Eigentlich hatte ich alles für die Reise. Mein flow-Magazin, aus dem ich in den bevorstehenden zwei Wochen alle Artikel aussaugen wollte und das Buch „Der Fänger im Roggen“, welches ich von meinem Co-Blogger Michael zum Geburtstag geschenkt bekommen habe. Drei Stunden vor Abflug auf die Malediven sind wir in den kleinen Buchladen bei uns um die Ecke. Paul wollte sich noch zwei Bücher besorgen, für den Urlaub. „Er ist wieder da“ und “In den Gangs von Neukölln“. Ich schlendere durch die Regale und da lag es. NOT THAT KIND OF GIRL von Lena Dunham. Ich konnte nicht daran vorbei. Eigentlich mag ich gar keine Hardcoverbücher. Vor allem nicht für den Urlaub. Aber ich musste es kaufen und schon in der S-Bahn habe ich die ersten Seiten verschlungen.
“Oh Gott ist sie gestört“, dachte ich mir. Ab Seite 24 erfuhr ich alles bis ins kleinste Detail über ihr Sexleben und ihre Entjungferung. Kurz war ich mir nicht sicher ob ich „Feuchtegebiete“ oder wirklich NOT THAT KIND OF GIRL gekauft habe. Irgendwie kam sie mir vor, wie ihre Filmfigur, eben die Filmfigur aus ihrer Serie “Girls”, mit der ich mich überhaupt nicht identifizieren konnte. Zu viel Pillen, die sie nimmt, zu viele komische Angewohnheiten, zu viele Neurosen… Doch je mehr Seiten ich las, desto mehr verstand ich sie. Ich wurde warm mit ihr und ich habe mich in vielen Situationen wieder ein Stück selbst entdeckt, in einer Frau, die ich 100 Seiten vorher sofort eingewiesen hätte. Ich muss an meine Zeit nach dem Studium denken, von der sie auch viel berichtet, als ich ein Praktikum bei einem bekannten deutschen Modemagazin gemacht hatte. Es war nett jeden Tag dort hinzugehen, all die schönen Dinge zu sehen und ein einfacher Job. Doch mir fehlte etwas. Genauso wie Lena, als sie nach dem Studium einen Job in einem Luxusbekleidungsgeschäft für Kindermode hatte.
„Doch Ehrgeiz ist etwas Merkwürdiges: Er packt dich, wenn du am wenisgten damit rechnest, und treibt dich an, auch wenn du glaubst, dass du nicht weiterwillst. Ich vermisse es Dinge zu erschaffen, den Sinn, mit dem es diesen langem Marsch namens Leben versah.“
Ja, auch ich hatte diese absoluten verlorenen Phasen in denen ich jeden Tag aufgewacht bin und mich gefragt habe: Was wird nur aus dir werde, liebe Christine.
Außerdem teile ich mit der Autorin meine Angst vor dem Tod, der mit meiner Verlustangst Hand in Hand geht. Jeden Tag habe ich Angst, zu viel vor zu vielen Dingen, aber ich stehe sie durch. An besonders guten Tagen, wenn ich viel Energie habe und meistens weit Weg von zu Hause bin, mache ich richtig verrückte Sachen. Damit ich mir selbst beweise, dass ich die Angst noch im Griff habe.
Lena lässt sich und alle anderen in ihrem Leben sprechen. Ich glaube am meisten verbunden fühle ich mich mit ihrer 100-jährigen Tante namens Doad, weil sie in einer Hinsicht genauso Sachen sieht, wie ich: Man muss die Dinge nehmen, wie sie kommen.
“Sie ist hundert und hat die Energie einer Frau Anfang achtzig. Obwohl ihr Körper bei den meisten Aktivitäten nicht mehr mitspielt, strickt sie noch, schnitzt und spielt Orgel. Sie hat die Yankee-Einstellung, die Dinge zu nehmen, wie sie kommen. Für sie ist Krebs so ähnlich wie ein Einkaufszentrum, das vor der eigenen Haustür hochgzogen wird: eine lästige Überraschung, aber was soll man machen?”
Jetzt weiß ich auch, warum ich die Natur und das Land liebe und trotzdem in der Stadt wohne. Die Stadt hält meine Ängste und Gedanken in Schach. Die Natur ist wunderschön, doch manchmal gibt sie mir zu viel Raum für Sorgen.
Ich mag das Buch, weil so viele Weisheiten in den Texten versteckt sind. Es gibt dem Leser die Zuversicht, dass es immer weiter geht. Dass das Leben aus Phasen besteht und dass nach Regen Sonnenschein kommt. In den Regenphasen kostet das Leben etwas mehr Energie. In diesen Phasen muss man immer wieder von neuem Anfangen und kämpfen. Seine Ziele erreichen und nicht auf andere schauen und wissen, wann man selbst zufrieden ist und nicht auf andere hören. „Verlangen ist der Feind der Zufriedenheit“, dass ist wohl der schönste Satz im ganzen Buch, den ich mir besonders zu Herzen nehme.
Not That Kind of Girl: Was ich im Leben so gelernt habe
Gebundene Ausgabe – 7. Oktober 2014
von Lena Dunham
7 comments
Ein sehr direktes und schonungsloses Buch, aber sehr unterhaltsam. Zudem eine schöne Selbstspiegelung, die zeigt, dass jede Frau doch so ihre Problemchen hat und hinter viel Schminke so manche Selbstzweifel stecken.
Ja, stimmt!
Wie geil braungebrant sind deine Hände! Der Hammer! :-D
Und erst die Füße!
Ich glaube ja, dass sie in GIRLS wirklich sich selbst spielt. Immerhin schreibt sie die Serie ja auch. Und in GIRLS ist sie mir super unsympathisch. Ich kann mich mit dieser “Stimme meiner Generation” auch kein Stück identifizieren. Daher spricht mich ihr Buch jetzt erstmal nicht an. Aber was du beschreibst, klingt wirklich gut. Ich hätte gerne die zensierte Version ohne die detaillierten Sexszenen, auf die habe ich echt keine Lust. ;)
Hallo Christine,
ein tolles Buch wie es scheint und irgendwie sehr beruhigend, dass noch andere Menschen sich mit denselben Ängsten rumschlagen, die ich auch habe! Manchmal ist es einfach schön zu hören, dass da draußen noch andere sind, die dasselbe denken und/oder fühlen.
You made my day! Danke dafür,
liebe Grüße von
Kaddi
Nicht dafür ;)