Einen Gletscher begehen – das klingt im ersten Moment gefährlich. Es ist aber vor allem nur eines: verzaubernd schön! Zumindest dann, wenn man es unter Anleitung und auf gesicherten Fußwegen im Natur Eis Palast Hintertux machen darf. Kommt mit mir 25 Meter unter die Skipiste und erlebt ein außergewöhnliches Naturereignis.
Vor meinem Besuch im Natur Eis Palast am Hintertuxer Gletscher war ich noch nie in einem Gletscher drin. Ich wusste weder, dass man so etwas völlig ohne Klettersport auf gesichertem Wege zu Fuß erleben kann, noch wie dermaßen schön es da unten ist. Im Natur Eis Palast habe ich mich also mal wieder einem ersten Mal hingegeben – meinem ersten Mal in einem Gletscher.
Eine Führung im Natur Eis Palast beginnt in einem kleinen Container, der hoch oben am wohl schönsten Aussichtspunkt der Alpen – der Panoramaterrasse vom Hintertuxer Gletscher steht. Auf 3250 Metern bekomme ich hier, direkt neben der Skipiste, zu Beginn der Führung einleitende Worte von unserem Leiter Roman Erler gesagt und einen schmucken Bauhelm aufgesetzt. Zum ersten Mal frage ich mich, wo es denn jetzt eigentlich mit uns hingeht. Denn weit und breit sehe ich nichts, was nach „Gletscherspalte“ schreit. Dabei müsste die doch eigentlich auffallen? Eben nicht! Schüchtern und unaufdringlich versteckt sich der Natur Eis Palast genau genommen direkt unter uns.
Von der Skipiste gehen wir einige Schritte bergab, bis wir zu einer kleinen unscheinbaren Öffnung im Berg kommen. Ein paar in den Schnee gebastelte Stufen führen durch einen Tunnel in den Berg hinein und plötzlich wird alles ganz ruhig um uns herum. Das Gejubel und Gekreische der Skifahrer draußen auf der Piste ist verstummt und ich fühle mich, als hätte ich in einer einsamen Kapelle die Tür hinter mir zugemacht. Eigentlich müsste man sich jetzt verbeugen. Oder einen Knicks machen.
Ich dagegen laufe schnurstracks auf einen Türbogen zu, der sich selbst mit einer wunderschönen Girlande aus Eiskristallen geschmückt hat. Wie einen Schmetterling auf einer Blumenwiese möchte ich sie anfassen und einfangen, doch ich sehe, wie butterzart sie sind. Allein mein Anblick bringt sie schon zum Schmelzen. Ich gebe auf und folge der Gruppe, denn die ist schon beim nächsten Highlight.
Safety first… Mit einer Hand am Handlauf – einem in Eis befestigten Seil zur eigenen Absicherung – stiefle ich weiter in den Berg hinein. Weil der Gletscher bis zu 25 Meter tief liegt, gehen wir hier ein paar Treppen bergab und dort eine Leiter hinunter. Das alles geht locker in Ski- beziehungsweise in Snowboardschuhen. Auch kalt ist es hier unten nicht wirklich: Im Natur Eis Palast herrscht das ganze Jahr über eine konstante Temperatur von circa 0°C.
Ein Highlight nach dem anderen… Als wir über eine kleine Holzbrücke (wir sindwohlgemerkt immer noch IN einem Gletscher drin!!) spazieren, landen wir in einem A-förmigen Raum mit über sieben Meter Höhe! Die Wände sind aus purem, glasblauen Eis und ich flippe ein bisschen aus, denn diesen Hohlraum hier hat die Natur geschaffen. Mir eigentlich auch egal, wer ihn wie geschaffen hat. Tatsache ist, dass dieser Hohlraum und damit auch wir uns gerade 25 Meter unter der Skipiste, mitten im Eis befinden. Ist das nicht der Wahnsinn?
Roman Erler (hier im Bild) hat die Gletscherspalte 2007 rein zufällig während einer Bergtour entdeckt und sie über die Jahre als Natur Eis Palast zugänglich gemacht. Als Begründer der Firma Natursport Tirol ist er quasi vom Fach.
Begeistert und fasziniert versuche ich, dieses Werk der Natur mit der Kamera einzufangen. Doch unser Tourleiter wird nervös – es gäbe doch noch so viel anderes, noch viel Atemberaubenderes auf dieser Tour zu sehen. Und er hat recht. Die kommende Stunde ist ein gigantisches Naturschauspiel. Es ist so schön hier unten, dass eigentlich jeder Versuch, diese Schönheit mit der Kamera festzuhalten, misslingt. Es ist wahrscheinlich einer dieser Momente, in dem man einfach mal genießen und sich darauf einlassen sollte.
Wir sehen beispielsweise eine Wand aus purem Glas – ach nein, Eis! Gut einen Unterarm breit ist sie und doch klarer als Klöschenbrühe. Man kann mich dadurch sozusagen lachen sehen. Mein absolutes Highlight neben all den Eiskristallen, haushohen Eis-Stalaktiten, Höhlen und Gänge ist jedoch der 30 Meter tiefe Gletschersee, auf dem man sogar mit einem Boot fahren kann.
Auf ins Boot! :)
Wer sich also mal wieder überraschen lassen, staunen oder einfach einen kleinen Einblick in die „Glaziologie“ (das Fachwort für Gletscherkunde) bekommen möchte, der sollte auf dem Hintertuxer Gletscher im Natur Eis Palast vorbeischauen.
Hier sind wir nicht hinunter. Aber hier wird geforscht. Denn der Natur Eis Palast beherbergt zwei Forschungsprojekte der Uni Innsbruck.
Fakten:
Das Besondere am Natur Eis Palast:
Geschlossene Höhlen wie im Natur Eis Palast gibt es so nur einmal auf der Welt zu besichtigen. Zwar kann man auch andernorts künstliche Höhlen oder Gletscherspalten begehen – die sind dann aber oft nicht echt und die Gletscherspalten sind in der Regel nur offene Spalten mit einer steilen Wand rechts und links.
Die Lage des Natur Eis Palast:
Der Natur Eis Palast liegt mitten im Skigebiet des Hintertuxer Gletscher (im Tiroler Zillertal) und lässt sich prima zwischen Skiabfahrt und Kaiserschmarrn legen. Doch auch wer nicht Skifahren kann kommt einfachen Fußes hierher. Denn mit den Gondeln „Gletscherbus 1, 2 und 3“ können sogar Fußgänger den Eis Palast erreichen. Nur die Aussicht vom Startpunkt sollte man sie nie-nie-niemals entgehen lassen!
Von Mayrhofen aus erreicht man der Hintertuxer Gletscher beispielsweise in etwa 30 Minuten Autofahrt oder mit dem kostenlosen Skibus Green-line, der alle 20 Minuten verkehrt.
Kosten für eine Tour im Natur Eis Palast:
Besucher des Natur Eis Palasts können zwischen einer 45-minütigen Regular Tour (Erwachsene 8,-) oder einer 70-minütigen Grande Tour (16,-) wählen. Nur Letztere führt an dem besagten Highlight, dem „See der weißen Gletscherflöhe“, vorbei. Dabei lernt ihr dann bei Bedarf auch, warum es unten im Gletscher so mystisch blau schimmert und wie Gletscher eigentlich entstehen. Kinder sollten am Besten in Begleitung einer Aufsichtsperson an einer 45-minütigen Kindertour teilnehmen, die sie in die Welt der Märchen- und Sagengestalten mitnimmt.
„Gletscherspalte“ nennen es nur die Laien… was der Natur Eis Palast anbietet, ist viel mehr ein „geschlossenes System natürlicher Hohlräume, die künstlich miteinander verbunden wurden“. Genau das ist in seiner Art einmalig.
Vom Gletscher wieder ausgespuckt ist auf einmal alles wieder ganz hell und laut.
Vielen Dank für die Unterstützung an den Tourismusverband Mayrhofen-Hippach.
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