Ich setzte mich auf einen Holzbalken vor dem Backstage-Werk. Beobachten. Der erste Weg zur Annäherung ist die Beobachtung. Nachdem ich das bunte Treiben zwanzig Minuten beobachtet habe, versammeln sich Stereotypen der ganzen Bandbreite auf dem Kiesplatz vor dem Backstage.
Große Männer mit bunten Iros und gebleichten Skinny-Jeans, kleine Männer mit Nietenwesten und „Anti Nazi“-Buttons. Mittelgroße Männer mit langen Zöpfen und Bandshirts. Aber auch Frauen mit kurzen Röcken und Netzstrumpfhosen. Und vorwiegend Brillen mit breiten schwarzen Rahmen und dicken Gläsern, durch welche die Augen den Eindruck erwecken eine Fehlstellung zu haben und schielen. Sie laufen über den Kiesplatz mit Burgern in der Hand, schließlich braucht man eine gute Grundlage für den Abend und ziehen durch das Schlürfen mit ihren Springerstiefeln auf dem Kiesweg eine Staubwolke hinter sich her, welche dem ganzen Szenario eine Wilder Western Ästhetik gibt. Ich fühle mich etwas flau im Magen. Stachelnieten und Aufnäher mit Stinkefinger machen mir irgendwie Angst. Ich fühle mich als Außenseiter abgestempelt. Noch mehr als auf dem schwulen Festival in Miami. Ich spüre die Blicke von den Grüppchen die mir vereinzelt zugeworfen werden. Diese „Was macht die denn da“-Blicke mit leicht zusammen gekniffenen Augen. Das einzige was mich und den Rest der Menschen hier vereint, ist die Farbe meiner Jacke – weinrot. Bingo. Richtige Wahl. Jetzt weiß ich, wie sich Moritz von Uslar in Oberhavel gefühlt hat. Nur habe ich es hier nicht mit Nazirock, sondern Punkrock zu tun.
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