“Christine, was war der schönste Ort, an dem du jemals warst?” Puh, das ist eine schwere Frage. Der schönste Ort? Ich soll mich jetzt für einen Ort entscheiden, von den vielen, die ich schon gesehen habe? Einen rauspicken und die anderen links liegen lassen? Das kommt mir ja fast vor wie verrat. Das kann ich nicht. Das wäre auch irgendwie unfair, denn jeder Ort ist eine Reise Wert. Ohne Zweifel war die Karibik wunderschön mit ihren schwarzen Stränden und Palmen und auch die Seychellen und Malediven. Aber schön bedeutet ja nicht nur optisch schön. Schön verrückt war es in Japan, schön interessant in Teneriffa, ganz schön cool auf den Strassen von Kalifornien und ganz schön einzigartig in Äthiopien.
Ich stelle fest, wenn ich mich so mit dem Thema Schönheit und Reisen befasse, dass die unvergesslichsten Reisen, von denen ich immer erzähle nicht die optisch schönsten waren, sondern die einzigartigsten, die besonderen, die “kaum zu glauben, war ich wirklich da”-Reisen. Das sind meistens Orte, die versteckt liegen, hinter einem Ast, der erst zur Seite geschoben werden muss. Beispielsweise das Eismeer in Island, die Felsenkirchen in Lalibella und das Camping in Südafrika im Namaqualand.
Das Namaqualand in Südafrika ist wie Osttirol in Österreich, ein wunderschöner Fleck auf dieser Erde, der dem Massentourismus noch nicht zum Opfer gefallen ist und es auch nie wird. Ein Ort wird für mich besonders, wenn ich nicht einfach einer Autobahn folge, eine Abfahrt nehme, zweimal links, einmal rechts abbiege und da bin, sondern schon die Anfahrt unvergesslich und spektakulär ist. Und die Übernachtung. Ich hätte auch in einer Luxus-Lodge absteigen können, aber Camping in Südafrika, das ist was besonderes. Willkommen auf einer Reise in den Westen von Südafrika. Schnallt euch an und ich nehme euch mit, an den abgelegensten Ort, den ich je besucht habe. Bitte beachtet: Es gibt kein fließendes Wasser, keinen Strom und kein Internet. Nicht einmal Handyempfang.
Die Anfahrt – Seekrank über Sanddünen
11 km, dass ist einmal die Strecke von Schweinfurt nach Obbach. In 20 Minuten erreicht. Auf der Autobahn, ohne Ampel, und mit der doppelten Geschwindigkeit sogar in 5 Minuten. Hier in Südafrika können 11 km eine Stunde dauern. Kurzzeitig überlege ich einfach auszusteigen und zu laufen. Das erscheint mir fast schneller, als mich hier im Auto durchschütteln zu lassen und Seekrank zu werden. Obwohl irgendwie hat das auch was von Zeiten, an die ich mich nicht mehr erinnern kann, von denen mir jedoch meine Mutter immer viel erzählt. Damals als ich noch klein war, ein Säugling, stellten meine Eltern die Babytragetasche mit mir drin ins Auto, fuhren aus der Stadt heraus, die holprigste Landstraße entlang, die sie finden konnten, bis ich eingeschlafen bin, vom vielen Ruckeln. So muss sich das damals im Idealfall angefühlt haben. Ich muss, glaube ich, erst einmal kurz meinen Standpunkt erläutern. Ich bin von Frankfurt am Main mit South African Airways nach Johannesburg geflogen, von hier aus weiter nach Upington. Anschließend mit dem THE4x4Safari Geländewägen über die Augrabies Falls nach Springbock und nun auf dem Weg in das Namaqua Flower Beach Camp zum Camping in Südafrika.
Wir haben gerade die 52 km lange Off Road Strecke angefangen. Off Road heißt hier im Westen von Südafrika einiges. Straßen, die einfach nicht geteert sind oder Straßen, die man gar nicht als solche erkennt. Gerade fahren wir an der Küste über Steinfelsen und Sanddünen im Schritttempo. An schlafen ist jetzt nicht zu denken. Ich sitze auf der Rückbank in der Mitte, mein Kopf schlägt abwechselnd an die Schulter meiner Sitznachbarn, ich versuche trotzdem den Blick aufmerksam nach draußen zu richten. Hier kommen Straußen vorbei, laufen aufgeregt neben unseren Autos her oder stehen treudoof mit ihren Kindern in der Steppe rum. In weiten, flachen Gewässern stehen Flamingos einbeinig im Wasser, Klippschliefer wuseln über Felsen und diese vielen Vögel, die ich noch nie zuvor gesehen habe. Drei Stunden werden wir durchgerüttelt. Danach wissen wir gar nicht mehr, wo oben und unten ist, doch etwas besseres hätte mir gar nicht passieren können, denn im Namaqua Flower Beach Camp dreht sich die Welt sowieso ganz anderes.
Das Camp – ein offenes Klo im Nirgendwo
Was erwartet man von einem Camp, das einmal im Jahr zur Blütezeit aufgestellt wird? Nicht viel, wenn man vorher gesehen hat, welchen Weg man zurücklegen muss um hier her zu kommen. Jegliche Art von Luxus habe ich aus meinen Erwartungen gestrichen. Nichts erwarten ist auch immer gut. Dann kann man nur vom positiven überrascht werden. Wir erreichen eine Kreuzung, biegen rechts ab, Richtung Meer und direkt vor den Klippen sind wir da. Um die 20 grüne Zelte stehen hier an der Küste, alle mit einer Petroleumlampe und einem Campingstuhl unter dem Vordach bestückt. Schon nach 5 Minuten hatte ich keinen sehnsüchtigeren Wunsch, als stundenlang auf diesem Stuhl zu sitzen und das Meer anzuschauen.
Ganz oben am Hang steht ein Zelt in dem eine Bar mit Lounge untergebracht ist. Daneben der Speisesaal. Es sieht alles wunderbar aus. Ja, es ist alles viel zu schön, um wahr zu sein. Was ist aus den drei Schreckensszenarien geworden? Kein fließend Wasser, kein Strom und kein Internet? Gibt es alles nicht und es ist genial! Jedes Zelt hat eine Duschkabine mit einem Wasserbehälter. In den werden jeden Morgen 20 Liter warmes Wasser gelassen mit denen man circa acht Minuten duschen kann. Reicht völlig aus. Davor steht ein Waschbecken aus Zeltplane mit Seife und Handtuch.
von vorne
von hinten
Strom gibt es, jedoch nur jeden Abend ein paar Stunden für die Heizdecke im Bett. Wir sind in Südafrika, aber es hat hier durch den Wind gefühlte 12 Grad und jede Wärme, sei es vom Heizpilz, Lagerfeuer oder der Wärmedecke ist herzlich willkommen. Willkommen ist auch das nicht vorhandene Netz. Manchmal muss man mich einfach zum Glück zwingen. Ich schaffe es nie, einen einzigen Tag das Handy nicht anzufassen, wenn ich weiß es gibt W-Lan. Die ersten Stunden hatte ich kurze Herzkrämpfe: Ich habe mich doch gar nicht abgemeldet, was denken meine Facebook-Freunde und Blogleser, wenn drei Tage nichts passiert? Meine Familie ist ja schon gewohnt, dass ich einfach mal so drei Tage abtauche. Aber die können mich ja auch nicht erreichen. Nichts geht. Kein Netz im Umkreis von 20 km. Eigentlich fast unglaublich, dass es solche Plätze noch gibt. Irgendwann wird mir noch einmal kurz schlecht, als ich an die 300 Mails denke, die ich später in meinem Posteingang finden werde und dann, dann kann ich mein Glück nicht glauben.
Diese Menschen, die immer gesagt haben sie machen das Handy am Wochenende aus und das würde sich angeblich so gut anfühlen, diese Menschen habe ich immer belächelt. “Kompletter Schwachsinn”, dachte ich. Jetzt sitze ich hier und muss über meine eigene Dummheit lachen, denn es fühlt sich wirklich fantastisch an. Ich sitze nun wirklich auf dem Stuhl vor meinem Zelt, genieße den Ausblick, trinke eine Tasse Tee und weiß, ich kann nichts anderes machen. Da steht ganz fett in Großbuchstaben auf meinem Handy – KEIN NETZ. Ich muss auch keinen Berg hochlaufen um Empfang zu bekommen oder 200 Meter nach links oder rechts, es tut sich nichts. Ich werde unglaublich ruhig, so ruhig, dass ich mir ab und zu an mein Handgelenkt fassen muss, um zu überprüfen, ob ich noch einen Puls habe. Körperlich bin ich Scheintot und psychisch sowieso. Aber dann auch wieder nicht, weil ich viel wacher und aufmerksamer bin. Ich bin da! aber nicht überall ein bisschen, sondern bei einer Sache voll. An solchen Orten neige ich normalerweise dazu sämtliche Sorgen und Probleme im Kopf wiederzukäuen, bis mir schlecht wird. Hier lasse ich es einfach. Jeder Gedanke, egal ob von der guten oder schlechten Art, wird sofort einem Vögelein an die Beine gebunden und fliegt davon. Ich habe hier nur Lust mich über die schönen Dinge des Lebens zu freuen. Die sind so klein, dass es mir fast lächerlich vorkommt sie aufzuschreiben. Wenn ich beispielsweise auf die Toilette gehe, dass ist ein Gebäude mit vier Wänden aus Steinen und einem offenen Dach darüber, dann freu ich mich jedes Mal, wenn ich die Muschelkette spannen darf, das ist nämlich das Zeichen für “besetzt”. Türen gibt es natürlich keine. Auch bläst der Wind ordentlich um den Po, aber das ist toll. Das ist die Freiheit – eine Muschelkette spannen, wenn man für kleine Mädchen muss und eine ordentliche Brise Meeresluft zwischen den Beinen. Oder morgens aus dem Zelt kriechen und eine Thermoskanne mit heißem Wasser auf dem Stuhl. Oder das kleine Anzieh-Zelt neben der Dusche mit Potpourri und Spiegel. Oder die Live-Musik am Abend. Oder einfach nur das Meer anschauen.
Die Stimmung – so fröhlich, dass die Augen feucht werden
Ja, das Meer . Am Wasser neige ich immer dazu ziemlich nachdenklich und einen hauch philosophisch zu werden. Sind wir nicht alle ein bisschen Welle? Immer wieder Bäumen wir uns auf und versuchen möglichst beeindruckend den Strand zu erreichen. Je nach Wetterlage funktioniert das sehr gut bis gar nicht. Je besser der Wind, desto größer und stärker werden wir. Wenn nichts im Weg steht, brause ich manchmal mit voller Geschwindigkeit nach vorne und laufe in einer Bucht gemächlich aus, die mich langsam bremst. Manchmal pralle ich aber auch mit voller Wucht gegen einen Felsen, werde völlig ausgebremst und in alle Richtungen zerstreut. Dann bin ich kurzzeitig gelähmt und verängstigt. Das Leben ist eigentlich wie eine Bucht und wir sind das Wasser. Die einen halten sich von der Küste fern, wollen gar kein Abenteuer, kein Aufbäumen und keine Welle sein. Die anderen entwickeln sich zu kleinen Schaumkrönchen, laufen am Strand von Rimini aus, wo alles ruhig und eben ist und nicht viel passieren kann.
Dann gibt es noch solche Menschen wie ich einer bin. Sie wollen zehn Meter hohe Wellen werden. Sie möchten Surfer tragen, in kleine Buchten münden und möglichst viel Wasser mit sich reißen. Im Leben möchte ich das gleiche: Große Taten, viel Bewegung, Menschen mitreißen. Doch auch hier bin ich abhängig von anderen Faktoren: Das Wetter und der Wind sind wichtig, wie im Leben der richtige Zeitpunkte und die richtigen Menschen, die ich treffe und die mir helfen. Doch eine Entscheidung liegt nur an mir – ob ich in die Nähe der Bucht möchte oder den offenen Ozean bevorzuge.
Es ist unglaublich interessant eine Stunde auf der Klippe zu sitzen und “sich selber” zu beobachten. Sich immer wieder auszusuchen, welche Welle man in dieser und jener Situation war. Sobald die Welle ausgelaufen ist, wird die Situation sofort vergessen. Gedanken einfach einmal auslaufen lassen, dass ist es, was ich gerade betreibe. Das ist es, was diesen Ort so unfassbar einzigartig macht. Es gibt mir den Raum, alles sein zu lassen und nur auf diese fantastischen Wellen zu schauen. Und dieser Zustand, der geistigen Verwellung, macht das Camping in Südafrika im Namaqua Flower Beach Camp in Südafrika gerade zum schönsten Ort auf dieser Welt.
Da sitzt jemand!
Spuren im Sand
Man könnte 100 km am Strand entlang laufen und niemanden begegnen. Das nenne ich Ruhe!
So sieht Campen in Südafrika aus!
Seht ihr die kleinen Zelte hinten rechts? Das ist das Namaqua Flower Beach Camp
Frühstück mit Meerblick
Der Sonnenuntergang. Ich gebe zu, der schönste Zeitpunkt am Tag.
Der Speisesaal
Kleine Wanderung über die Dünen
Mit dem Blumenexperten unterwegs.
Und ein Zebra erlegt! ;)
Sonnenuntergang beim Camping in Südafrika
Vielen Dank an South Africa Tourismus und South African Airways für die Unterstützung
Die Muschelkette :)
16 Kommentare
Super Fotos
Dankeschön! War das jetzt ein “Test” ;)
Das sieht wunderschön aus!
Es war auch wunderbar …
super Fotos, super Bericht. Ich war leider noch nie in Südafrika, aber ein Freund von mir verweilt zur Zeit dort und ist hellauf begeistert. Afrika ansich ja sowieso. Aber Südafrika hat schon was ganz spezielles, anders als das “andere” Afrika.
Das stimmt! Aber irgendwie ist alles “anders” ;) Ich bin auch schwer begeistert von Äthiopien!!!
Hallo Lilie,
das sind richtig schöne Bilder!!! Hast du alle Fotos selbst geschossen (sprich mit Stativ) oder wirst du im Hintergrund von dem großen Unbekanntem begleitet? Wir machen uns morgen auch auf den Weg Südafrika zu entdecken. Mal schauen, ob wir dann auch den schönsten Ort auf der Welt entdecken durften.
LG Matzerotti
Ne, ich habe ein gutes Staiv ;) VIIIEEELLL SPASSSS!!!!!!
Bilder wie von einem Profi. Sehr schön. Ich wünsche euch weiterhin viel Spaß beim verreisen und hoffe auch neue Bilder hier in diesem Blog.
Viele Grüße Benjamin
Toller Bericht und vor allem sehr schöne Fotos. Macht neidisch!
Tolle Fotostrecke!
Vielen Dank
Dominik
hach, ich krieg Fernweh bei den Bildern… so schön!
So cool wild zelten am Strand, Ich kann mir ein Leben in Europa auch nicht leisten und bin lieber unterwegs. Lieber jedoch mit dem eigenen Fahrzeug. So ne Geschichte wie deine Mietwagen Odysee kann da nicht passieren. Weiterhin gute Reise, Tobi
Wahnsinnsbilder!!! Wenn so auch mal ein Campingplatz in Deutschland aussehen würde!!
LG
Wahnsinn, schaut toll aus! Überlege ich grade ernsthaft zu buchen für unsere Reise im August. Würdest du eine oder zwei Nächte dort empfehlen? Würde mich über eine Antwort sehr freuen :-) ! LG
Super tolle Fotos, schaut echt traumhaft aus! Ich überlege gerade das Camp zu buchen. Würdest du dort eine oder zwei Nächte empfehlen? Würde mich über eine Antwort freuen :-) LG