahlen. Natürlich gibt es auch Tage, an denen man sich nicht so gut fühlt. Anders als bei einem normalen Job kann Bea sich hier aber nicht einfach krank melden. Sie hat die Verantwortung für all die Hunde, die auf sie warten. Zusätzlich bekommt sie ihre eigene Schwäche an solchen Tagen dann auch noch zu spüren. Denn Hunde nutzen kleine Schlupflöcher gnadenlos aus und tanzen einem auf der Nase rum.
Genau solche Herausforderungen sind es, die Bea an dem Beruf reizen. Sich jeden tag aufs neue auf ein Rudel einstellen. Das ist auch der Grund wieso ihr Rudel aus vielen vermeintlichen Problemhunden besteht. Sie hat ein gutes Händchen für harte Fälle und nimmt zum Beispiel auch unkastrierte Hunde mit auf ihre Spaziergänge. Mit Selbstbewusstsein, Ruhe und einer hohen Stresstoleranz kriegt Bea fast jeden Hund in den Griff und wenn nicht, dann hat sie die Stärke, dass auch zuzugeben. Mittlerweile weiß ich, was das chinesische Zeichen in ihrem Nacken bedeutet. Hätte ich mir eigentlich auch denken können – Hund.
Boris liebt die Spaziergänge in seinem Rudel.
Hier kann er alles machen, was in der Stadt nicht geht!
Bei unserem Spaziergang war Bea mit 18 Hunden unterwegs!
Nur wenige entfernen sich dabei weit vom Rudel..
…die meisten genießen die Nähe!
So auch unser Boris!
5 Kommentare
Dass du dich über die Taff-Geschichte ärgerst, kann ich verstehen! Aber sieh es positiv. Dank dessen haben jetzt Leute wie ich deinen Blog für sich entdeckt, die ihn toll finden! Danke für den Beitrag, Hunde sind die besten Freunde eines Menschen :) Faszinierend, wie man mit so vielen Hunden auf einmal klar kommen kann!
Liebe Grüße, Alena
Juhu was positives ;)