Bald geht sie offiziell los, die Festivalsaison 2014. Als kleine Einstimmung gibt es von mir einen Auszug aus meinem Buch „40 Festivals in 40 Wochen“. Mein erstes Mal auf einem Großfestival. Mein erstes Mal bei Rock am Ring und auch nachträglich kann ich nur sagen – es ist der pure WAHNSINN!!!!
Das ist also ein Großfestival. Alle hüpfen wie Flummibälle euphorisch aus den Autos, reißen Beifahrertüren auf, öffnen Kofferräume und ziehen das erste Bier aus der Palette. Sie fangen an Schubkarren, Stockroller oder sich selber zu beladen mit allem, was man eben so braucht auf einem Festival, Pavillons namens „Perpignon“, Dosenpaletten mit Export Bier, Fanta, Cola, Isomatten, Waschkörbe mit Chips und Raviolidosen. Der Klassiker – die Raviolidose. Dazu Gaskocher, Einweggrill, Klopapier.
Scheiße. Ich hab mein Klopapier vergessen.
Gummipuppen, Glätteeisen und Bettzeug in Gelben Säcken. Wahnsinn. Im Hintergrund schreit ACDC „Highway to hell“. Das ist toll, das passt, das hätte ich nicht besser beschreiben können. Der pure Wahnsinn hier. Kaum kommt man in die Nähe von Rock am Ring, hat die wunderschöne Eifel mit ihren Vulkanhügeln und buttergelben Blumen durchquert, sieht und hört man nur noch blaue Sirenen, abwechselnd von Polizei und Rettungswagen. Und sieht Sofas auf dem Standstreifen. Und eine Menge absolut betrunkener und voll bescheuert verkleideter Menschen. 50 000 sind schon da und es ist erst Donnerstagabend. Ich mache den Mund zu und suche mir einen Parkplatz. Einen Zeltplatz brauche ich nicht. Ich packe nichts aus. Ich penne heute im Kofferraum. Nach neun Stunden Autofahrt habe ich keinen Nerv mehr tausend Sachen durch die Gegend zu schleppen. Und ehrlich gesagt habe ich auch keine Lust darauf, dass mir irgend so ein Vollassi an mein Zelt pinkelt, drauf kotzt oder drüber stolpert. Da bleibe ich lieber schön sicher in meinem Auto. Es ist auch schon dunkel, ich bin hundemüde und es ist an der Zeit, diese ganzen Eindrücke im Schlaf zu verarbeiten. Schnell mit einem Feuchttuch das Gesicht reinigen, Zähnchen putzen und ab in die Heia, meine mit Isomatten ausgelegte Rückbank des Autos. Ich schlafe wirklich ausgezeichnet mit meiner Schlafmaske, bis mich ein gleichmäßiges Plätschern aus dem Dornröschenschlaf holt. Regnet es etwa? Ich öffne meine klebrigen Augen, ziehe die Maske vom Gesicht und schaue in einen blauen Himmel. Es ist schon wieder hell. Ich sehe aus dem Augenwinkel eine dunkle Gestalt an meinem Fenster vorbei huschen.
Ich setzte mich aufrecht hin, Brille auf die Nase, jedoch höre noch sehe irgendetwas von der Gestalt. Wird wahrscheinlich irgendein Betrunkener zu seinem Auto gegangen sein, um was zu holen oder das Handy aufzuladen. Parkplatz und Zeltplatz sind hier getrennt. Deswegen komme ich hier in den Genuss der absoluten Ruhe. Fühlt sich fast an wie auf dem Friedhof. Plötzlich rattert es. Ein paar Sekunden lang. Es rattert so laut, dass ich zusammenzucke. Mein Puls erhöht sich. Läuft da draußen ein Amokläufer mit seinem Maschinengewehr rum? Schnell ducke ich mich wieder, liege regungslos auf den umgeklappten Sitzen meines Autos und lausche weiter. Das Geräusch hat sich verändert. Es ist kein lautes Rattern mehr, sondern ein dumpfes, gleichmäßiges Krachen. Ich habe echt keine Ahnung, was das ist. Es ist auch egal was es ist. Es macht mir auf jeden Fall Muffensausen und lässt mir einen kalten Schauer vom Halswirbelansatz bis zum Lendenwirbel herunter laufen und meinen Magen rebellieren. So was habe ich noch nie gehört und alle Sachen, die ich weder visuell, akustisch oder olfaktorisch zuordnen kann, machen mir erst einmal Angst. Das Unbekannte eben. Ich höre genau hin und ich orte das Geräusch. Es ist direkt vor meinem Kofferraum, nur einen halben Meter entfernt. Ich richte mich langsam auf und linse aus der Heckscheibe. Da erkenne ich einen Kopf mit dunklen, kurzen Haaren auf denen ein paar Schuppenflocken schweben. Ich sehe die Gestalt von oben, wie sie in der Hocke sitzt. Am Ende des runden Rückens kommt ein nackter Arsch und aus dem kommt eine braune Wurst raus. Das kann doch nicht wahr sein. Da scheißt einer direkt vor mein Auto. Ich bin für ein paar Sekunden in einem gelähmten Schockzustand und starre auf die Ritze des blanken Arsches. Doch dann packt mich die Wut. Ich penne extra im Auto, weil ich Angst habe man pisst mir ans Zelt und dann scheißt man mir vors Auto! Ich klopfe gegen die Scheibe und fange an zu schreien: „Ey du Arschloch.“ Wenn ich gekonnt hätte, wäre ich aus dem Kofferraum gesprungen, hätte den Typen überwältigt, ihm am Nacken gepackt und seine Nase tief in die Scheiße getunkt. So wie man es bei Hunden macht, wenn sie noch nicht stubenrein sind. Am Nacken packen, Kopf schütteln und schimpfen: „Böser Junge. Ganz böser Junge. Man scheisst nicht vor fremde Autos.“ Ich kann mein Gefährt aber nur aus der Fahrer- oder Beifahrertür verlassen. So sitze ich wie ein hysterisches Äffchen in meinem Kofferraumkäfig und klopfe weiter gegen die Scheibe.
Der Wildscheißer schaut mich jetzt auch an. Er ist vor Schreck umgefallen und liegt mit dem Hosenbein in seinem Scheißhaufen auf dem grünen Gras, während ich nicht aufhöre Rambazamba in meinem Auto zu machen. Wie ich ihn da so hilflos in seinen Exkrementen liegen sehe, bekomme ich ganz kurz Mitleid. Er sieht aus wie ein kompletter Volltrottel. Das ist bestimmt so ein Typ, der in der Kreissparkasse arbeitet und immer zu große Anzüge trägt, die sein Kreuz doppelt so breit wirken lassen als es eigentlich ist. Hauptkommandeur bei der freiwilligen Feuerwehr ist er bestimmt auch, hat Poster mit nackten Weibern an der Klotür hängen und immer dann, wenn er einmal im Jahr sein Dorf verlässt, um Urlaub bei Rock am Ring zu machen, denk er, er könnte die Sau raus lassen oder in diesem Fall die Scheiße. Da hat er sich aber geirrt. Nachdem mich der Wildscheißer sekundenlang mit seinem dämlichen Blick anschaut, als wäre ich eine Reinkarnation seiner toten Großmutter, scheint er sich wieder gefangen zu haben, stützt sich mit einer Hand im Gras ab, zieht sich mit der anderen Hand die Hose halb hoch und rennt weg.
„Du hast deine Scheiße vergessen. Du ARSCHLOOOOOOOOOOOOOOCH“, schreie ich ihm noch aus dem Kofferraum hinterher.
Meine Güte. Noch nicht mal acht Uhr morgens und schon die erste Begegnung der besonderen Art. Das kann ja ein Tag werden.
40 Festivals in 40 Wochen | Von einer, die auszog, das Feiern zu lernen [Broschiert]
2 Kommentare
Sehr amüsant geschrieben, abe rnur al kleiner Hinweis, man tunkt Welpen nicht mehr in die Hinterlassenschaften ;) Nimms besser raus, bevor irgendein Troll was dazu sagt…. Kannst den Kommentar auch löschen, kein Thema :)
Ahahahaha oh man sooo geil. Ich hau mich wieder weg!!