Letzte Woche bin ich aus meinem Costa Rica Urlaub heimgekehrt. Doch einen ganz wesentlichen Teil bzw. ein schönes Gefühl habe ich mir mit nach Hause genommen – Pura Vida. Zwei kleine Worte mit großem Inhalt. Es bedeutet „reines Leben“. Die Costa Ricaner oder Ticos, wie sie sich selbst nennen, machen sehr oft Gebrauch von diesem Spruch. Doch eigentlich ist es mehr als ein Spruch. Es ist ein Lebensgefühl. Sie rufen sich diese Worte zur Begrüßung zu oder verabschieden einander mit diesem Leitsatz.
In den elf Tagen, die ich in diesem Land unterwegs war, habe ich mir geschworen, diesen Satz zu verinnerlichen. Ich wusste – zurück in meinem Job – würde ich früher oder später wieder gestresst und wie ein aufgescheuchtes Huhn herumlaufen. „Pura Vida“ sollte mich dabei aber wieder zu meiner Mitte finden lassen. Es sollte mich daran erinnern, den Tag zu entschleunigen und die Dinge nicht wieder zu ernst zu nehmen. Denn hier in Costa Rica, da lässt man sich nicht stressen. In Costa Rica funktionieren die Tagesabläufe noch in einem chilligen Tempo. Ganz anders als in Wien, wo man nach der Arbeit heimhetzt und hektisch nach einer Beschäftigung sucht, bevor man es wagt sich für ein paar Minuten gemütlich hinzusetzen. Costa Rica hat mir gezeigt, dass es okay ist, mal nur in den Himmel zu starren und nichts zu denken – einfach nur zu sein.
Viele der Ticos sind arm, dennoch ist das für sie kein Grund grumpy durch die Gegend zu laufen. Als Tourist ist man herzlich willkommen und sie verzeihen es auch, wenn Spanisch mehr schlecht als recht gesprochen wird. In einigen Teilen des Landes leben die Ticos in sehr einfachen Häusern, die sie durch ihre äußere Erscheinung als arm kennzeichnen. Jedoch lassen sie sich diese schwierigen Lebensumstände nicht anmerken. Sie sind stolz auf ihre kleinen Besitztümer und geben sich mit dem zufrieden, was sie haben. Diese Zufriedenheit scheint sich auch auf ihre Kinder zu übertragen. Sehr selten habe ich bemerkt, dass sie schreien oder weinen, weil sie irgendetwas nicht bekommen. Im Gegenteil, sie wirken in sehr jungen Jahren schon genügsam und ausgeglichen.
Bewundernswert fand ich auch ihren sparsamen Umgang mit den natürlichen Ressourcen. Wasser ist auf Costa Rica ein Luxusgut. In der Trockenzeit sind viele gezwungen Wasser zu kaufen. Wer sich das allerdings nicht leisten kann, muss sehr achtsam mit dem Verbrauch umgehen.
Nur noch funktionieren
Bevor ich meine Reise antrat, war mein Kopf voll mit Karriereplänen. Wenn ich mir Stellenbeschreibungen ansehe, bekomme ich das Gefühl, ich hätte mit mindestens einem Master aus der Gebärmutter flutschen müssen. Es wird die Agilität und die Motivation eines Zwanzigjährigen verlangt und die Erfahrung eines Vierzigjährigen. Bezahlen wollen die meisten Unternehmen nichts und Praktika werden in den meisten Fällen nur noch an Studenten mit Berufserfahrung vergeben. Vor einigen Jahren sprang ich auch auf diesen Schnellzug auf, der mich zum Erfolg bringen sollte. So eine 60 Stunden Woche aus zwei Jobs und Studium machen einem allerdings irgendwann zu schaffen. Ich musste funktionieren. Freizeit war nur noch Hintergrundmusik. Doch als Lebemensch, der absolut kein Sitzfleisch besitzt und sich von einem Staubfussel vom Lernen ablenken lässt, war diese Zeit eine große Herausforderung. All meine Energieressourcen ging in dieser Phase verloren. Mein Entschluss war: Das muss aufhören. Ich will wieder ich sein – der lebensfrohe Mensch, der ich immer gewesen bin. So war es Ziel meiner Reise mich zurückzuholen.
Pura Vida – zurück zur mir
Im Urlaub hatte ich den Satz schon verinnerlicht. Ich lebte bescheiden und gab mich mit Kleinigkeiten zufrieden. Es war angenehm lediglich mit den paar T-Shirts und Hosen, die ich mithatte, auszukommen und nicht ständig vor einem Kleiderkasten zu stehen, der irgendwann sowieso zu explodieren droht. Ich lernte auch die Vögel morgens wieder bewusst zwitschern zu hören und war glücklich, wenn die Speisekarte in den einheimischen Lokalen kaum mehr hergab als Pollo mit Plantanas. Es gab keinen Luxus und kein übertriebenes für Touristen inszeniertes Bespaßungsangebot. Lediglich meine Überlebens- und Grundbedürfnisse wurden gestillt und das machte mich unglaublich zufrieden und glücklich.
Die Herausforderung ist, dieses Zufriedenheitsgefühl nun beizubehalten. Ich gebe zu, dass das nicht immer einfach ist, da wir in Wien im Überfluss leben. An jeder Ecke stehen Lokale, die elendslange Speisekarten anbieten. Die Shoppingcenter sind vollgestopft mit Artikeln und das Marketing dahinter gibt uns das Gefühl, dass wir das gesamte Angebot brauchen. Wir haben viel und dennoch ist es uns zu wenig. Alles zu haben bedeutet aber nicht zwingend glücklicher zu sein. Mehr denn je habe ich mich daher nach meinen Urlaub dazu entschieden, bescheidener und bewusster zu leben. Stress lasse ich nicht mehr so oft zu und gestehe mir ein, dass ich ein Mensch bin und keine vorprogrammierte Maschine. Diese neu überdachte Lebenseinstellung hat mir dabei geholfen mich wiederzufinden.
Pura Vida für alle
Wir alle haben „reines Leben“ verdient. Mit meinen folgenden neuen Leitsätzen habe ich die Lebensformel nach und nach verinnerlicht:
- Pura Vida heißt bewusst wahrnehmen
Ich weiß, dass klingt vielleicht ein wenig ausgelutscht, dennoch hilft diese Einstellung. Bereits morgens, wenn ich zur Arbeit gehe, nehme ich die Natur bewusst wahr. Ich konzentriere mich auf das Vogelgezwitscher und schaue in den blauen Himmel. Zwar kann ich den grantigen Leuten, die zur Arbeit hetzen, nicht ganz ausweichen, aber ich muss sie mir nicht zwingend anschauen. - Pura Vida bedeutet bescheiden sein
Damit ich nicht Gefahr laufe den Einkaufswagen mit unnützen Nahrungsmitteln zu überladen, gehe ich vermehrt auf Märkten und in Gärtnereien einkaufen. Statt gefühlten 20 verschiedenen Joghurts finde ich am Markt lediglich das selbstgemachte Joghurt frisch vom Bauern. Ich kaufe dort viel bewusster ein und kann selbst wählen, wie viel Kartoffeln ich nehmen möchte und muss mir nicht einen 2 Kilo Sack kaufen, bei dem die Hälfte zu Hause sowieso vergammelt. Ebenso überlege ich zweimal, ob ich dieses neue T-Shirt tatsächlich brauche. - Sich befreien mit Pura Vida
Mich von alten Lasten zu befreien hat mir sehr bei meiner neu adaptierten Lebenseinstellung geholfen. Das Thema Kleiderkasten hat mich immer schon grantig gemacht. Jeden Tag stand ich davor und hatte überlegt, was ich anziehen soll. Nach dem Urlaub habe ich mich von einigen Kleidungsstücken getrennt, die ich seit mindestens zwei Jahren sowieso nicht mehr angezogen habe. Dasselbe Konzept verfolgte ich bei Nahrungsmitteln. Immer wieder hatte ich Gewürze, Nudeln, Reis und andere leckere Dinge gekauft, die ein paar Monate im Regal standen. Anstatt diese zu verkochen, habe ich immer mehr und mehr in meinen Schrank gestopft und konnte mich nicht entscheiden, was ich kochen sollte. Auch diesen Überfluss habe ich reduziert indem ich alles verarbeitet habe. Sogar Lebensmittel, die laut Datum schon länger abgelaufen waren, kamen in den Topf und haben super lecker geschmeckt.
- Pura Vida = nicht stressen!
Stress versuche ich weitgehend zu vermeiden. Ich gehe viel in die Natur hinaus, nehme mir wieder Zeit für Sport und lasse dabei mein Handy bewusst zu Hause. Ich muss nicht jederzeit und überall für jeden erreichbar sein. Ein paar meiner Hobbys habe ich auch wieder aufgenommen. Ab und zu singe ich mich durch die Wohnung oder ackere im Garten herum.
Nach und nach haben mir diese 4 Punkte geholfen mich wiederzufinden. Verfalle ich ab und zu in alte Muster, so versuche ich mich an die schöne Zeit in Costa Rica zu erinnern. In Gedanken das Meer zu riechen und den Sand unter den Füßen zu spüren. Die interessanten Begegnungen Revue passieren zu lassen und begreifen, dass man auch mit weniger glücklich sein kann.
Mein Entschluss steht fest: Ich wünsche mir „reines Leben“ und ein bisschen „Pure Vida“ für jeden von uns.
DIE GASTAUTORIN BIRGIT:
Reiselustig, schreibwütig und entdeckungssüchtig – das bin ich. Am liebsten tanze ich mit meinem Po auf zehn Kirtagen gleichzeitig. Ständig bin ich auf der Suche nach kleinen und großen Abenteuern, die das Leben spannend und abwechslungsreich gestalten. Mein Motto, das mich am besten beschreibt lautet: Ich bin viele. Gerne möchte ich mit dir meine Erfahrungen teilen und freue mich auf einen interessanten und lustigen Austausch.“
2 Kommentare
Interessanter Text, spiegelt soweit auch meine Erlebnisse und Eindrücke dieses doch sehr unberührten Landes wieder. Ich bitte um Korrektur zu Beginn des Textes, wo es heißt auf Costa-Rica. Da dieses Mittelamerikanische Land zwischen Nicaragua und Panama sehr wohl keine Insel ist. Danke und mach weiter so Pura Vida