Jeder, der sich die Fähigkeit erhält, Schönes zu erkennen, wird nie alt werden.
Franz Kafka (1883 – 1924)
Mit diesem Zitat von Franz Kafka beginne ich meinen Bericht über Prag. Warum? Weil Praha, wie es die Tschechen nennen, Kafkas Heimat war… ihn zu Lebzeiten aber nie wertschätzte und nun alle einlädt sein Werk zu ergründen. Dadurch, dass er die deutsche Sprache sprach, gehörte er zur Minderheit in Tschechien und die meisten Menschen konnten seine Ergüsse auf sprachlicher Basis schlichtweg nicht verstehen. Bekannt wurde er erst lange nach seinem Tod. Außerdem fordert mich die Stadt heraus Schönes zu erkennen und wertzuschätzen, wozu Kafkas Zitat so schön anregt. Denn Prag hat für mich ganz klar atemberaubend schöne, aber auch unattraktive Seiten. Warum es sich aber in jedem Fall lohnt sich die Hauptstadt von Tschechien einmal näher anzuschauen, erkläre ich euch hier.
Neben den ganzen kulturellen Einrichtungen rund um Franz Kafka hat ein Kurztrip nach Prag einiges mehr zu bieten: wunderschöne Architektur, Sonnenschein im Mai, deftiges tschechisches Essen, leckeren Apfelstrudel und natürlich Bars, Clubs und jede Menge Sehenswürdigkeiten.
Ich verbringe nur zwei Tage in der Hauptstadt Tschechiens und werde mit strahlendem Sonnenschein begrüßt.
Natürlich habe ich mich auf meiner Radtour durch Tschechien schon ein bisschen darüber informiert, was ich mir alles angucken muss. Also geht es an meinem ersten Tag auf direktem Wege ins Café Imperial im Grand Café Stil. Das Imperial ist ein traditionelles Hotel direkt im Zentrum von Prag. Das Restaurant des Hotels ist pompös, es gibt viel zu sehen und so brauche ich gar keine Unterhaltung, sondern beobachte einfach das bunte Treiben. Neben mir speist hier ein sehr gemischtes Publikum. Geschäftsmänner und -frauen beim Lunch, Touristengruppen und Freunde, die gemeinsam einen Kaffee trinken. Ich fühle mich in diesem Ambiente direkt wie in einer vergangenen Zeit während ich mein typisch tschechisches Mittagesse genieße: Hovězí svíčková na smetaně s houskovými knedlíky a brusinkami!
Das sagt euch nichts? Geschmortes (filetartiges) Rindfleisch in sahnig-fruchtiger Sauce mit Knödeln und Cranberries. So lecker! Natürlich schmeckt im Café Imperial sowieso so gut wie alles… das Auge isst halt mit.
Typisches tschechisches Mittagsgericht
Mit gut gefülltem Magen geht es dann auf meine eigene Entdeckungstour. Ich bin in Prag – aber genau so stelle ich mir Paris vor. Kleine, verwinkelte Straßen mit wunderschönen, bis zum Himmel ragenden Häusern. Die Häuser sind so unfassbar hoch, dass man beim Hinaufschauen in mindestens drei Leute hineinläuft. Leider ist Prag nämlich ziemlich voll. Voll mit Touristen. Ich muss meine Kamera weit über meinen Kopf halten um schöne Bilder von der Architektur der Hausfassaden zu machen.
Fast alle Menschen, die ich anspreche um zu erfahren ob sie Locals sind, verneinen. Bis ich schließlich erschöpft einen um den 40-jährigen Mann in einem Park treffe. Er erzählt mir, dass er seit inzwischen 12 Jahren mit seiner Familie in Prag wohnt. Ich beglückwünsche ihn zu der tollen Stadtatmosphäre, der Schönheit der Bauten und den super Anbindungen. Die Bahnen fahren hier nämlich in weniger als 20 Minuten quasi überall hin und in der Innenstadt ist alles fußläufig zu erreichen. Seine knappe Antwort ist, dass das nicht reicht für lange Zeit. Für zwei Wochen Urlaub ja, aber für ein Leben reiche Prag ihm nicht. Prag ist wunderschön und das Leben hier ist relativ einfach, sagt er, aber es liege an den Tschechen selbst, dass das Leben hier nicht besonders reizvoll ist. Die Tschechen seien langweilig. Sie können nur saufen, rauchen und leben und haben kein Gespür für die schönen Dinge. Selbst die Architektur genieße niemand, der hier lebt.
Irgendwie verstehe ich ihn. Also, ich will nicht anmaßend klingen – ich war ja jetzt wirklich nur kurz in Prag. Aber ich versuche es mal zu erklären:
Meine Sightseeing-Tour am nächsten Tag beginnt mit einem quietschfidelen Führer ungefähr in meinem Alter, der aus England nach Prag gezogen ist und uns verkündet: „There is no better place than Prague!“ Das Warum folgt sofort und diese Rede, warum Prag der schönste Ort zum Leben sei, beginnt nicht etwa mit der Sauberkeit, der Organisation, der Architektur der Stadt, sondern mit den Bierpreisen, dem einfachen Grund, dass man in Bars rauchen darf und dass quasi jeder zweite Einwohner hier Alkoholiker ist. Herzlichen Glückwunsch.
Der Guide erzählt uns, dass er bei seinem Bewerbungsgespräch morgens um elf schon mit seinem jetzigen Chef zum Bier trinken verabredet war. Er stellt es folgendermaßen dar: Ein Tscheche trinkt vor der Arbeit ein Bier, in der Mittagspause, nach Feierabend und erst das, was nach dem Abendessen an Alkohol konsumiert wird zählt als “proper drinking”. Aha. Schon lustig irgendwie, aber reicht das als Kriterium, wenn es darum geht wie lebenswert eine Stadt ist?
Im Anschluss laufe ich mit meiner Gruppe drei Stunden durch Prag und wir sehen die schönsten Ecken: das jüdische Viertel, die Neustadt, die Altstadt, die Moldau, die Brücken – es ist wirklich, wirklich wunderschön! Übrigens sind auch die tschechischen Kronen – das Geld hier – super schön. Ich empfehle sich vor einer Reise nach Tschechien eine Währugsrechner-App aufs Smartphone zu laden. Es kann ein bisschen verwirrend sein! 1€ entspricht (mal mehr und mal weniger) 27 CZK. Also ist man bei 86 CZK für ein Päckchen Zigaretten mit nur 3,15€ dabei! Wahnsinn! Kein Wunder, dass hier alle rauchen.
Kleine Synagoge in Prag
So genieße ich also auch nach meiner Sightseeing-Tour das Wetter während ich den Fluss entlang durch Prag schlendere. Ich kann wirklich jedem empfehlen, die Stadt zu Fuß zu erkunden, denn es gibt so viele kleine süße Ecken, an denen man stehen bleiben und innehalten möchte. Die vielen hippen Cafés laden zu einer entspannten Tasse Kaffee in der Sonne ein und zu sehen gibt es auch immer irgendetwas oder irgendwen.
Da die Tschechen ja so bekannt für das Bier trinken sind (wer es nicht wusste: die Tschechen führen im Kampf um den weltweit höchsten Bierkonsum mit um die 160 Liter pro Kopf & Jahr), gebe ich dem Nachtleben eine Chance und stelle Kontakte zu ein paar Freunden von Freunden her, die hier leben.
Ich werde zu einer Outdoorparty auf den wohl schönsten Aussichtspunkt in Prag geschleppt. Von dort oben sieht man die schöne Altstadt glitzern und funkeln. Wow, was für ein Anblick! Die Atmosphäre stimmt und die Menschen sind nett. Viele kennen sich untereinander und überall stehen Grüppchen herum, die meist auf Englisch miteinander sprechen. Die meisten sind wohl zugezogen.
Trotzdem scheinen sich alle recht gut auszukennen und ich werde von Bar zu Bar geschleppt bis ich schließlich in meinem Hotel an der 360° Bar lande, einen Gute Nacht-Drink nehme und Resümee ziehe, bevor ich nach einer kurzen Nacht am nächsten Morgen wieder in den Zug nach Berlin steige.
Fusion Hotel Prag
Prag ist schön und Prag hat viel zu bieten. Aber reicht mir das? Wenn ich über meine Heimatstadt Bremen oder Berlin spreche, dann eigentlich immer im guten Ton, denn sonst hätte ich mich ja nicht dafür entschieden dort für längere Zeit zu leben. In Prag urteilen die Menschen sehr unterschiedlich, aber betonen fast immer, dass vieles nur Schein für die Touristen ist. Das muss nicht unbedingt schlecht sein und wahrscheinlich muss jeder selbst entscheiden, wie er oder sie seinen Urlaub in Prag gestalten will. Doch eines ist ganz klar: das, was uns hier im Stadtzentrum präsentiert wird, die Freundlichkeit, die Masse an Bars und Cafés und die perfekt sanierten und zugänglichen Sehenswürdigkeiten, sind nur für uns Besucher gemacht.
Platz vorm Rudolfinum in Prag
Jede Straße hier ist in einer anderen Farbe gehalten
Geschlossenes Geschäft im Stadtzentrum
Kleiner Kanal in einer Seitenstraße
Überall imposante Sehenswürdigkeiten
Alles sieht so prachtvoll aus!
Vielen Dank an CzechTourism und das Fusion Hotel für die Unterstützung.
10 Kommentare
Hallo Christine,
ein zum Nachdenken anregender Blogbeitrag! Ich war nur einmal kurz in Prag, die Altstadt, die schönen Bauten – das hat mir alles sehr gut gefallen. Ein kurzes Wochenende oder ein Urlaub ist sicher etwas Anderes, als in einer Stadt oder Region zu leben. Am Anfang ist alles neu und spannend. Die Sehenswürdigkeiten werden von ihrer schönsten Seite präsentiert. Es ist gut, wenn du deine Lieblingsstadt mehrmals und zu allen Jahreszeiten besuchst.
Schön, dass du auch versucht in das Lebensgefühl von Prag einzutauchen. Um in einer Stadt zu leben, muss sie vieles bieten: bezahlbaren Wohnraum, Arbeitsplätze, kulturelles Leben usw. Ich liebe z.B. London und New York und würde gerne einige Zeit dort leben. Allein die Wohnungen sind dort mittlerweile derart teuer, dass das wohl eher schwierig wird.
In Deutschland würde ich am liebsten in meiner Lieblingsstadt Hamburg wohnen und leben.
Liebe Grüße
Renate
Hallo Renate, danke für das Kompliment. Ich weiß nicht, zwischen Prag und mir hat es irgendwie nicht direkt gefunkt. Aber das heißt nicht, dass ich es überhaupt nicht mag! Lieben Gruß, Pia
Völlig richtig. Ich bin Tschechin, war schon so oft in Prag mit meinem damals noch deutschen Exmann, mit meinem neuen Freund, mit Familie und Freundin, Prag ist wunderschön und hat sehr viel zu bieten – aber vorallem den Touristen. Ich habe viele Freunde, die in Prag leben, manche davon sind erfolgreiche Ärzte und Rechtsanwaälte, die an Prag vor allem schätzen, dass man viel kulturelle Erlebnisse hat (Museen, Ausstellungen), aber über die Qualität des Lebens in Prag haben wir nie ausführlich gesprochen, denn wie das ganze Tschechien, hat auch Prag erhebliche Probleme, was Geld betrifft, was Struktur betrifft und überhaupt, viel in Tschechien läuft noch wie vor 25 Jahren – also nicht ganz gut. Für Touristen scheint Prag wirklich wunderbar zu sein, aber im vergleich mit Paris, München oder Barcelona muss noch viel nachgeholt werden – vor allem menschlich für eigene Bewohner !!! Weil die bekommen wirklich nicht viel davon.
Hallo Jarmila, vielen Dank für deinen Kommentar! Ich hatte Angst, dass ich mich mit meinem Artikel zu weit aus dem Fenster lehne. Schön, dass du meinen Eindruck bestätigst! Lieben Gruß, Pia
Hi Christine,
Nice blog about Prague! I agree, it is hard to get to know a city in only a weekend, especially if you want to do two things in one. (tourism and getting to know a city to see whether you can live there)
In the center you will not find too many people who live in Prague, as the Czechs will not go to the center, and the locals with foreign roots will try to get out of the center during the weekends.
There are so many reasons why Prague is a nice city to live in, without considering the alcohol or the smoke. Life is slightly more relaxed, especially if you compare it to other capitals in Europe. There are lots of young people doing the work-hard-play-hard lifestyle, and also outside the center people are quite approachable and helpful. There are lots of jobs, mostly language related, and in customer service-like environments. These jobs don’t pay a lot to international standards, but will give you a nice life and a kickstart for the beginning of your career. Prague tends to attract people who are still figuring out what they want to do with their life. These people then will stay for a year, for 5 years, of forever.
Although I agree with you that Czechs usually don’t appreciate the beauty of the center of Prague, the center was not constructed only for the eyes of the tourist. Almost every center of every city in Czech Republic looks nice and colourful with little corners and paintings on buildings.
Prague is a great city, both for tourism, and for living. But people need to keep in mind that they understand why they are living there, and if the goal is fulfilled, it is time to leave.
I hope that this helps for the ones who are potentially making a choice whether to live there or not.
Liebe Grüße,
Leontine
Den Bericht finde ich nicht schlecht, auch wenn ich manches anders sehe. Da Prag nicht weit von Dresden entfernt ist, bin ich ziemlich oft da gewesen. Auch schon zu den Zeiten vor der Wende. Eigentlich fange ich beim kennen lernen einer neuen Stadt, nie mit den Sehenswürdigkeiten an, sondern, gehe da hin, wo wenig Touristen sind und man mit Einheimischen in Kontakt kommt. In Prag war das damals anders. Es war wie in einer anderen Welt und die Vielzahl an Sehenswürdigkeiten war immens. So ist man bei jeden Besuch Prags durch die Touristischen Zentren gegangen und Abends hat man geholfen, das der Bierverbrauch der Stadt auf hohem Niveau geblieben ist. Meist hat man das im U Flecku gemacht. Später hat man dann das Umfeld erweitert und damit begonnen, mit einheimischen in Kontakt zu kommen.Übrigens gibt es ein sehr schönes Buch, welches die Prag besuche aus Ostdeutscher Sicht zur damaligen Zeit exakt beschreibt und auch viele Geschichten über Prag enthält. Das buch heißt “Immer alt und immer neu” Prager Impressionen. Geschrieben von Gertrud Bradatsch erschienen im VEB Hinstorff Verlag Rostock 1981.
Inzwischen ist man etwas älter geworden und man hetzt nicht mehr von einer Sehenswürdigkeit zur nächsten. Das meiste kennt man, doch es gibt noch unendlich viel, was man mit Sicherheit nicht kennt.Doch das sollen jetzt Zufallsentdeckungen sein. Manches Mal sitze ich auch nur an einem höher gelegenen Punkt und schaue auf die ” Goldene Stadt” Das Prag zwei Seiten hat, kann ich schon bestätigen. Das Leben als Prager ist härter geworden und nicht jeder ist ein Gewinner. Aber wo ist das nicht so? Ich finde es gut, das die Prager ihre Mentalität bei behalten haben. Egal ob sie zu denen gehören, welche wirklich zu kämpfen haben, oder zu denen denen es Wirtschaftlich sehr gut geht. Wichtig, neben den Sachen die überall wichtig sind, ist dem Prager, sein Bier, seine Kultur und seine Zugehörigkeit zu Prag. Zumindest von Montag bis Freitag. Die Freundlichkeit gegenüber Prag Besuchern, hat meines empfinden nach, auch nicht nach gelassen. Auch in der Umgebung Prags, gibt es wunderschöne Plätze und Städte. Übrigens ist mir gerade ein Platz eingefallen, wo ich noch nicht gewesen bin. Im Prager Zoo. Das werde ich auf jedem Fall nach holen, weil er sehr schön sein soll. Also Prag ist immer einen Besuch wert. Wer erst mal einen Kurzbesuch macht, wird mit Sicherheit zurück kommen.
Hallo Andreas,
danke für deinen ausführlichen Kommentar! Du hast Recht, meistens ist es beste Weg nicht von Sehenswürdigkeit zu Sehenswürdigkeit zu rennen. Und es stimmt aber auch, dass die Sehenswürdigkeiten halt im Zentrum von Prag liegen und man ihnen deswegen kaum entgehen kann.
Trotzdem bedeutet dieser Artikel nicht, dass ich einen Strich unter Prag gezogen habt. Ich werde bestimmt nochmal dorthin und mir einen zweiten Blick ermöglichen!
Lieben Gruß,
Pia