… ich möchte mich jetzt schon, bevor ich es vergesse – und das kann durchaus möglich sein, denn ich bin etwas durch den Wind, für diese unschöne Anrede entschuldigen. Kleiner Zellhaufen, das klingt so gar nicht glamourös, aber gerade bist du einfach noch nicht mehr. Du bist noch eine flache Keimzelle, nicht einmal 5 mm groß und seit drei Stunden weiß ich von deiner Existenz. Es ist mein 33. Geburtstag, ich verbringe ihn in Frankreich in der Provence und du bist auf jeden Fall das abgefahrenste Geschenk, das ich je bekommen habe und ich werde lange, sehr lange etwas von diesem Geschenk haben.
Ich wäre unter normalen Umständen heute Morgen mit einem Riesenschädel aufgewacht, weil ich in der letzten Zeit schon nach zwei Gläsern Wein betrunken war, aber irgendwie hatte ich gestern Abend keine Lust auf Wein. Und eigentlich hätte es mir da schon wie Schuppen von den Augen fallen sollen: Ich bin in Frankreich, dem Mekka für Wein und habe keine Lust auf ein Gläschen trockenen Muscadet? Das habe ich jetzt also dir zu verdanken, dass ich frisch und ausgeruht, dafür mit einer ständig wachsenden Blasenwolke über meinem Kopf auf einer Schaukel im Grünen sitze und schwanger bin.
Nennen wir das Ding doch mal beim Namen. Ich bin schwanger und das rauszufinden war gar nicht so einfach. Denn während ich schon ein Zeichen auf dem Schwangerschaftstest gesehen habe, war ich immer noch bemüht, die französische Anleitung zu übersetzen und hatte keine Ahnung, was denn jetzt bitte dieses Kreuz bedeutet. Es bedeutet – schwanger. Und das ist für mich gerade immer noch nicht greifbar, obwohl ich es schon lange unbewusst gefühlt habe.
Mir ging es gar nicht gut in der letzten Zeit. Ich hatte die mieseste Laune der Geschichte, Bauchschmerzen, Kopfschmerzen, Brustschmerzen und ganz ehrlich, wäre ich jetzt nicht schwanger gewesen, dann hätte ich laut Google entweder einen Gehirntumor oder Darmkrebs. Aber nein, es bist nur du, mein kleiner Zellhaufen und auch, wenn ich noch nicht mal weiß, ob dein Herz schlägt, was sich wohl erst nächste Woche entwickelt, spüre ich eine unbeschreibliche Liebe, zu mir und dir – uns.
Paul lädt mir gerade ein Schwangerschaftsbuch herunter, damit sich die Wolken mit Fragen, die sich über meinem Kopf zu einer dunklen Gewitterwolke zusammenbrauen, vielleicht bald wieder verziehen. Ich glaube, er hat sich sehr gefreut. Er ist zwar nicht der emotionalste, aber nach vierzehn Jahren Beziehung spürt man die kleinen Regungen und jetzt ist er sehr bemüht, ein Buch für uns zu finden, das vor allem nicht zu negativ ist und vielleicht auch ein bisschen Hippie mit Kräutermitteln und Bachblüten.
Ich muss ganz ehrlich zu dir sein, lieber Zellhaufen, der Zeitpunkt für dein Erscheinen ist recht ungünstig. In zwei Wochen will ich nach Indien, in neun Monaten meine Coaching Ausbildung beenden und all die Aufträge und Jobs müssen irgendwie auch weitergehen. Aber was sagt mein pragmatischer Paul dazu: „Was nicht passt, wird passend gemacht.“ Zum ersten Mal schätze ich seinen Pragmatismus sehr. Ja, wir beide, wir werden uns jetzt auf eine ganz besondere Reise machen.
Ich gebe zu, nach der ersten Stunde des Perplex-Seins, bin ich kurz in die „Oh Gott“- und „Wenn was passiert“- und „Was passiert überhaupt?“-Spirale gefallen. Doch dann habe ich ganz tief durchgeatmet und mir vorgenommen (und das kann ich meistens ziemlich gut, denn ich bin zwar jetzt nicht mehr Herr über meinen Bauch, aber immer noch über meine Gedanken), dass ich keine Angst haben möchte. Ich möchte keine Angst haben, ob dein Herz schlägt, ob du bei mir bleibst, ob du gesund bist, wie die Geburt wird, ob ich das alles schaffe … Ich möchte das, was ich jetzt schon spüre, die ganze Zeit behalten – mein Urvertrauen, dass alles gut wird. Falls du bei mir bleibst, worüber ich mich sehr freuen würde, kann ich dir jetzt schon sagen, dass du keine Plastikspielsachen bekommst. Sorry.
Ja, mein kleiner Zellhaufen, es wird sich jetzt einiges ändern. Mein Leben wird sich drastisch ändern, aber ich mag Veränderungen, denn der Stillstand ist der Tod. Außerdem muss ich dir noch etwas sagen: Auch, wenn du wahrscheinlich ab jetzt immer die erste Rolle spielst, möchte ich einen großen Teil meines Lebens behalten. Ich möchte dir die wunderbaren Menschen in meinem Leben vorstellen und hoffe, dass wir viel Zeit miteinander verbringen werden, denn ich möchte meine Freunde nicht aufgeben. Ich habe selbst gespürt, wie verletzend es ist, wenn eine Freundin ein Baby bekommt und nun „endlich weiß, was wichtig im Leben ist“ und „Prioritäten gesetzt hat“ und ich dann leider nicht mehr Teil des Lebens war. Und natürlich möchte ich dir die Welt zeigen, mit all ihren wunderschönen Orten und darauf freue ich mich jetzt schon besonders.
Du siehst, wir haben einiges vor und auch wenn du einen anderen Plan hast, ich bin ein ziemlicher Dickkopf und möchte dich schon mal darauf vorbereiten und dir mitteilen, dass diese zwei Sachen sehr wichtig sind und du dich irgendwie damit arrangieren musst. Ich verspreche dir aber auch, dass ich immer voller Liebe und Verständnis sein werde, mein kleiner Zellhaufen und ich mich unendlich darauf freue, dir die Welt zeigen und erklären zu dürfen.
Jetzt warten wir mal ab, was passiert, trinken jeden Morgen eine schöne Tasse Tee gegen die Übelkeit und schauen dir beim Wachsen und Gedeihen zu.
Wir werden uns bestimmt bald sehen, auf so einem weiß, schwarzen Foto.
Ich freue mich
In Liebe
Deine Christine
PS: Mittlerweile bin ich in der 17. Schwangerschaftswoche und es ist alles gut. Ich weiß sogar schon, welches Geschlecht der kleine Zellhaufen, der die Größe einer belgischen Waffel erreicht hat, haben wird. Das verrate ich aber noch nicht. Dafür verrate ich euch alles andere und wie es mir die letzten Wochen ergangen ist auf meinem neuen YouTube-Kanal. Ich habe große Freude daran gefunden, ein bisschen Licht hinter das Mysterium Schwangerschaft zu bringen und von meinen ganz persönlichen Erfahrungen zu berichten.
Hier findet ihr die PLAYLIST mit allen Videos und hier gleich das erste Video. Ich freue mich, wenn es euch gefällt und ihr meinen Kanal abonniert.
4 Kommentare
Herzlichen Glückwunsch <3
Ich bin seit August selbst Mama von 2 wunderbaren Jungs. Es wird aufregend, spannend und natürlich auch mal stressig. Mit unserem ersten sind wir schon weiter in den Urlaub gefahren und für Südtirol Ende Oktober mit 2 Kindern mussten wir uns eine Dachbox zulegen :D
Alles Gute noch einmal zu dieser schönen Botschaft liebe Christine. Der wertvollste Tipp einer Freundin war zu dem Zeitpunkt in dem du dich jetzt befindest bei mir: Hebamme für die Nachsorge organisieren. Durch den Hebammenmangel ist es nämlich super schwierig eine Hebamme zu finden. Die sind so schnell ausgebucht… :)
Herzlichen Glückwunsch! Ich wünsche dir alles erdenklich Gute <3
Vielen, lieben Dank!