Jede Nacht gegen halb zwei – oder am nächsten Morgen, wenn mir mein Schlaf mal wichtig genug ist – weiß ich, dass ich ein Werbeopfer bin. Eigentlich ein Werbemailopfer, wenn man es sehr genau nimmt. Dann, wenn die Groupon-Newsletter „München“, „München Special“ und „Reise“ in meinem Postfach landen (die für Frankfurt und Berlin habe ich aus Selbstschutz vor ein paar Wochen abbestellt, weil ich in diesen Städten ja nicht mal wohne). Reizüberflutung für Fortgeschrittene. Tausend Dinge, an die ich vorher nie gedacht habe und die ich garantiert nicht brauche, die ich aber trotzdem bestelle, teilweise jedenfalls, weil die Angebote so unglaublich gut sind, dass man einfach zuschlagen muss, es gibt quasi gar keine andere Möglichkeit.
Kaum lese ich, dass die Ayurvedamassage bei einem in seiner Freizeit banjospielenden Yogameister um 70 Prozent reduziert ist, spüre ich ein leichtes Ziehen im Nacken. Ein Impuls, der immer stärker wird, bis er meinen rechten Zeigefinger erreicht, der auf „Kaufen“ klickt. Ha! Eine gute Entscheidung. Jetzt kann ich entspannt elf Monate warten, bis der Gutschein fast abgelaufen ist, um mich dann im Telefonfinale mit Gleichgesinnten um die letzten Plätze zu prügeln. Manchmal vergesse ich meine Errungenschaften auch, was schade ist, denn dann verpasse ich persönlichkeitsprägende Momente wie den, als ich bis auf meine Unterhose nackt im von einer Discountparfümerie angemieteten Apartment mit Teppichboden im Aufzug, dafür ohne Handyempfang und ohne Handtücher, liege und der Auftragskiller aus dem letzten Tarantinofilm, der vorher meinen Rücken bearbeitet hat, sagt: „Alles klar, umdrehen!“
Es gibt sowieso nichts Besseres als Körperbehandlungsangebote auf Rabattplattformen, außer vielleicht die unglaublich günstigen Groupon Reisegutscheine, also beschließe ich, das mal persönlich zu testen. Eine Woche lang Surfen im portugiesischen Region Torres Vedras inklusive Kurs und Material und Übernachtung und Frühstück für 95 Euro pro Person bei zwei Leuten, die mitmachen. Klingt perfekt. Während ich meine Kreditkarteninfos eintippe, frage ich mich, was wohl der Haken sein könnte, aber mir fällt keiner ein. Wäre jetzt eh zu spät. Ich überrede meine gute Freundin Gesa mitzukommen (leicht!) und versuche dann, mit dem Física Beach Hostel Kontakt aufzunehmen (nicht ganz so leicht!). Irgendwann habe ich Vasco am Telefon, in den ich mich glatt verlieben könnte, weil er uns ungefragt ein Doppelzimmer statt des gebuchten Abteils im Zehnerdorm gibt und mir dazu noch eine halbseitige Wegbeschreibung vom Flughafen zur Unterkunft schickt. Kein schlechter Start.
Zwei Wochen später – kein Risiko eingehen! – fliegen wir nach Lissabon und tingeln von dort aus mit U-Bahn und Bus und noch mal Bus nach Santa Cruz. Wir haben zwar noch über 20 Grad, aber Ende Oktober („Winter“), also sind kaum Gäste da, nach drei Tagen dann gar keine mehr, zumindest nicht bei Vasco und Kollegen. Gesa und ich herrschen über Waschraum und Küche, können so laut Musik hören, wie wir wollen, und dürfen sogar barfuß im Gemeinschaftszimmer essen, was sonst beides verboten ist, Ohneschuherumlaufen und Tellermitnachobennehmen. Natürlich ist das Hostel keine Luxusherberge, dafür können wir beim Einschlafen die Wellen hören und sind in ein paar Sekunden am Strand. Morgens gibt es für jeden ein Sandwich oder Cornflakes, dazu Kaffee und Orangensaft, abends bekochen wir uns gegenseitig. Keine Qual der Wahl, Freifühlen durch Begrenztheit. Im Ort selbst ist wenig los, die Leute, die wir treffen, sind aber umso netter und zeigen uns vom Markt bis zum Fischrestaurant alles, was wir suchen. Ich bin glücklich – und denke mir, dass ich für so viel Ruhe und Lockerheit und Nichtstunmüssen auch das Doppelte für den Groupon Reisegutschein gezahlt hätte.
Das Beste an unserem Urlaub ist definitiv der Surfkurs. Vasco (hier scheinen mehr oder weniger alle so zu heißen), unser Lehrer, ist abwechselnd übermotiviert und supergeduldig und weil wir uns am dritten Tag ziemlich grazil auf dem Brett halten können, bleibt er sogar freiwillig und unbezahlt eine Stunde länger mit uns im Wasser. Ein kleines bisschen hasse ich ihn dafür, dass er nicht versteht, dass ich gegen Ende unseres Sportbootcamps keine Kraft mehr habe, aber eigentlich hat er ja Recht: Manchmal muss man hart sein zu sich selbst und für die Schmerzen gibt es Paracetamol. Na ja, der zweite Teil des Satzes stammt nicht von ihm, was vielleicht daran liegt, dass es nicht er war, der von einer Art Genmoskito völlig zerstochen wurde, sondern ich, was wiederum nichts mit dem Groupon Reisegutschein zu tun hat, der war diesmal nämlich wirklich tip top. Nicht nur, weil sich das Team ehrlich über mein verkochtes und an Gewürzmangel leidendes Pad Thai gefreut und der Hostelvasco uns bei der Abreise extra nach Lissabon gefahren hat – diesmal hat einfach alles gestimmt. Preis. Leistung. Laune. Man kann eben auch mal richtig Glück haben.
Blödsinn am Strand
guter Wind für den Surfunterricht
der dritte Tage und… es läuft
thailändische Kochkünste in Portugal
könnte auch Australien sein
Surfergirls
nur nachts wurde es etwas frisch im portugiesischen „Winter“
Und wie das absolute Kontrastprogramm aussieht, lest ihr beim nächsten Mal. Ich bin nämlich gerade in Dubai im 7 Sterne Hotel
PS: Liebe Lilies-Diary.de-Leser, es ist mir eine Freude und eine Ehre, für euch schreiben zu dürfen! Ich hoffe, ihr mögt mich wenigstens halb so gern wie die wunderbare Christine.
15 Kommentare
Ganz wundervoll erzählt ^^
Freue mich darauf auch deine Geschichten zu lesen.
Wie meine Geschichte?
Wirklich Glück gehabt :-)
Ich musste mich in diesem Jahr schon sooft mit Groupon rumschlagen, das ich langsam keine Lust mehr habe dort was zu kaufen/buchen. Bzw. eher mit den Firmen die sich dort anbieten.
Aber wenn ich das so lese..vllt. sollte ich mal wieder :D
Super Bericht, Melanie! Toll, dass du jetzt dabei bist. Ich freue mich darauf, mehr von dir zu lesen.
Wir freuen uns alle. Gerade ist sie in Dubai unterwegs :)
SUPER!!! Jetzt ärgere ich mich ein bisschen, dass ich so lange nach dem Haken an dem Angebot gesucht habe, dass ich es am Ende verpasst hab…
Man weiß halt nie wie es ausgeht…
Herrlich :D ich krümm mich hier im büro vor lachen :) toll geschrieben
Dankeschön!
Sehr schöner Artikel, bin gespannt auf mehr!
Das freut uns :)
Und wie viel hat es dann am Ende insgesamt gekostet? Mit Flug?^^
Ich glaube, muss aber Melli noch einmal fragen, so 360 Euro