Primark hat es mal wieder in die Schlagzeilen geschafft. Der Laden, der nach nettem Chemielabor von nebenan stinkt, wenn man ihn betritt, steht dick und fett auf den Titelseiten der Zeitungen. Vor ein paar Tagen zeigte eine Irin stolz ihr Kleid von Primark in die internationalen Kameras. Warum? Nein, nicht weil sie die Stickerei so toll fand, sondern weil sie in diesem Kleid eine versteckte Botschaft fand. Eine Botschaft von einer Näherin, die SOS rief.
Dies war allerdings nicht der erste Fund, der aus dem Hause Primark stammt. Dreimal wurden bisher schon kleine “Warnrufe” in den Billigklamotten der irisch-englischen “Marke” gefunden. Eine von ihnen wurde aus dem Chinesischen übersetzt und bedeutet so viel wie: Der Näher und seine Kollegen seien in einem Gefängnis und müssten wie die Ochsen arbeiten, ihr Essen wäre selbst für Tiere ungenießbar.
Das klingt nach einer echten Warnung. Primark produziert in China, Indien, der Türkei, Bangladesh und weiteren Entwicklungsländern. Dort ist die Supermarke schon mehrere Male durch Kinderarbeit, unzumutbaren Zuständen und letztlich durch das eingestürzte Haus in Bangladesh “bekannt” geworden. Und jetzt das. Näherinnen schicken Informationen an diejenigen, die die Kleidung kaufen.
Bestürzung hin oder her und auch wenn mittlerweile noch nicht einmal klar ist, ob dieser Notruf jetzt ein Fake oder die Wahrheit war, ist denn wirklich jemand von einer anderen Situation der Primark Näherinnen ausgegangen?
Erst vor kurzem war ich in dem Primark in Berlin. Mich interessierte was sich in diesen hässlichen braunen Plastiktüten befindet, die die kleinen Mädels und Jungs durch Berlin schleppen. Ich betrat den Laden und wurde fast ohnmächtig. Eine Chemiewolke kam mir entgegen und ich war erschlagen von den Massen, die sich durch die Wühltische und Kleiderständer kämpften, auf der Suche nach dem Schnäppchen. Schnäppchen ist ein gutes Stichwort, denn die gibt es hier ohne Ende und dafür braucht man noch nicht einmal einen Herztod am Grabbeltisch erleiden. Hier gibt es T-Shirts für 1,50 €, Schuhe für 5 € und Hosen für einen Zehner. Die landen dann im Beutel, den besonders junge Einkäufer stolz durch den Laden ziehen. Das sind riesige Beutel, die meist am Eingang ausliegen und mit dem Einkaufswagen beim Aldi verwand sind, nur ohne Rollen, dafür mit zwei Henkeln.
Ich stelle mich in den Laden und beobachte das Geschehen. Sachen werden an den Körper gehalten, um zu schauen, ob sie passen, denn die Schlangen an der Umkleide sind mindestens drei Kilometer lang. Bei Primark ist es übrigens auch verboten sich schnell mal in die Ecke zu stellen und den Pulli über zu schmeißen. Viel einfacher ist es also, sich an die Kasse zu stellen, auf das Aufrufen wie im Arbeitsamt zu warten und die 50 Stücke für 50 € einfach mal mitzunehmen. Umtauschen kann man ja immernoch.
Besonders schlecht wird mir, als ich die Schuhabteilung betrete. Die Regale sind bestückt mit Schuhen in allen Farben und Formen, die Luft ist unangenehm verpestet mit einem Geruch aus Chemie, Fußgeruch und den Kleberrückständen, mit denen die Sohlen der Schuhe befestigt wurden. Zwischendrin herrscht reger Betrieb und um sich fortbewegen zu können, muss ein Slalom und Hindernisslauf über die aufgetürmten Berge von bereits anprobierten Schuhen bewältigt werden.
Wer Primark betritt, muss mit Unordnung, Gestank und viel zu vielen Menschen rechnen. Letzteres stimmt mich nachdenklich. Was ist es, das die Menschen immer und immer wieder in einen Laden zieht, der augenscheinlich aus Ausbeute und schlechten Arbeitsbedingungen seinen Profit mit viel zu günstigen Kleidungsstück erzielt? Je fairer die Arbeitsbedingungen für die Näher und Näherinnen in Ländern wie Kambodscha, China oder Indonesien, desto höher der Preis und hier hört der Spaß für viele Menschen auf. Da geht es um eine ganz einfache Frage: Warum soll ich mir das T-Shirt für 20 € kaufen, wenn ich es bei Primark für 2 € bekommen kann? So ist es nun mal bei den meisten Menschen… Genauso wie bei Lebensmitteln steht bei vielen der Preis vor der Qualität. An die Herstellunsgart denken die Wenigsten…
Man könnte meinen, dass der Fund der Irin dieses Bild nun ändert. Allerdings glaube ich das nicht. Wer bis heute nicht weiß, dass ein T-Shirt für 5 € garantiert nicht unter den besten Bedingungen hergestellt wurde, der tut mir leid. Aber leider beginnt auch genau hier das große Problem: der größte Teil unserer Gesellschaft wird es sich nie leisten können seine Kleidung aus ausschließlich fairen Läden zu beziehen.
Doch, könnten sie vielleicht schon, aber nicht wollen, denn das bedeutet sich einzuschränken. Nur ein Shirt kaufen anstatt 5. Viele finde es schön sich jeden Tag ein neues Outfit anzuziehen, dass man dann nach dreimal waschen beruhig in den Müll werfen kann, denn es kostet ja nur 2 Euro. Und wie leicht ist es einfach nicht darüber nachzudenken, wo es herkommt…
Wir alle kennen die Berichte über die großen Fabriken großer Firmen, in denen Menschen unter uns unbekannten Konditionen arbeiten. Wir wissen, dass diese Menschen wenig verdienen, viel zu viel arbeiten und jenseits eines angenehmen Arbeitsklimas arbeiten. Ich weiß aber auch, dass diese Arbeit für viele Menschen ein Einkommen darstellt, das der Familie hilft über die Runden zu kommen. Die chinesischen Familien, die zur Unterschicht gehören, sind auf jegliches Einkommen angewiesen. Das macht es wiederum einfach für die großen europäischen Firmen Arbeiter zu gewinnen. Bis hierhin ist in meinen Augen alles in Ordnung. Fabrikarbeit gibt es auch in Deutschland. Trotzdem verstehe ich es nicht, dass eine Firma wie Primark, die riesige Profitzahlen schreibt und einen Laden nach dem anderen öffnet, ihre Arbeiter unter solchen Bedingungen arbeiten lässt. Was gibt diesen Firmen das Recht so mit Menschen umzugehen?
Was sollen wir denn jetzt tun? Wir könnten Primark boykottieren. Dabei gibt es ein Problem. Was passiert mit den Arbeitern, wenn keiner ihre Kleidung kauft? Die Firma wird langsam anfangen Stellen abzubauen und das, so traurig es auch ist, stellt für viele Näher und Näherinnen ein größeres Drama dar, als ihr eigentlicher Arbeitsalltag. Wir könnten ebenfalls so tun, als ob nichts gewesen wäre und weiterhin bei Primark einkaufen gehen. Dabei wird mir allerdings schon ganz schlecht in der Magenkuhle.
Vielleicht gibt es ja einen Kompromiss, ein langsames Umdenken. Ohne Nachfrage kein Geschäft. Vielleicht können wir alle öfter auf den Herstellungsort unserer Kleidung schauen und auch über die Bedingungen nachdenken. Wenn Menschen bereit sind mehr für ihre Kleidung auszugeben und sich dafür interessieren, wo und wie sie produziert wird, bleibt vielleicht auch irgendwann mehr für die Menschen am Ende der Kette übrig – die Arbeiter. Und wir sollten uns jedes Mal, wenn wir ein Teil in der Hand haben fragen: Brauche ich das wirklich, oder nicht? Kaufe ich es mir nur, um einem Trend mitzumachen oder weil mein altes Shirt kaputt gegangen ist? Einfacher gesagt, als getan. Was mir bleibt ist die komplette Überforderung gegenüber diesen Themas. War dieses Schild nur Fake oder Wahrheit? Können die Arbeitsbedingungen für die Näherinnen von Primark jemals besser werden? Und was kann ich dafür tun?
13 Kommentare
Anne, ich bin mit deiner Meinung vollkommen einverstanden. Auch ich erhoffe mir ein Umdenken der Menschen. Auch ich bin kein grosser Fan von Primark und finde die Preise lächerlich. Das Problem ist aber, dass die Arbeitsbedingungen für teure Marken wie z.B. Hilfiger und Co. auch nicht besser sind. Dort sind einfach die Margen höher.
Sprich, wohin kann ich denn bitteschön gehen? Wo kann ich mir schon sicher sein, dass die Arbeitsbedingungen gut sind? Die Kleidungsindustrie ist so auf die Billiglohnländer gepolt, dass es für uns Endkunden sehr schwierig ist, dort durchzuschauen (Es gibt natürlich Ausnahmen, wie trigema, aber der letzte Schrei sind diese Stücke halt auch nicht…)
Ich bin für jeden Tipp dankbar, wenn mit jemand Marken nennt, die zu menschenwürdigen Umständen herstellen und deren Kleidung für junge Menschen ansprechend ist. Wenn ihr auch keine kennt, gründe ich jetzt einfach mal mein eigenes Unternehmen :-)
Hi Svenja, danke für den Zuspruch :) Auch ich bin im Sumpf der Klamotten verloren. Vielleicht nimmt das ein Unternehmer als Startup Idee auf und gründet eine coole nachhaltige Kleidungsfirma!
Bis jetzt bin ich auch noch überfordert mit dem Thema und höre das auch ständig in meinem Umfeld. Und ich kann mich selbst nicht freisprechen, weil ich auch schon ein paar (wenn auch sehr wenige) Male bei Primark war und dem Billig-Rausch erlag, das muss ich zugeben. Das Einkaufen dort macht Spaß, weil sie supermodische Klamotten haben, die so billig sind, dass ich nicht groß drüber nachdenken muss, ob ich es mitnehmen soll. Dass sich auf diese Weise eine Wegwerfgesellschaft etabliert, ist schlimm. Wie es den Arbeitern in den Textilfabriken geht, darüber denkt man nicht nach. Genauso wie man als Raucher nicht an Krebs denkt. Oder wie es dem Hähnchen aus dem Discounter ging. Man verdrängt es, es ist zu weit weg und unbequem. Das soll keine Rechtfertigung sein, aber ich kann es eben auch teilweise nachvollziehen.
Ich mag diese grundsätzliche Schwarz-Weiß-Malerei bei dem Thema aber auch nicht und wie sich die Leute plötzlich wieder kurzzeitig aufregen als ob es so eine Überraschung wäre, dass ein Shirt für 3 Euro nicht fair produziert wird (wie Du schon schreibst).
Das Problem, was ich vor allem habe, ist, dass kaum Alternativen bekannt sind: Wo krieg ich denn faire Kleidung? Modisch und halbwegs bezahlbar?
Was passiert mit den Arbeitern, wenn keiner mehr bei Primark kauft? Wie kann man denen helfen? Wer glaubt, dass Esprit &Co. besser produzieren, nur weil kein “Made in…”-Hinweis in den Klamotten stecken (wie z.B. bei H&M) und die Shirts locker das fünffache kosten? Erkaufe ich mir somit ein gutes Gewissen? Gibt es entsprechende Label und Gütesiegel, denen ich trauen kann? Ähnliche viele Fragezeichen hast Du ja auch in Deinem Artikel.
Aber da ist halt leider auch ziemlich viel Doppelmoral in der ganzen Diskussion. Und dass ich bisher noch keinen guten Artikel oder Reportagen dazu mit entsprechenden Hinweisen gesehen habe (Links bitte sonst gerne teilen, würde mich sehr freuen!), scheinen sich andere da wohl auch mit schwer zu tun.
Ich habe die Diskussion (die Nachricht um die SOS-Schildchen – ob fake oder nicht – hat mich schon ziemlich schockiert) jedenfalls zum Anlass genommen, mal gezielter nach Antworten zu recherchieren, da man diese eben nicht – wie H&M-Reklame – ständig auf dem Silbertablett serviert bekommt. Entsprechende Shops müsste man einfach besser publik machen, Alternativen aufzeigen. Und wenn ich dann wenigstens einen Teil meiner Kleidung fair kaufe, ist doch schon ein Schritt getan.
[Und mit allem hier meine ich natürlich nicht Dich persönlich, sondern generell, und soll in keinster Weise ein Angriff whatsoever sein.]
Hi Verena! Da stimme ich dir voll und ganz zu. Es müsste viel mehr Informationen, und damit meine ich wahre Informationen, über die Herkunft unserer Kleidung geben. Aber auch da denke ich mir, dass es in unserer Gesellschaft vielleicht fast schon zu spät ist, um die Gedanken an die Menschen, die unsere Kleidung herstellen, zu etablieren und zu sensibilisieren oder?
Bei vielen anderen Marken ist es doch nicht viel anders, letztendlich kann nur der Verbraucher etwas ändern und höherwertige Produkte zu fairen Bedingungen beziehen, die Firma Trigema ist hier ein gutes Beispiel. Doch leider ist dieser Prozess sehr langwierig, wir leben in einer reinen Konsumgesellschaft. Frei nach dem Motto: Ich möchte einen Porsche, aber bitteschön zum Preis eines Dacia. Im Lebensmittelbereich ist es doch nicht viel anders. Die Leute möchten möglichst viel Bio – stehen diese jedoch an der Fleischtheke – in der linke Hand ein 300g Steak aus nachhaltiger Landwirtschaft für 6,99 Euro und in der rechten Hand die 4er Packung 2kg für 4,99 Euro aus konventionellem Anbau – Welches Angebot kommt in den Einkaufskorb? Richtig. Zu 80% landet die 4er Packung im Korb.
Ich bin der Meinung. Wer das nächste Mal wieder 5 T-Shirts für 5 Euro oder auch 10 Euro kauft, der kann sich auf die Schulter klopfen und sagen: ,,Jetzt kann ich wieder stolz sein, wieder war ich so egoistisch und habe etwas für die Ausbeutung getan.
Die Unternehmen tragen nicht die alleinige Schuld sondern auch der Verbraucher.
Meine Worte mögen vielleicht etwas hart sein, aber man sollte mal darüber nachdenken.
Gruß,
Robert
Robert, Recht hast du! Aber waren wir nicht alle schon mehrere Male in dieser Situation?
Hey Anne,
mich würde mal interessieren, ob du schon immer so gedacht hast? Oder ob das Umdenken erst im Laufe der Jahre gekommen ist? Hast du Primark schon immer verurteilt?
Hi! Das ist eine sehr berechtigte Frage und mich muss gestehen, dass auch ich ab und zu bei Primark gekauft habe. Sicherlich aus dem selben Grund, wie Tausend andere Menschen: die Preise. Ich hatte allerdings immer ein gewissen Bewusstsein für diese Läden in mir, war mir aber auch genauso im Klaren, dass ich häufig egoistisch an die Sache gehe und ein Top kaufe, weil es billig ist. Diese Geschichte, ob Fake oder Wahrheit, hat mich mal wieder wach gerüttelt und darüber nachdenken lassen.. Wie ist es bei dir?
Letztens hab ich in einer Mitnehmzeitung vom Bioladen ebenfalls einen Artikel zu dem Thema gefunden – hier auch online: http://www.schrotundkorn.de/lebenumwelt/lesen/201405b02.html. Hier ist am Ende auch ein Link zu einer Organisation, die sich für faire Produktion einsetzt und Marken diesbezüglich prüft – ggf. ein Ansatzpunkt, um Alternativen zu finden?
Danke für den Tipp!
Hallo Anne, und liebe alle, schaut euch mal die Sachen von Armed Angels an: http://www.armedangels.de/about-us. Fair UND modern! Es gibt bereits einige Alternativen auf dem Modemarkt, man muss nur nach ihnen suchen!! Und nein, natürlich gibt es noch keine Plakatwerbung in jeder Stadt, sondern man muss schon mehr Zeit für die Recherche investieren… aber weniger Marketing Ausgaben zugunsten von Existenzlöhnen für Näherinnen kann ich nur begrüßen!
Für fast Alles gibt es gute Alternativen. Egal ob Kleidung, Lebensmittel. Kosemtik etc.
Wofür haben wir Internet ? Doch nicht nur, um Belangloses via twitter und Facebook abzusióndern !
Da kann jeder selbst wunderbar recherchieren. Für Klamotten sei nur mal exemplarisch der inzwischen verstorbene Heinz Hess erwähnt, der bereits 1976 mit seiner Frau Dorothea das Unternehmen hess-natur gründete. Hier werden seither ökologische und faire Kleidung hersgetellt und gehandelt. Es gibt noch einige andere sehr empfehlenswerte Betriebe. Teils alt eingessen, teils friasch am Markt. Einfach mal googlen …
http://de.wikipedia.org/wiki/Hess_Natur
Danke für den Tipp!