Ihr plant Euren nächsten Urlaub und wollt unbedingt die Landessprache lernen, um mit Einheimischen leichter ins Gespräch zu kommen? Dann probiert das: Die Birkenbihl-Methode zum gehirn-gerechten Sprachenlernen. Die Expertin Karin Holenstein hat mir verraten, wie es funktioniert – ganz ohne Vokabeln pauken.
Es klingelt, angestrengtes Stühlerücken, das gelöste Gebrabbel verstummt, Doppelstunde Englisch: Wie habe ich es gehasst. Vokabeln lernen, Lückentexte ausfüllen, Grammatik üben bis uns das simple past aus den Ohren quoll. Vorm Sprechen scheute ich trotz all der gut gemeinten Theorie zurück. Wann immer ich unbekanntes Sprachterritorium betrat, fühlte ich mich zuerst unsicher und dann vor allem unwohl.
Erquickliche Momente gab es natürlich auch, die waren nur selten. Wir haben Liedtexte übersetzt, das hat gefetzt. Nur habe ich seitdem ein traumatisches Verhältnis zu Pink Floyds “Another brick in the wall”.
Einfach Vokabeln lernen: Fremdsprache – ungeahnte Gallaxie
ألا فأبعدوني عن الحكمة التي لا تبكي و عن الفلسفة التي لا تضحك و عن العظمة التي لا تحني رأسها أمام الأطفال
Khalil Girban, libanesisch-amerikanischer Maler, Philosoph und Dichter
Kann jemand von Euch das entschlüsseln? Mir gelänge es nicht, wenn ich nicht wüsste, was es heißt. Ich will Euch nicht im Unklaren lassen, darum hier die Übersetzung: Halt mich fern von der Weisheit, die nicht weint, von der Philosophie, die nicht lacht, und von der Größe, die sich nicht vor Kindern verneigt.
Arabisch ist eine Sprache zu der ich keinerlei Assoziationen habe, mal ganz abgesehen von einer Geheimschrift, die für mich mehr nach Kunst als nach Code aussieht. Ich kann höchstens raten, welches Wort was bedeutet und fühle mich heillos überfordert.
Würde ich einen Sprachkurs besuchen, müsste ich trotz meiner Hemmungen schon in der ersten Stunde arabische Begrüßungsformeln sprechen, dabei fühle ich mich noch gar nicht bereit dafür. Das gilt natürlich auch dann, wenn wir in der Lage sind die neue Fremdsprache zu entziffern. Hören, verstehen und selber reden sind drei verschiedene Baustellen. Weil das oft nicht beachtet wird, breitet sich selbst bei den Motivierten an diesem Punkt ein Gefühl der Unzulänglichkeit aus: Vielleicht bin ich einfach zu doof oder kein Sprachtalent, flüstert es im Hinterkopf.
Erschreckend viele geben ihr Vorhaben in diesem frühen Stadium auf: zu zeitaufwendig, zu kompliziert, kaum Erfolgserlebnisse. Die Abbrecherquote bei Sprachkursen liegt deswegen bei bis zu 90 Prozent.
Doch Rettung ist nah, denn es gibt Wege, eine neue Sprache zu lernen und sich trotzdem in seiner Haut wohlzufühlen. Die Methode, die ich Euch hier vorstellen will, passt sich der Funktionsweise unseres Gehirns an. Sie macht uns weniger abhängig von der Hilfe eines Sprachgottes und gibt damit die Verantwortung für unseren Lernerfolg an uns zurück. So haben wir selbst in der Hand, wann wir was und wie viel davon lernen.
Einfach Vokabeln lernen: Sprachen lernen mit der Birkenbihl-Methode
Vera F. Birkenbihl coachte nicht nur Manager, sondern beschäftigte sich zeitlebens mit unserem Denken, dem Gedächtnis, der Funktionsweise unseres Gehirns und spielerischer Wissensvermittlung. Guckt Euch eins ihrer spannenden Videos an und Ihr werdet sehen, die Frau hat wirklich was auf dem Kasten.
Ihre selbst entwickelte Methode gehirn-gerechten Sprachenlernens ist wahrscheinlich das größte Geschenk, dass sie uns nach ihrem Tog hinterlassen hat, aber seht selbst. Sie unterscheidet Lernen von sturem Pauken und erklärt gleich, warum wir an unserem Gehirn vorbeiarbeiten, wenn wir Vokabeln büffeln.
Einfach Vokabeln lernen: Können oder Wissen
Unser Gehirn unterscheidet zwischen Wissen und Können. Das Wissen können wir uns als eine Art Netz vorstellen – ähnlich wie das Internet – ein Netz aus Nervenzellen, die miteinander verknüpft sind. Wer Neues lernt, lässt Nervenbahnen entstehen, baut sein Gehirn aus oder strukturiert es. Je mehr Verbindungen es schon gibt, desto mehr können wir zusätzlich anhängen. Neue Informationen häkeln wir auf diese Weise in unseren Kopf ein. Wo noch nichts verknüpft ist, dort wo demnach noch keine Schienen liegen, wirken neue Informationen staubtrocken und unzugänglich. Wir verstehen nur Bahnhof.
Um etwas zu können müssen wir die Trampelpfade des Wissens, also die Verbindungen zwischen bestimmten Gehirnbereichen, zu Autobahnen ausbauen. Dieser Vorgang braucht Geduld und Spucke, denn um Klavier /eine neue Sprache / Laufen / Fahrradfahren oder anderes zu lernen, müssen schmale, kaum erkennbare Nervenbahnen so oft benutzt werden, dass eine schnelle Datenautobahn entsteht. Dann heißt es üben, üben, üben, um bestimmte geistige und körperliche Bewegungen zu wiederholen.
Wir sagen „Ich kann Französisch/Chinesisch/Kisuaheli: Eine Sprache zu verstehen und selber zu sprechen, gehört also in den Bereich des Könnens. Die Vielüber vermögen irgendwann in der einst fremden Sprache zu fühlen, zu träumen, zu fluchen.
Einfach Vokabeln lernen: In vier Teilschritten zum Erfolg
Die Birkenbihl-Methode arbeitet vor allem mit Hörtexten. Um eine Fremdsprache erst zu verstehen und im Anschluss zu sprechen, baut das gehirn-gerechte Sprachenlernen auf vier Teilschritte: 1. De-Kodieren, 2. Aktiv Hören, 3. Passiv Hören und 4. Aktivitäten, die das Gelernte festigen sollen. Wie funktioniert das?
- De-Kodieren
Beim De-Kodieren geht es darum, die Fremdsprache Wort für Wort und so genau wie möglich in die Muttersprache zu bringen. Wir wollen am Ende wissen, was jedes einzelne Wort bedeutet. Dazu übersetzen wir wortgetreu die Originalversion des Textes, den wir auch im Audioformat hören können. Die hölzernen Übersetzungen tun manchmal in den Ohren weh, das macht aber nichts. Aus der Redewendung „I have it on the tip of my tongue“ würde folglich: „Ich habe es auf der Spitze meiner Zunge.“ Dieser Schritt ist zeitaufwendig, die in die Texte gesteckte Energie zahlt sich aber später aus. - Aktives Hören
Jetzt pirscht Ihr Euch weiter an die Sprache heran. Ihr hört den Fremdsprachentext, der bestenfalls von einem Muttersprachler gesprochen wird und lest Euren de-kodierten Muttersprachentext mit. So macht Ihr Euch schnell mit Aussprache, Sprechrhythmus und den neuen Wörtern vertraut. Ihr wiederholt diesen Schritt so lange, bis Ihr das Gefühl habt, den Fremdsprachentext gut zu verstehen. Danach steigen wir hinab in die Windungen unseres Unterbewusstseins. - Passiv Hören
Erinnert Ihr Euch an die Märchenplatten oder Hörspielkassetten Eurer Kindheit? Rapunzel konnte ich auswendig mitsprechen. Ähnlich funktioniert das „Passiv Hören.“ Wir schalten die Repeat-Taste an und hören den Text einmal und zweimal und noch mal und noch mal. Dabei können wir frühstücken, abwaschen, trainieren, sogar Zeitung lesen. Wir müssen gar nicht bewusst hinhören. Die Lautstärke sollte laut genug sein, um den Text auch tatsächlich zu hören, aber so leise, dass die Konzentration bei der eigentlichen Tätigkeit liegen kann. Je kürzer die Passage, die immer wieder im Hintergrund läuft, desto schneller wird sie vom Unterbewusstsein verdaut.
Das Gehirn – dieses Wunderwerk – legt jetzt nämlich Nervenbahnen für die Klangbilder an, die wir zuvor aktiv gehört haben. Dieselbe Methode nutzen Kleinkinder beim Lernen der Muttersprache. Sie machen sich beinahe wie im Schlaf vertraut mit Aussprache, Satzmelodie, Wortschatz und Grammatik. Es kostet keine Zeit, denn es passiert während wir uns auf andere Dinge konzentrieren. Schritt 3 ist abgeschlossen, sobald wir den Text annähernd auswendig mitsprechen können. - Aktivitäten
Jetzt könnt Ihr Euch endlich aufs Arbeitsheft stürzen. Wer beispielsweise einen Lückentext problemlos beim Lesen vervollständigen kann, hat fleißig passiv gehört. Außerdem könnt Ihr Texte rück-de-kodieren, in der Fremdsprache telefonieren, mit einem Tandempartner einkaufen oder aufs Amt gehen, ausländische Radioprogramme hören, Filme im Original schauen oder direkt eine Reise in ein Land Eurer neuen Fremdsprache buchen. Egal wofür Ihr Euch entscheidet, Aktivitäten festigen Eure neuen Sprachkenntnisse. Hauptsache Ihr habt Spaß beim Lernen.
Vielen Dank für die Unterstützung an Karin Holenstein von protalk.ch und an Daniela und Jeannette Böhm von twinevents.
1 Kommentar
Wenn überhaupt haben sie ein schlechtes, gespaltenes oder allerhöchstens ein dramatisches Verhältnis z Pink Floyd. Garantiert niemals ein traumatisches !
Mit solchen Verwechslungen beleidigen sie jeden, dessen Leben ernsthaft in Gefahr war, oder in Form von einer Mittraumatisierung zusehen musste wie ein Leben bedroht war.
Nur dann kriegt man eine Traumatisierung und dessen Gehirnschäden. Aber garantiert nicht im Englischunterricht.
Auch wenn ich gut nachvollziehen kann, was Sie eigentlich meinten.
Ihr KaWa gefällt mir richtig gut…und ich bin kein Fan von bunten KaWas.
Gebe Ihnen auch völlig recht,dass die Art des Lernens in den Schulen leider sehr altbacken und stressig für jeden ist, der keine Ader für fremde Sprachen hat und / oder nicht der hörende Lerntyp ist.
Verstehen Sie meine Kritik bitte als konstruktiv und nicht als böse gemeint. :) Grüße Judith