Riesig. Unglaublich groß. Huuuuge. Alle Freunde, die ich im Vorfeld zu London befragte, antworteten mir einstimmig: London ist einfach immens groß. Der direkte Vergleich bestätigt: London ist gut zwei Drittel größer als Berlin und hat dabei etwa 2,5 Mal so viele Einwohner, mit 8,5 Millionen ungefähr so viele wie New York City.
Als bekennender Fan meiner Heimatstadt Berlin und des wunderbaren New York erwarte ich irgendwie auch für London eine sofortige Verliebtheit, denn auch in diesem Punkt sind sich die Freunde einig und „Du wirst es lieben!“ die Kernaussage.
Doch manchmal kommt es anders…
…und nichts war es mit überschwänglicher Begeisterung. Nach zwei Tagen war ich beinahe sicher, dass das nichts mehr wird mit London und mir. Viele werden mir hier widersprechen, aber mein erster Eindruck war: London ist mir zu viel. Nicht aufgrund der Größe oder der Masse an Menschen. Sondern: Ich habe in diesen zwei Tagen schlicht zu viele perfekte hippe Cafés gesehen, wunderbare Konzeptstores, über die ich mich normalerweise wahnsinnig freue, stylische junge erfolgreiche Menschen… nur irgendwie war mir alles zu perfekt, zu wenig vermischt, zu wenig dreckig. Ich kam mir vor wie in einer happy Design-Traumwelt ohne Kanten, ohne Bettler, ohne schäbige Fastfood-Buden, ohne „normale“ Kioske oder in den 90ern hängengebliebene Friseure wie man sie in all den angesagten Berliner Kiezen doch noch zwischen den fancy Cafés finden kann.
Guten Kaffee gibt es in London einfach überall. Zugegeben ein großes Plus.
Streetart findet man in bestimmten Stadtteilen etwa alle zwei Meter, hier von ROA.
Solo war sogar gerade dabei London mit einem neuen Piece zu verschönern!
Shoreditch. What else?
Wie ihr vielleicht inzwischen wisst, lege ich mir im Vorfeld jeder Reise ungefähre Laufrouten an. Ich gucke welche Cafés, Läden, Orte ich unbedingt sehen will und wie diese sich am besten verbinden lassen. Je kürzer die Reise, desdo weniger Stress entsteht dadurch vor Ort. „Ungefähre“ Route, weil ich mir etwa raussuche wie ich wohin komme, mich dann aber von Instinkt und Spontanität leiten lasse und um die Route herum streunere.
Am zweiten Tag sollte mich mein Weg also von Old Street nach Little Venice führen und im Anschluss über den Primrose Hill nach Camden. Auf dieser Strecke fand ich dann auch Viertel wie Clerkenwell und Fitzrovia, die durchmischter, unangestrengter waren und in denen es eine unerwartete Freude war den wunderbaren Magma-Magazin-Shop zu finden, den ich am liebsten leergekauft hätte oder über einen Streetmarket zu stolpern, auf dem es zwischen koreanischem Streetfood und BBQ-Trailer eben auch Gartenblumen und Socken zu kaufen gab.
Clerkenwell. Mag ich.
Street Market mit Schnitzel-Falafel. Direkt nebenan gibts dann Hüte und Socken.
Am Ende meiner „westbound“ Laufstrecke lag also Little Venice, das so heißt weil dort der Regents Canal und ein Arm des Grand Union Canal aufeinander treffen. Als Berliner hat mich Little Venice komplett verwirrt: wunderschöne Hausboote reihen sich zu beiden Seiten des Kanals aneinander, Weiden hängen über das Wasser, gesäumt wird der Kanal von pittoresken georgischen und viktorianischen Häusern mit Palmen in den Gärten.
Wäre dies Berlin, wäre der Ort überlaufen vom Jungvolk und es wäre schwer auf dem Bordstein noch ein Plätzchen zum Verweilen zu finden. In London war ich an einem sonnigen Tag abgesehen von Enten und Krähen beinahe die einzige Person, die sich dorthin verirrt hatte. In meiner Verwunderung habe ich jedes Federtier befragt ob dies immer so sei, aber natürlich keine Antwort erhalten.
„Huge“ – langsam dämmert mir die Bedeutung dieses Wortes.
Mit ein wenig Abstand ist mir inzwischen bewusst, dass ich vermutlich einfach noch ein paar Kilometer dem Kanal hätte folgen müssen um Menschen und Restaurants zu begegnen – huge, das heißt nicht mehr oder weniger, als dass jedes Viertel in dieser Stadt einfach größer ist als in anderen Städten und dass man nicht mal eben in zehn Minuten durch eine Gegend laufen kann um sie zu begreifen. An besagtem Tag jedoch bog ich meinem geplanten Routenverlauf folgend – bei einer Strecke von 15km kann man tatsächlich nicht alle 500m noch einen Extraschlenker einlegen – gen Norden, vorbei an den Abbey Road Studios zum Primrose Hill. Als ich endlich dort ankam, war ich auch endgültig bedient: Ich hatte 1,5 Meilen (knappe 2,5km) durch wohlbetuchte Wohngegenden hinter mir, in der sich in perfekter Edward mit den Scherenhänden Manier gestaltete Vorgartenhecken, Eisenzäune, blitzsaubere Gehwege, teure Autos in Auffahrten – und keine Menschen – wie Perlen an einer Schnur aneinanderreihen. Ich war durstig, langsam auch hungrig und hatte mir zu allem Überfluss auch noch eine dicke Blase gelaufen, doch kein Café, kein Restaurant, nicht einmal eine Parkbank in Sicht. Die wohlbetuchten Bewohner saßen wohl alle zufrieden in ihren perfekten Häusern, während ich meinen Weg Richtung Aussichtspunkt entlanghumpelte.
Mein Haus ist besser als Deins.
Zaun- und Heckenvergleiche. Und Milimeterarbeit.
Die letzten Meter auf den Hügel schaffte ich dann auch nur wohlwissend, dass dahinter Camden auf mich warten würde und damit auch das Kontrastprogramm mit mehr als genug Menschen und Gaumenfreuden.
Camden? Vielleicht ein kleines bisschen Verliebtheit…
Nach 15 Minuten Wolken beobachten und über die nun fern wirkende Stadt blicken, war meine Laune wieder auf Normalpegel und Neugierde und Vorfreude auf das nächste Stadtviertel hatten sich eingestellt. Entlang des Regent’s Canal und diesmal nicht als einziger Mensch auf dem Planeten schlenderte ich also Richtung Camden Lock Market, vorbei an Hausbootbewohnern, joggenden Hundebesitzern und Straßenmusikern, um inmitten eines Foodmarkets zu landen, voller wunderbarer exotischer Gerichte und Düfte. Halb verdurstet schaffte ich es trotzdem nur bis zum Mexikaner direkt am Kanal – frische Ingwer-Berry-Lemonade führ die trockene Kehle und ein unglaublich schokoladiger Brownie für den Ausgleich meines Zuckerpegels waren in diesem Moment das Highlight des Tages!
Blick vom Primrose Hill. Versöhnlich.
Und hier fand ich sie dann auch endlich, die Vermischtheit und das Raue, Anzugträger neben Dreadlocks, Blumenverkäufer neben lederbeklufteten Rockern und niemand wirkte fehl am Platz. Ich lief vorbei an Ramschläden und Hippie-Shops, an Plattenläden und Streetart-Meisterwerken und landete (auf Empfehlung meines britischen Mitbewohners) im „The Hawley Arms“, wo ich mich nicht nur ein die entspannte Stimmung und das gemischte Publikum verliebte, sondern auch in das einfallende Sonnenlicht und die unglaublich wunderbare Kellnerin mit den türkisen Haarspitzen…
The Hawley Arms. Ein uriger Pub mitten in Camden. Und die schönste Kellnerin.
… und natürlich stand auch wieder ein Konzert meiner liebsten Band, Heymoonshaker, auf dem Plan und so endete dieser Tag im „Camden Blues Kitchen“, einer Blues Bar, die ich euch dringend empfehle, falls Ihr auf der Suche nach verdammt gutem BBQ, einer guten Bar (150 Whiskey-Sorten!) und dem Blues seid – im Blues Kitchen kann man definitiv gemütliche lange Abende verbringen.
Camden Blues Kitchen & Lieblingsband
Letzter Tag oder: Na gut, London, ich komm nochmal vorbei…
Am Abflugtag war dann kaum noch Zeit für weitere große Ausflüge, so dass es neben einem privaten englischen Frühstück mit alten Freunden nur noch eine kurzen zweiten Spaziergang durch Shoreditch gab, diesmal mit den Old Spitalfield Markets, einem letzten Flat White und einer homemade Lemonade, die tatsächlich und mit sehr entspannter italienischer Ruhe homemade zubereitet wurde und dazu führte, dass ich fast zurück rennen musste um meinen Bus zum Flughafen nicht zu verpassen.
Apropos Bus: Easybus kann ich jedem nur empfehlen! 45-60min je nachdem ob man während der rush hour ankommt oder nicht, und man kommt mega bequem in meinem Fall von Stansted direkt zur Old Street ohne ein Vermögen zu verlieren. Keine Sorge, das rote Auto fand ich einfach so hübsch, das musste ich posten. Der Easybus ist schon etwas größer. ;)
Mein Fazit? Wird vertagt.
Ein finales „Urteil“ zu London fälle ich an dieser Stelle nicht. Es gab am Ende doch einige schöne Momente und Orte, die ich sehr mochte bis hin zu Gegenden, in denen ich mir dann doch vorstellen könnte zu leben. Ich werde also nochmal wiederkommen, ein paar Ecken Londons erkunden, da ich in 3,5 Tagen natürlich nicht alles gesehen habe und dann sehen ob ich London neben Berlin und New York auf meine Liste der geliebten Großstädte setze. Emotional hat mich London in der kurzen Zeit zwischen absoluter Langeweile und Euphorie durch einige Stimmungen geschickt, was unerwartet und auch irgendwie interessant ist.
Alle klassischen Sightseeing-Ziele, sowie meinen persönlichen Foodguide gibt es in einem zweiten Artikel gaaaanz bald! Und wie geht’s euch mit London? Alle absolut schockverliebt oder ging es wem anders auch wie mir beim ersten Besuch?
Text und Fotos: Laura Droße
14 Kommentare
geht mir mit london ganz genau so.ich war 2x bish jetzt in diesem jahr da, ein weiteres mal ist geplant.es is ganz nett da,wenn man jemanden hat,der die sehenswerten orte vorzeigt. aber so wirklich toll find ichs nicht..
auf einen zweiten versuch werde ich es auf jeden fall noch ankommen lassen.
wer weiß, manchmal braucht liebe ja ein wenig.
und falls nicht… hat london bestimmt auch ohne mich genug fans ;)
viel glück bei deinem zweiten trip, schreib hier gern wie es war!
hallöchen ;)
das ist ja witzig . ich bin derzeit gerade in London und muss sagen mir gefällt’s hier iwie gar nicht .. lustigerweise find’s ich total dreckig und too much .. alles so busy und crowdy .!^^ muss aber auch sagen dass ich städte wie paris und Amsterdam (für mich so gemütlich . romantisch . alt . vintage usw) über alles liebe und mir deswegen london (und wahrscheinlich auch ny) too much und too busy ist ..
wobei das mit den concept stores stimmt . da sind sie echt total perfekt unterwegs . jeder laden . jedes café und restaurant ist total durchgestylt .. aber ich hab das als interior-fan total genossen :)
was mich an London noch gestört hat waren die preise in läden die’s bei uns auch gibt (oder zumindest online stores) ist alles total übertrieben teuer (69pfund hier . bei uns 79€ total unlogisch) da macht shoppen iwie keinen spaß – bin eine kleine schnäppchenjägerin :D
danke für deinen post . war lustig zu lesen wie du London erlebt hast . lots of love from unfortunately rainy London
sarah
merci, liebe sarah.
und jetzt gerade, bei 38° in berlin, beneide ich dich glatt um den londoner regen! :)
ich empfinde ny und london halt wirklich wie tag und nacht… es liegt bei mir nicht am crowded oder busy mit london…
aber schön, dass du eigentlich ziemlich genau weißt welche städte dir so gefallen. klingt als müsstest du auch brügge mögen!
so oder so wünsche ich dir noch eine gute zeit in london und weniger regen und mehr shopping-glück!
danke für deinen lieben kommentar,
laura.
ja ich versteh mittlerweile was du meinst . sind gestern heim gekommen und
uns hat die hitze echt erschlagen .. da war london wirklich angenehm dagegen :)
es ist eh schön wie verschieden geschmäcker sind . witzigerweise sind nur sooo
viele leute geschockt wenn ich ihnen jetzt erzählen muss dass mir london nicht so
wirklich gefallen hat :)
anscheinend wird london mega gehyped .?!
ja ich hab in London mit ein paar leuten über meine städte-favoriten gesprochen und da sind mir des öfteren die belgischen . niederländischen städte empfohlen worden und u.a. auch brügge .. ich hoffe ich schaff’s mal hin :)
bitte gerne . danke für deine tollen posts ..
ich liebe es sie zu lesen :)
alles liebe sarah
Wir waren letzte Woche 3 Tage da (okay, wenn man An- und Abreisetag zusammen rechnet sind es 2) und es war mein erstes Mal. Vor vielen Jahren war ich mal in Berlin und das hat mir (sorry) gar nicht gefallen.
Im Gegenteil zu London. Vielleicht liegt es an meinem Tick für das Englische generell. Doctor Who, Sherlock (Harry Potter nicht, hab ich nur ansatzweise gelesen/gesehen). Ich mochte an London, dass es soo viel zu sehen gibt. Dann die Sprache natürlich. Und die Stadt ist sauber! Ich komme aus Aachen und ich will nicht sagen, die Stadt sei dreckig. Aber es ist nun mal so, dass hier ein Hundehaufen ist, da einer, hier Müll… Deswegen war ich umso überraschter, als ich in London ankam. So viele Menschen und kaum Müll?
Wir haben uns aber auch nicht in das Hipsterleben der Londoner gestürzt und in vielen Geschäften waren wir auch nicht. Wir haben viel Touri-Zeugs gesehen, aber noch längst nicht alles. Ich möchte wieder hin, um den Rest zu sehen und noch mehr. Bücher kaufen. Cyder trinken.
Aber ich kann dich durchaus auch verstehen. ;)
Liebe Verena… keine Sorge, nicht jeder MUSS Berlin mögen. Auch für mich als Berlinerin ist das völlig ok ;)
Hach, bei mir ist es halt wirklich London selbst, wo der Funke nicht springen wollte. Ich mag England, sehr. Aber Liverpool + Manchester war sofort ein Wohlgefühl, bei London leider nicht.
Ich finde es immer wieder total spannend zu sehen wie unterschiedlich Städte wahrgenommen werden, da fände ich eine psychologische Studie mal spannend…
Vielleicht sollte ich nochmal im Herbst, im düsteren Sherlock-London-Wetter hin und mit einem guten Buch einen Cyder trinken. Das klingt nach einem guten Plan.
Wow in Camden war ich noch nicht, deine Tour klingt auf jeden Fall sehenswert!!
Meinen London Urlaub letztes Jahr habe ich total genossen, deinen Enthusiasmus für Easybus kann ich leider nicht teilen. Laut der Buchung und Reservierung hat man zu einer bestimmten Uhrzeit einen Sitzplatz reserviert welches aber nur am Papier steht und real auf der Hin- noch auf der Rückfahrt eingehalten wurde. Beim zurückfahren kam der Bus auch mehr als 40 min zu spät, es gab eine Rangelei wer jetzt in den Bus dürfte, die Fahrer jedes mal sichtlich überfordert, dann noch im Stau gestanden und schlussendlich haben wir unseren Flug verpasst. Später habe ich dann online die schlechten Bewertungen von Easybus durchgelesen, leider zu spät. Die Bahn ist teurer aber man läuft nicht Gefahr, dass man im Stau steckt und trotz Reservierung nicht mitgenommen wird! Easybus nie wieder :)
London ist wirklich super groß. Ich hab das Gefühl, die Stadt hört gar nicht auf. Als ich das erste Mal für 7 Tage da war, war ich den ganzen Tag unterwegs, stundenlang. Und ich habe noch nicht einmal ansatzweise alles gesehen.
Vielleicht hört sie ja auch nicht auf? haha, wir werden es nie wissen!
Inzwischen hab ich aber ein paar Londoner, die mir weitere Touren mit Insidertipps versprochen haben.
Vielleicht gibts ja bald noch einen Bericht mit Tipps aus den “Outskirts”… und falls ich die Stadtgrenze finde, sage ich Bescheid ;)
Hallo Laura. Ich hab ein Jahr in London gelebt und bin seit 5 Jahren mit meinem Freund zusammen. Er ist Brite und lebt in London. Ich bin alle 2 Wochen drüben und hab auch noch immer nicht alles gesehen. Nicht einmal ansatzweise (so scheint es mir). Darum bitte um weitere tolle Tipps von dir, da man die wirklich tollen Sachen nicht im Internet findet.
Viel Spaß beim Entdecken :)