Da wo ich herkomme, in Friesland, ist es lustiger Brauch, ein Geburtstagskind an seinem 16. Geburtstag mit Mehl zu überschütten. Mit 18 mit Bier, aber das macht man seltener. Ums Mehl aber kommt eigentlicher keiner drum rum. Ein berüchtigter Lehrer an unserer Schule ist dann immer wie Rumpelstilzchen im Kreis gesprungen und hat wild herumgefuchtelt: „Die Kinder in Afrika…“
Auf seiner Aussage zu unserem Brauch möchte ich gar nicht so sehr rumreiten. Ich möchte es aber als Anlass nehmen, dass wir uns alle mal an die Nase fassen, wie viel Lebensmittel wir eigentlich in unseren eigenen vier Wänden in nur einer (!) Woche wegschmeißen. Die abgelaufene Milch? Der Quark, von dem man dann doch gar nicht so viel brauchte. Die Kartoffel, der schon viel zu viele Wurzeln gewachsen sind? Oder das Ei, das mit dem grünen Rand nicht so appetitlich aussah? Und das Gratin, auf das man keinen Appetit mehr hat? Wahre Begebenheiten, für die ich mich schäme. Aber was soll ich als Single-Haushalt tun? Wer hilft mir beim Lebensmittelverzehr? Es gibt einen Kleider-Flohmarkt, aber einen Lebensmittel-Flohmark? So was gibt es auch?
JA, den gibt es! Schluss also mit den Ausreden! Adé Wegwerfgesellschaft. Her mit euren Lebensmitteln, die ihr nicht mehr wollt. Ich bin jetzt bei Foodsharing.de. Zwei Stunden nach meiner Anmeldung hatte ich nicht nur mein erstes Lebensmittel geteilt und ein nettes Gespräch hinter mir, sondern auch Schmetterlinge im Bauch. Das Gefühl, gerade Lebensmittel vor dem wegwerfen gerettet und ihnen ein besseres Leben beschert zu haben und obendrauf eine andere Person damit glücklich gemacht zu haben, das war ein bisschen wie die Ausschüttung von Glückshormonen nach einer Achterbahnfahrt.
Foodsharing.de steht unter dem Motte #geben, #nehmen, #teilen und funktioniert so, dass man dort einfach seine Lebensmittel shared. Sprich, ich kann dort Lebensmittel abgeben, aber auch Lebensmittel bekommen. Umsonst. In meiner Umkreissuche finde ich einen ganzen Korb Südfrüchte, sowie einen Brotkorb. Dabei handelt es sich meist um FairTeiler, die diese Körbe aus Supermärkten retten und weiter teilen. In meiner Nähe bietet Susi außerdem ein selbstgemachtes French-Dressing an und auf der anderen Seite der Stadt finde ich einen Eisbergsalat. Klingt vielversprechend, aber im Endeffekt ist es mir ein bisschen zu viel Fahrerei für ein Abendessen. Ich lasse die Suche für heute sein.
Viel lieber schenke ich! Ich durchstöbere als meine Schränke und werde schnell fündig. Bei mir kann man sich ab jetzt Götterspeise, Instant-Kartoffelbrei, 2 Gemüsezwiebeln und 6 tiefgefrorene Kartoffelpuffer abholen. Von denen habe ich mich übergegessen. Keine Stunde später steht Brigitte mit ihrem Wägelchen vor meiner Haustür. Die fitte Rentnerin möchte sich meine Reiberdatschi zum Abendessen machen. Dazu wird sie sich selbstgemachten Apfelkompott aus Äpfeln machen, die sie letzte Woche von Moritz bekommen hat. Ich hätte die Reiberdatschi womöglich bloß irgendwann reuevoll weggeschmissen. Herrje, ich freue mich so, ich möchte Purzelbäume schlagen. Geteilte Freude ist doppelte Freude, oder nicht?
Ich bin gespannt, wem ich als nächstes über Foodsharing begegne. Jetzt muss ich erst mal meinen Speisequark reinstellen. Alleine schaffe ich den nicht mehr, und zum wegwerfen ist er doch zu schade!
5 Kommentare
Foodsharing ist einfach eine tolle Idee! Gibt es in Wien jetzt auch so cirka seit einem Jahr und auch wenn ich über die Website selbst noch nichts geteilt habe, habe ich zumindest einige offene Kühlschränke in meiner Umgebung und lege dort mal immer etwas rein, wenn die Augen größer als der Appetit waren.
Offene Kühlschränke?
Ah, du meinst diese Fair-Teiler? Die habe ich auch schon gesehen. Total super!