Könnt ihr euch noch an die fiesen Studentenjobs als Promoter erinnern? Ich war einmal bezahlter Demonstrant, habe Kosmetikprodukte angepriesen und den Easy-Putz im Baumark vorgeführt. Michael hingegen ist fast bis zum Mars geflogen:
Schon immer habe ich mich gefragt, wie man Astronaut werden kann? Was sind das für Leute, die sich mit etwa 320 Kilometer pro Sekunde in das Weltall schießen? Es mag ja sein, dass es für viele Menschen ein Traum ist, völlig losgelöst von der Erde und schwerelos schwebend unseren blauen Planeten von weit oben zu betrachten. Manchen Menschen ist dieser Traum sogar mehrere Millionen Euro wert.
Da ich momentan aber weder mehrere Millionen Euro übrig habe, noch mit einem besonderen Talent für Naturwissenschaften ausgestattet wurde, stellte sich für mich selten die Frage, ob ich einmal ein Astronaut werden möchte.
Wie es oft im Alltag scheint, sehnt man sich nach etwas Neuem. Etwas ungewöhnlichem, vielleicht sogar nach etwas verrücktem? Umso komischer ist es doch, wenn man eMails mit der Betreffzeile „Astronaut Gesucht“ in seinem privaten Postfach findet. Natürlich nicht für eine Expedition zum Mond, sondern vielmehr für eine zweitägige Messe, die Internet World, in München. Aber im Astronautenanzug. Während ich mir anfangs ausmalte, dass das ja furchtbar peinlich sei, als Astronaut über ein Messegelände zu laufen, konnte ich doch nicht widerstehen mir das mal genauer anzusehen. Schließlich könnte ein „Traum“ wahr werden und man würde sogar noch dafür bezahlt werden, obwohl man keine Ahnung von Naturwissenschaften hat und fast nichts weiteres dafür tun müsse, als nett zu lächeln – gar nicht so leicht, wenn man einen Helm trägt – und richtig gute Laune zu haben. Nach einem kurzen Hin- und Her mit der betreuenden Agentur war – zumindest der Agentur – klar: „Du bist an Board.“ Und ich dachte mir anfangs nur: „Kann es etwas schlimmeres geben, als in einer überhitzten Halle in einem bepackten, sauschwerem Raumfahreranzug Flyer, Prospekte und Handycleaner zu verteilen?“ Natürlich gibt es das. Ist ja schließlich auch nur eine rhetorische Frage.
Auch wenn die ersten Stunden kaum vergehen wollten, der Flyerberg in meiner Tasche nur bedingt kleiner wurde, meine Gemütslage aufgrund der sauschweren Bekleidung und dem tropischen Klima in der Halle nicht wirklich für eine „richtig gute Laune“ sorgte, wie es sich die Agentur wohl on mir wünschte, kam doch alles anders.
Schaulustige Messegäste zeigten am liebsten in Kleinkindermanier auf mich, strahlten und lächelten mich an, als wäre ich der weiße Riese. Die Einen wollten unbedingt ein Foto von mir, andere wiederum wollten tatsächlich sofort mit mir auf Twitter und Facebook befreundet sein. Zudem wurde ich gefragt, ob es möglich wäre mich für Firmenevents als Astronaut zu buchen? Eine witzige Vorstellung. Andere brachten mir Erfrischungsgetränke und Süßigkeiten vorbei, andere wiederum wollten meinen Raumfahreranzug um jeden Preis abkaufen –um sich auch mal wie ein Astronaut zu fühlen – oder lobten mein „geiles Outfit“. Vermutlich hätte ich in diesem Kostüm alles verteilen können, was ich wollte. Denn dem netten Astronauten von nebenan nimmt man doch gerne seine Werbung ab. Okay. Natürlich gab es da auch einige Besucher, die von vornherein überheblich abwinkten, wenn ich zum Überreichen meiner Zettelchen ansetzte. Doch spätestens am zweiten Tag wollten dann aber auch jenen mit mir ein Foto machen, die tags zuvor noch herablassend einen weiten Bogen um mich schlugen. Nach geschätzten 96 Stunden – eigentlich waren es bloß zwei normale Arbeitstage – war es an der Zeit, wieder in die Realität zurückzukehren. Nachdem ich mich interessehalber noch ohne Kostümierung über die Messe bewegte, wurde ich spätestens alle fünf Sekunden gefragt, ob ich bei irgendwelchen Gewinnspielen mitmachen oder diesen oder jenen Flyer mitnehmen möchte. Natürlich – doch am schönsten wäre es gewesen, wenn mich das ein Astronaut gefragt hätte. Ich hätte vermutlich auch ein Foto gemacht. Und die anfangs gestellte Frage, wie man ein Astronaut werden kann, ist zumindest theoretisch ziemlich leicht, wie man sieht. Man muss ja nicht gleich zum Mond fliegen. Ein Messegelände kann zu fortgeschrittener Stunde auch ganz schön wüst aussehen. Und wieso man sich mit etwa 320 Kilometer pro Sekunde in das Weltall schießen lassen kann? Ich weiß es ehrlich gesagt immer noch nicht. Aber ich hätte auch nicht wirklich gedacht, wieso man als Astronaut auf einer Messe arbeiten möchte? Vielleicht um darüber zu schreiben.
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