Schon vor längerer Zeit bat mich Christine mal um einen Brief. Ich wusste ziemlich schnell, was ich zu sagen hatte, aber nicht wie ich es verpacken könnte. Bis mir kürzlich bei einem feuchtfröhlichen Erstsemester-Barabend diese vertrackte Frage gestellt wurde…
“Und was willst du mal werden?”, fragte sie mich mit unschuldig erwartungsvollen Rehaugen. Herrje! Fehlt nur noch das „wenn du mal groß bist“!
Da saß ich also nun. Unter lauter Frischlingen, die sich Erstsemester-Studenten und damit meine Kommilitonen nennen. Nach Auslandsaufenthalten, Ausbildung, festem Job, coolen Praktika und einigen langatmigen Überlegungen widme ich mich jetzt nämlich dem Studium. (Einem, bei dem noch gemunkelt wird, ob man danach hinten oder vorne im Taxi fährt…) Und während meine frischgebackenen Großstädterkommilitonen über manche ernste Fragen des Lebens erst noch nachdenken würden, haben mir manche davon schon mehr als Kopfschmerzen bereitet.
Foto: Dominik Butzmann
“Und was willst du mal werden?” Da saß ich also nun. Ich fühlte mich, als könnte ich dem Mädchen mit dem erwartungsvollen Blick nun entweder den Rücken zuwenden, oder das ABC erklären, dass ich 24 Jahre zuvor mit Familie und Freunden mühsam gelernt hatte. Es brach mir das Herz. Aber wie sollte ich in einem viel zu lauten und überfüllten Café dieser weltfräulichen gutgläubigen Abiturientin eine Frage mal eben so über den Tisch beantworten, der ich etliche Jahre und noch viel mehr Stunden Diskussionen und Kopfschmerzen gewidmet hatte, um jetzt gerade endlich mal zu einer gerade mal zufriedenstellenden Erkenntnis gekommen zu sein?
Nein, das ging nicht!
Liebe Christine,
da sitze ich nun und schreibe dir einen Brief. Ich war früher richtig gut im Briefe schreiben. Ich hatte Brieffreundinnen und habe ihnen artig auf schönen Briefbögen mit passendem Couvert geschrieben – manchmal auch auf wertvollen Diddl-Blättern. Die hat man aber eigentlich lieber getauscht.
Ich frage mich: was sind das heut für Zeiten? Tauschen die Kinder in der Grundschule noch immer diese für uns damals so wertvollen Blätter? Ärgern sie sich immer noch mit Juckpulver, diesem fiesen Stoff aus der Hagebutte? Ich weiß das gar nicht… Ich glaube eher nicht.
Ich weiß aber, dass ich damals Freundschaftsbücher hatte, die man sich im Wechsel regelmäßig mitgab. Ein bisschen wie Tagebuch inclusive lästern. Heute heißt das Whats App.
Heute geht alles so schnell und oft auch so unreflektiert, dass mich fast schon etwas Nostalgisches überkommt, wenn ich jetzt hier so sitze und mir bei guter Musik und einer Weißweinschorle das kostbare Gut Zeit nehme, dir ein paar persönlichere Worte zu schreiben.
Meine Worte an dich sollen heute über mein damaliges „Hallo, wie geht es dir? Mir geht es gut.“ (wenn ich ganz verrückt war und das Apostroph lernen wollte auch mal: „Hallo, wie geht´s dir? Mir geht´s gut.“) hinaus gehen.
Ich möchte dir danke sagen. Dafür, dass du einfach zugegeben hast, trotz Designstudium zwei linke Hände zu haben, und deinen eigenen Weg gegangen bist – und ihn auch gefunden hast! Deine Erlebnisse, deine Laufbahn, deine Erfolge und dein – mal theatralisch gesagt – dein Leben machen mir Mut – ach lass und doch beim theatralischen bleiben und sagen: das gibt mir einen Lichtblick! Du belegst, dass einfach eine andere Zeit angebrochen ist. Das mag nicht nur bei dir zu beobachten sein, aber bei dir habe ich es einfach so nah miterlebt. (Und Eltern freut es bekanntlich, wenn man handfeste Beispiele aus dem Bekanntenkreis dieser neuen vieldiskutierten Genereation Y liefern kann, bei denen riskante Sachen glimpflich enden.)
Was ich mal werden will…. Herrje. Da war das Gespräch für mich auch irgendwie schon wieder beendet. Ich hatte keine Lust das Leben erklären zu müssen. Und bin außerdem froh, es mir gerade so selbst zusammenreimen zu können. Und da hast du einen großen Teil zu beigetragen.
Wie heißt es auf niederländisch so schön? Bedankt! =)
1 Kommentar
Hallo, das Briefe schreiben fällt ganz bestimmt jedem “Jugendlichen” schwer, zumal dies durch die moderne Kommunikationsmöglichkeit nicht mehr notwendig ist. Schade, denn einen Brief zu bekommen war zur damaligen Zeit was Aufregendes und Schönes. Viele Grüße Susanne Müller