Immer wieder finde ich die Tatsache interessant, dass in unseren Köpfen von bestimmten Reisezielen ganz gewisse Klischee-Vorstellungen herumgeistern, die das Land (oder die Stadt) dann in gewisser Weise auch erfüllen soll. Für Kalifornien sind diese Bildchen im Kopf bei den meisten wahrscheinlich traumhafte Sonnenuntergänge an weitläufigen Surfer-Stränden, das Hollywood-Zeichen in LA oder die Golden Gate Bridge im nebligen San Francisco.
Dass Kalifornien zwar all das ist, aber auch noch sehr, sehr viel mehr, hab ich selbst nicht so ganz gewusst, bevor ich dort war. Umso überraschter war ich von der Vielseitigkeit des Landes. Hier gibt es Schneeberge, in denen man Ski fahren kann und gar nicht weit davon raue, trockene Wüsten. Ein Land der Gegensätze, das ist Kalifornien auf jeden Fall.
Der Joshua Tree National Park
Bei all den vielfältigen Eindrücken, die ich in Kalifornien sammeln durfte – unser Tagesausflug in den Joshua Tree National Park in Südkalifornien hat mich eindeutig am nachhaltigsten fasziniert. Und am unvoreingenommensten, weil ich ohne Erwartungen an diesen Ort herantreten konnte. Diese Bilder im Kopf – und meist daran geknüpft gewisse Erwartungen – finde ich ja oft eher hinderlich als sonst irgendwas.
Das Besondere an dem großflächigen Naturschutzgebiet sind nicht nur die stacheligen Joshua Trees, die Namensgeber des Parks, sondern auch, dass hier zwei Wüstengebiete mit ganz und gar unterschiedlicher Vegetation zusammentreffen:
- die Mojave-Wüste, wo Joshua Trees wachsen und in der wir uns großteils aufgehalten haben,
- und die Colorado-Wüste. Hier gibt es eher keine Joshua Trees und es sieht überhaupt ganz anders aus!
Schöne Exemplare eines Joshua Tree
Bei der Hinfahrt gibt es einen traumhaften Ausblick auf Kaliforniens Schneeberg Mount San Jacinto inklusive
Joshua Tree National Park: Die Anfahrt
Ungefähr drei Stunden dauert die Autofahrt in den Joshua Tree National Park, wenn man aus einem der Küstenorte südlich von Los Angeles losfährt. Wir visieren das kleine gleichnamige Städtchen Joshua Tree an, unweit davon befindet sich ein Parkeingang. Drei Stunden Hinfahrt, drei Stunden retour – gerne länger, wenn man so wie wir ständig am Straßenrand Halt macht, um zu fotografieren. Also gute sechs Stunden Fahrt für einen Tagesausflug. In Amerika aber eher normal, hier herrschen andere Vorstellungen von Entfernungen als bei uns.
So machen wir uns zeitig in der Früh aus Oceanside auf den Weg und sammeln schon auf unserem kleinen Roadtrip einige schöne Eindrücke. Zu entzückend sind die vielen Briefkasten-Kolonien am Straßenrand, wo doch weit und breit kaum ein Haus zu sehen ist. Unglaublich, diese amerikanische Weite, diese endlose Landschaft als Kontrast zu den unzähligen, doch recht verbauten Küstenstädten. Aber glaubt mir, nach drei Stunden hat man dann auch wieder genug von dieser Weite. Mehr oder weniger am Weg liegen übrigens auch Palm Springs mit seinen Golfplätzen (okay sorry, wieder so ein Klischee-Bild) und Indio, wo das berühmte Coachella Festival stattfindet.
Hin und wieder erscheint am Straßenrand ein einsamer Joshua Tree, wir nähern uns also langsam unserem Ziel. In der Ortschaft Joshua Tree angekommen, ist es nicht weit zum Parkeingang (West-Entrance mit Visitor Center). 25 Dollar kostet der Wochenpass für ein Auto inkl. aller Insassen, es lohnt sich also, wie so oft in den USA, zu mehreren in einem Auto zu fahren. Tageskarten gibt es nicht, den Wochenpreis finde ich aber auch für einen Tagesausflug völlig okay. Wer länger bleiben möchte, kann übrigens direkt im Park campen, mehrere Campingplätze stehen zur Auswahl. In den umliegenden Orten gibt es auch zahlreiche Übernachtungsmöglichkeiten, vor allem Motels und einfachere Unterkünfte.
Joshua Tree National Park: Erste Eindrücke vom Park
Im Park selbst kann man natürlich viel entdecken, so richtig lernt man ihn wohl erst kennen, wenn man mehrere Tage dort verbringt und auch die endlosen Weiten fernab der Straße erkundet. Am besten übernachtet man dann wirklich mitten in der Wüste auf einem der Campingplätze. Das möchte ich unbedingt eines Tages selbst noch erleben.
Doch auch in den wenigen Stunden, die wir dort waren, haben wir so einiges an Eindrücken sammeln können. Mit dem Plan aus dem Visitor Center suchen wir uns ein paar schöne Flecken raus, die wir anfahren wollen. So sind wir zuerst einfach die Durchfahrtsstraße (Park Boulevard) entlanggefahren – und alle 200 Meter stehen geblieben, um Fotos zu machen und ein bisschen vom Weg abzukommen, hinein in die Wüste …
Was soll ich sagen, ehrlich, es ist so surreal schön dort! Die seltsam anmutenden Joshua Trees, die sandfarbenen Felsformationen … und diese Weite, diese unendliche Weite! Wir treffen kaum andere Menschen und das, obwohl der Park eigentlich das ganze Jahr über gut besucht ist. Allerdings sind wir an einem Wochentag im März dort. Diese einzigartige Landschaft, wir haben sie fast ganz für uns allein.
Joshua Tree National Park: der Cholla Cactus Garden
Es ist schon der niedliche Name, der uns neugierig macht und uns weiter in den Cholla Cactus Garden führt. Denn dort sind die Teddy Bear Chollas zuhause, weich und flauschig anmutende, wie Teddybär-Arme aussehende Kakteen. Auch wenn sie es nicht sind, also weich und flauschig, ganz im Gegenteil – ich hab sie gleich in mein Herz geschlossen. Ich weiß auch nicht warum, eigentlich sind sie echt fies.
Ihre blitzscharfen Stacheln bleiben schon bei der vorsichtigsten Berührung oder gar nur einem Windstoß überall hängen, weswegen sie auch „Jumping Chollas“ genannt werden. Man kann von ihnen förmlich attackiert werden – bei uns war es allerdings absolut windstill. Auch hier im Kakteengarten fühlt sich alles recht surreal an. Wie aus dem Nichts ist man plötzlich in einem ganzen Wald, einer ganzen Armee dieser „lustigen“ Kakteenart. Da stehe ich also mitten drin und staune über die Schönheiten und Eigenarten der Natur …
Inmitten des Cholla Cactus Garden
Joshua Tree National Park: Hiking Trails
Wir haben auch noch ein paar kleinere Hiking Trails gemacht. Unglaublich, was sich an so einem halben Tag alles ausgehen kann. Bei den Parkplätzen war deutlich mehr los. Aber während der Wanderung hatten wir die schroffe Schönheit des Parks wieder ganz für uns. Schönheit an jeder Ecke!
Mich fasziniert der Kontrast aus trockener Wüste, der in der Sonne ockerfarben-leuchtenden Felsformationen und der für Wüstenverhältnisse recht üppiger Vegetation, die aus deutlich mehr als nur Joshua Trees besteht. Wer Glück hat, bekommt außerdem Kojoten und Dickhornschafe zu Gesicht, auch Klapperschlangen sind zwischen den schroffen Felsen beheimatet. Über 50 verschiedene, perfekt an die klimatischen Verhältnisse angepassten, Säugetierarten leben hier, unzählige Schlangenarten und 250 verschiedene Vogelarten kann man hier antreffen … Die Wüste lebt!
Joshua Tree National Park: der Barker Dam Trail
Zuletzt finden wir mit dem Barker Dam sogar noch einen aufgestauten See in der Wüste (erreichbar über den Barker Dam Trail, easy zu bewältigender 2,5 km Rundweg). Wir haben Glück, der Wasserstand ist ziemlich hoch, das variiert, was ich so mitbekommen habe, enorm.
So schön friedlich ist es hier! So bizarr! Wir haben noch einmal Glück – auch den See haben wir für uns alleine. Ich glaube, das ist eher seltener der Fall. Hier lassen wir den Tag ausklingen, bevor wir uns auf den Weg zurück zum Auto machen.
Auch ein Joshua Tree- Sonnenuntergang ist ein eindrucksvolles Erlebnis!
Nun treten wir über den North-Entrance und das kleine Städtchen Twentynine Palms (allein die schön klingenden Ortsnamen machen Lust, oder?) den Heimweg an, voll schöner Erinnerungen, die mich noch Jahre später ganz sehnsüchtig werden lassen. Zigtausend Mal hab ich mich seither zurückgewünscht an diesen für mich so magischen Ort, an dem ich nur einen einzigen Tag verbracht habe.
Im März 2018 bin ich endlich wieder im Südwesten der USA unterwegs. Diesmal ist mein zweijähriger Sohn mit dabei. Bei unserem Roadtrip darf der Joshua Tree National Park natürlich nicht fehlen – als einziger Ort, den wir unbedingt ein zweites Mal sehen wollen, sonst sind nur neue Orte und Nationalparks auf unserer Route. Ich freue mich schon riesig auf ein Wiedersehen und bin gespannt, wie ich den Park beim zweiten Mal erleben werde.
So sieht ein ziemlich hoher Wasserstand des Barker Dam aus
Der Park Boulevard, die große Durchfahrtsstraße
Wüstenvegetation
Auch für seine Felsformationen ist der Joshua Tree National Park bekannt
Ein kleiner Weg führt direkt in den Cholla Cactus Garden
“Jumping Chollas”
Die warmen Farben der Mojave-Wüste haben es mir angetan
Die Gastautorin
Johanna ist Fotografin und kommt aus Wien, ist aber großteils im Südburgenland aufgewachsen. Fotografie war schon seit ihrer Kindheit ein Hobby. Ihre ersten Fotos mit eigener Kamera hat sie mit 7 Jahren auf Kreta gemacht. Anfang 20 begann die Faszination für ferne Länder, u.a. ausgelöst durch einen dreiwöchigen Thailand-Rundtrip. Trotz knappem Studentenbudget legte sie jeden Cent fürs Reisen beiseite und merkte: Wenn man konsequent spart, geht sich selbst mit wenig Geld (und ohne hungern zu müssen!) erstaunlich viel aus!
Bald darauf machte sie, eigentlich ausgelöst durch das Interesse an der Reisefotografie, eine Ausbildung zur Fotografin an der Graphischen in Wien – doch bald fand man sie zwischen Newcomer-Models, Make Up Artists und Jungdesignern wieder. Es hatte sie mitten in die Welt der Modefotografie verschlagen. Sie arbeitete eine zeitlang wie besessen tagein tagaus an ihrem Portfolio, fotografierte nur mehr Menschen und vergaß dabei komplett das Reisen. Bis sie eines Tages fast über Nacht wieder genug von der Fashion-Welt hatte. Einfach so.
Eine Babypause später heißt es back to the roots: Nun mit ihrem knapp zweijährigen Sohn hat sie das Reisefieber erneut gepackt. Ganz besonders spannend findet sie, durch ihn die Welt auch selbst wieder ein kleines Stück mit Kinderaugen betrachten zu können. Sie möchte dabei nicht anders reisen, als sie es schon vorher getan hat, bevor sie Mama wurde: sehr aktiv und neugierig, mit allen Sinnen in ein Land eintauchen.
Sie lebt mit Sohn, Freund und zwei griechischen Streunerkatzen in Wien und studiert mal mehr, mal weniger enthusiastisch Germanistik. Sie liebt die Weite sowohl des Meeres als auch der Wüste und der Berge. Und Sonnenuntergänge. Sonnenaufgänge ebenso, wenn da nicht dieses verdammt frühe Aufstehen wäre …
Auf ihrem Blog www.wearehappyhere.com schreibt sie über das individuelle Reisen als Familie – vom Tagesausflug bis zur Fernreise – und darüber, dass das Reisen mit Kindern gar nicht so anders ist als noch zu kinderlosen Zeiten. Nur etwas langsamer und chaotischer, dafür aber auch viel bunter.
2 Kommentare
Fantastische Aufnahmen gut eingefangene Landschaftsbilder vermitteln den Eindruck fast selbst dort zu sein – vielen Dank !
Das sind einfach fantastische Aufnahmen, die dir da gelungen sind!! Wir wollen dieses Jahr auch auf einer Kalifornienreise den Joshua Tree NP besuchen, allerdings nicht als Tagesausflug von LA sondern auf dem Road Trip Richtung Grand Canyon. Was würdest du für einen zeitlichen Rahmen zum empfehlen, also wie lange habt ihr euch im Park selbst dann aufgehalten? Wir wollen dann abends in dem Twentynine Palms ein Hotel nehmen.