Ich habe sie schon immer geliebt, die strahlenden Mütter, die nur so vor Leben strotzen, stolz ihre Kugel durch die Welt tragen und mit denen man sich einfach mitfreut. Im August 2015 erfuhr ich, dass sich mein Traum erfüllen würde, ich würde eine von ihnen sein – ich würde in neun Monaten mein erstes Kind bekommen.
Ich liege auf dem Sofa, auf dem Fernseher im Hintergrund flackert die neuste Folge von „New Girl“ über den Bildschirm. Ich bin in den letzten neun Monaten 25 Kilo schwerer geworden und trage seit drei Monaten einen riesigen Babybauch mit mir herum. Ich bin 12 Tage über dem errechneten Entbindungstermin und vor mir auf dem Tisch stehen 100 ml Rizinusöl. Zwei Esslöffel Rizinusöl habe ich gestern in eine Pfanne gegeben und mir ein Spiegelei darin gebraten, mit weiteren vier Esslöffeln habe ich mir heute morgen einen Smoothie gemacht, von dem ich vor einer Stunde den letzten Schluck getrunken habe …
In meinem Bauch rumort es und ich muss auf Toilette. Rizinusöl wird als natürliches Wehen-Einleitungsmittel verwendet und natürlich regt es den Magen-Darm-Trakt mit an. Das bekomme ich deutlich zu spüren.
Zwei Stunden später kann ich erahnen, wie stark mein Körper in den nächsten Stunden beansprucht werden wird. Ich liege im Bett und in regelmäßigen Abständen kommen die Wehen. Meine Hebamme ist schon auf dem Weg und mein Freund läuft aufgeregt durch die Wohnung.
Ich möchte euch heute ein bisschen von meiner Schwangerschaft und der Geburt meines Sohnes erzählen und auch über das Thema Geburt natürlich einleiten, denn es gibt gewisse Dinge, die ich heute anders machen würde.
Geburt natürlich einleiten: Das Geburtshaus
Springen wir einmal zurück zum Anfang der Schwangerschaft. Ich selbst war eine Hausgeburt. Das bedeutet, dass meine Mutter mich mit Hilfe ihrer Hebammen in unserer Wohnung auf die Welt gebracht hat. Ich habe schon früher viel mit meiner Mutter über das Erlebnis geredet und auch über die Unterschiede zu einer Krankenhausgeburt, denn meine Schwester erblickte fünf Jahre nach mir in einem typischen Kreißsaal das Licht der Welt.
Irgendwie war mir also schon früh klar, dass für mich eher eine alternative Geburt in Frage kommt. So besuchte ich, schon ein paar Wochen nachdem ich von meiner Schwangerschaft erfuhr, das Bremer Geburtshaus in der Sommerstraße, um mich beraten zu lassen. Schnell stellte sich für mich heraus, dass ich mein Baby in diesem Geburtshaus bekommen möchte.
Ein Geburtshaus ist, wie der Name schon sagt, ein Ort, an dem ihr mit der Unterstützung der dort arbeitenden Hebammen euer Kind zur Welt bringen könnt. In meinem Geburtshaus arbeiten die Hebammen mit Homöopathie und Akupunktur und geben milde Schmerzmittel. Es gibt eine Badewanne, in der eine Wassergeburt möglich ist, und noch viele andere bequeme Orte, um ein Kind zur Welt zu bringen. Eine PDA (Peridualanästhesie) ist im Geburtshaus nicht möglich.
Geburt natürlich einleiten: Die Frauenärztin
Meine Frauenärztin hat nicht gerade Luftsprünge gemacht, als ich ihr verkündete, dass ich im Geburtshaus entbinden möchte. Sie kommt aus dem operativen Bereich und hat im OP viele Geburten erlebt, bei denen es Komplikationen gab und es gut war, dass die Frauen schon im Krankenhaus waren, damit sie schnell versorgt werden konnten. Natürlich unterstützte sie mich in meiner Schwangerschaft trotzdem zu hundert Prozent.
Sobald mein Bauch größer war, begannen all meinen gynäkologischen Untersuchungen mit der 20-minütigen CTG-Sitzung. Ein CTG ist ein Wehenmesser, der um den Bauch geschnallt wird und so eventuelle Kontraktionen misst. Außerdem misst er auch die Bewegungen des Kindes und viele Babys, wie auch meins, fangen im Bauch richtig an zu toben, sobald das CTG angeschlossen ist. Ich sage es ganz ehrlich, wie es ist: Ich habe dieses Rumgeliege im CTG-Raum gehasst. Es ist nie irgendetwas Interessantes dabei herausgekommen und als Schwangere war ich nicht unbedingt erpicht darauf, zum Arzt zu rennen und dann – gefühlt unnötige – zwanzig oder dreißig Minuten an einen Monitor angeschlossen zu sein.
Meine Schwangerschaft verlief eigentlich gut. Ich hatte zwar nach ein paar Monaten eine leichte Auflockerung am Muttermund, also frühzeitige Wehen, aber meine Frauenärztin und meine Hebammen vom Geburtshaus empfahlen mir einfach, es ein wenig ruhiger angehen zu lassen und viel zu liegen.
Geburt natürlich einleiten: Meine Schwangerschaft
Die ersten Monate meiner Schwangerschaft finden natürlich alle besonders spannend. Aber besonders viel zu berichten hatte ich nicht. Ich war sehr müde, manchmal kam ich auch in den Genuss der leichten Übelkeit, über die ja so viele klagen. Nach circa drei Monaten wurde es dann spannender. Meine Freunde und Familie konnten schon meinen leichten Bauch bewundern und mir ging es auch wieder etwas besser, ich wurde aktiver. Jeden Tag nahm ich eine Kapsel von einem Vitaminpräparat, welches mir enorm dabei half, dass es mir besser ging und ich „mehr auf dem Damm“ war.
Nach fünf Monaten hatte ich schon einiges an Gewicht zugelegt und die Lust darauf, rauszugehen und am aktiven Leben teilzunehmen, verging mir so langsam. Alles war irgendwie anstrengend, ich konnte mich nicht mehr gut bewegen und ich war oft sehr müde. Ich habe jeden Tag einen grünen Smoothie und viel Matcha Latte getrunken, was manchmal half.
Irgendwann hatte ich beim Gehen extreme Schmerzen, die sich bis ins Bein zogen. Von meinen Hebammen wurde ich an eine Osteopathin weiter empfohlen, die bei mir eine Symphysenlockerung feststellte. Dadurch, dass die Schwangerschaftshormone alles in meinem Körper weicher und somit bereit für die Geburt machten, hatte sich mein Becken sehr stark gelockert. Sie empfahl mir einen Beckengurt, der mir extrem gut gegen meine Schmerzen half und den ich bis zum letzten Tag meiner Schwangerschaft täglich trug. Der Beckengurt wird – ähnlich wie ein Korsett – eng zusammen gezogen und drückt somit die Beckenknochen wieder aneinander, sodass die Auflockerung nicht zu Schmerzen führt.
Geburt natürlich einleiten: Die Geburt
Sobald eine Schwangere über dem Entbindungstermin ist, muss sie regelmäßig zur Frauenärztin bzw. zur Hebamme, damit diese den Bauch abfühlen oder einen Ultraschall machen, um zu schauen, ob bei dem Baby noch alles in Ordnung ist. Mein Bauch war riesig, das Baby war (laut Ultraschall) auch riesig und alles schien so, als ob der Kleine sich bald auf den Weg machen würde. Doch die Tage gingen ins Land.
Am 11. Tag nach dem errechneten Entbindungstermin ging ich zu einem anderen Frauenarzt, um mir eine zweite Meinung einzuholen, was ich tun sollte. Das Problem war nämlich, da ich im Geburtshaus entbinden wollte, dass der Versicherungsintern nur 14 Tage vor und nach dem errechneten Geburtstermin gilt, der ja relativ locker vom Frauenarzt errechnet wird und in bestimmt 90 % der Fälle nicht der wirkliche Geburtstermin ist. Also gibt es nur einen vierwöchigen Spielraum, in dem das Kind auch im Geburtshaus auf die Welt kommen „darf“. Der Frauenarzt sagte mir, dass das Baby tatsächlich schon sehr groß war, das Fruchtwasser weniger und irgendwie bekam ich dann Panik.
Ich telefonierte mit meiner Hebamme und wollte auf einmal die Geburt natürlich einleiten. Sie sagte, dass wir am nächsten Tag mit Rizinusöl probieren könnten und ich mir schonmal abends ein Spiegelei in dem Öl braten soll.
Geburt natürlich einleiten: Rizinusöl
Zurück zum Anfang: Nach einer halben Flasche Rizisnusöl liege ich also mit starken Wehen im Bett. Meine beiden Hebammen sind inzwischen bei uns Zuhause und messen gerade den Herzschlag des Babys. Dem Baby geht’s gut, es ist aufgeregt. Ich auch. Mein Freund auch. Meine beiden Hebammen sind relativ entspannt und unterstützen mich großartig. Wir verbringen fast fünf Stunden bei uns Zuhause. Mal liege ich auf dem Bett, mal stehe ich im Türrahmen, mal hocke ich auf dem Boden. Gegen frühen Abend fahren wir ins Geburtshaus. Mein Vater fährt mich und ich bin so froh, dass ich mich doch für ihn und nicht für ein Taxi entschieden habe, denn die Wehen kommen inzwischen minütlich.
Im Geburtshaus wartet meine Hebamme schon in der Haustür auf mich und nachdem ich es die fünf Stufen zu ihr hoch geschafft habe, falle ich ihr quasi in die Arme und freue mich, endlich an dem Ort angekommen zu sein, an dem ich endlich mein Baby kennenlernen werde. Ich bin schon tierisch geschafft und steige kurz nach meiner Ankunft in die Badewanne. Doch allzu lange bleibe ich nicht dort drin, sondern beginne durch das Geburtszimmer zu laufen. Meine Hebammen schlagen mir immer wieder verschiedene Positionen vor, tasten nach dem Kopf des Babys und hören seinen Herzschlag. Doch irgendwie flachen die Wehen ab. Nach vier Stunden hat die Wehentätigkeit deutlich abgenommen und meine Hebamme nimmt mich in den Arm: „Ich glaube, wir müssen jetzt ins Krankenhaus fahren, damit sie dir ein Wehenmittel geben können.“
Ich sage zu allem Ja und Amen, steige in ihr Auto und wir fahren ins Krankenhaus. In meiner gesamten Schwangerschaft habe ich mich dagegen gesträubt, wollte unbedingt mein Kind im Geburtshaus kriegen und trotzdem fühle ich nichts. Im Krankenhaus laufe ich unter Schmerzen die Treppe zum Kreißsaal hoch und es vergeht wieder eine weitere Stunde mit Untersuchungen, bis ich per Tropf ein Wehenmittel und ein leichtes Schmerzmittel bekomme. Diese künstlichen Wehen sind nicht zu vergleichen mit den Schmerzen vorher, sie sind eindeutig schlimmer. Aber sie treiben die Geburt voran, ein wenig zumindest.
Nach einer weiteren Stunde hat sich das Köpfchen nicht sonderlich weiter nach unten bewegt und die Hebamme des Krankenhaus und die behandelnde Ärztin schlagen vor, einen Kaiserschnitt zu machen, da schon sehr viel Zeit vergangen ist. Mir ist inzwischen alles egal, ich bin total erschöpft und möchte nur noch mein Kind sehen. Meinem Freund steht das pure Entsetzen im Gesicht: „Ein Kaiserschnitt?!“ Die Ärztin ruft noch einmal den Oberarzt dazu, um seine abschließende Meinung zu hören, bevor sie mich für den Kaiserschnitt vorbereitet. Ich bin irgendwie in einem Schwebezustand – ich kann nicht mehr, ich bin am Ende, aber eigentlich wollte ich doch eine natürliche Geburt … Mein Freund und ich reden uns den Kaiserschnitt schön und wollen das alles einfach nur durchgestanden haben. Dann kommt der Oberarzt. Er untersucht mich und tastet nach dem Köpfchen. Dann seine erleichternden Worte: „Wieso ein Kaiserschnitt? Es ist doch schon fast draußen!“
Dann geht alles ganz schnell. Die Hebamme setzt sich vor mich und gibt mir Anweisungen. Ich presse und presse und presse – und nach circa 20 Minuten liegt das kleine, blaue Bündel vor mir. Mein Baby!
Geburt natürlich einleiten: Was ich heute anders gemacht hätte
Die Geburt des eigenen Kindes trägt jede Frau fest in sich, so natürlich auch ich. Sie hat mich verändert und einen anderen Menschen aus mir gemacht, der sich immer noch jeden Tag neu finden muss. Inzwischen sind einige Monate vergangen und momentan ist noch kein zweites Baby geplant, aber den Gedanken trage ich in mir. Es gibt ein paar Dinge, die ich heute anders machen würde.
- K(l)eine Erwartungen: Ich wollte immer gerne die aktive Schwangere voller Leben sein, aber schon nach den ersten vier Monaten Schwangerschaft merkte ich, dass ich das nicht bin. Ich brauchte viel mehr Schlaf und viel Zuwendung von meinem Freund. Manchmal machte mich das regelrecht traurig und heute weiß ich, dass ich keine hohen Erwartungen an mich stellen sollte.
- Nein sagen, auch als Schwangere: Nach meiner Schwangerschaft habe ich herausgefunden, dass ich die CTG-Untersuchungen auch hätte verweigern können. Ich meine, spätestens jetzt weiß ich, wie sich Wehen anfühlen und wenn ich welche habe, wieso sollte ich sie zufällig genau haben, wenn ich am Gerät angeschlossen bin?
- Keine festen Vorstellungen: Eine Geburt ist nicht planbar. Natürlich wusste ich das vorher schon, aber irgendwie hatte ich doch eine komische „innere Sicherheit“, dass das schon alles genauso werden würde, wie ich mir das vorstelle. Tja, so habe ich mich getäuscht.
- Krankenhaus ist auch super: Irgendwie hatte ich vorher eine komische Einstellung zu Geburten im Krankenhaus. Wider Erwarten waren die Hebammen und Ärzte im Krankenhaus total nett. Ich weiß auch nicht, was ich mir da vorher gedacht habe.
- Geduld ist eine Tugend: Ich habe mir nach der Geburt sehr lange Vorwürfe gemacht, dass ich nicht einfach noch die zwei Tage bis zum Ende meiner „Frist“ abgewartet und die Geburt natürlich einleiten wollte. Ich denke auch heute noch manchmal, dass ich es damit selbst provoziert habe … also die Entbindung im Krankenhaus. Ich hätte meinem Kleinen vielleicht einfach die Freiheit lassen sollen, selbst zu entscheiden, wann er kommt. Ich hoffe, ich erinnere mich beim nächsten Mal dran.
Das waren meine Erlebnisse und Erfahrungen zu dem Thema. Mich würde es wahnsinnig interessieren, wie eure Geburten so gelaufen sind und ob es Dinge gibt, die ihr „bereut“ oder aus denen ihr einfach gelernt habt? Jede Geburt ist so einzigartig. Und was haltet ihr davon, die Geburt natürlich einleiten zu können? Schreibt mir doch gerne in die Kommentare oder eine E-Mail an little.lilies.diary@gmail.com – ich würde mich wahnsinnig freuen.