Wenn morgens um kurz vor sieben der Wecker klingelt und eine Freundin, die sonst selten vor mir wach wird, schon in voller Montur vor mir steht, gut gelaunt ist und mich euphorisch weckt, dann gibt es dafür eigentlich nur einen einzigen Grund: Wir sind im Winterurlaub. Da heißt es aufstehen, schnell frühstücken, Zwiebellook anziehen, rein in den Skibus Richtung Lift und ab geht’s.
Snowboarden im Stubaital: Hello World!
Wir sind in Neustift im Stubaier Gletscher und haben drei Tage Schnee vor uns. Wir, das sind meine Freundin Rena und ich. Sie eher so Kategorie cool. Eine von den Mädels, die das Snowboarden beherrschen und in Skiklamotten immer noch genau so cool aussehen wie sonst auch. Ich eher so Kategorie Michelin. Dick eingemurmelt, absolut formlos in viel zu großer, gestreifter Jacke, weit weg von dem, wie ich wirklich aussehe und blutiger Anfänger auf dem Snowboard. Sie Snowboard in der Hand, ich Helm unterm Arm und Arschschoner an. Das kann ja was werden.
Rena habe ich direkt abgestellt, in den Lift gesteckt und dort hinfahren lassen, wo sie sich am wohlsten fühlt: oben in den Bergen, dort wo der Schnee weich ist und die Luft dünn.
Snowboarden im Stubaital: Auf geht’s, erste Stunde Snowboardkurs
Ich dagegen stehe zusammen mit den kleinen Torpedos, also den in Watte eingepackten Kids, in der Schlange der Skischule. Auf mittlerer Höhe. Dort, wo der Schnee hart ist, die Pisten nicht steil und die Luft okay. Das Zuhause des Zauberteppichs und Minilifts, den kleine Kids wie Profis bedienen und der mich eher immer wieder abwirft. Wie ein sturer Gaul. Ich schieb es auf den Lift nicht auf mich.
Mit meinen Vorkenntnissen lande ich in einer holländisch-finnischen Gruppe mit coolen Jungs. Die haben ein Durchschnittsalter von 10 Jahren. Quasi fast so alt wie ich, nur 15 Jahre jünger. Selbst die sehen cooler aus als ich. Ich bin inzwischen beim dritten Versuch diesen blöden Lift heraufzufahren, der Schweiß rinnt unter meinem Helm durch. „Ist dir warm?“, fragt mich Darcy, meine Snowboardlehrerin. „Nee, Quatsch. Ist Schnee!“, antworte ich, meine Konzentration völlig auf den Lift gerichtet.
Natürlich schwitze ich. Ein Mix aus Anstrengung, die mir zeigt, dass ich viel mehr Sport machen muss, und peinlicher Berührtheit. Nach 20 Minuten hat auch die Älteste im Kurs das Ende des Lifts erreicht. Die drei Jungs sind erleichtert und ich kann ihren Gesichtern ablesen, dass ich gerade zum uncoolsten Menschen der Welt geworden bin.
Snowboarden im Stubaital: Unter erwachsenen Anfängern, yeah!
Zehn Minuten später steht Oli vor mir. Darcy hat mich abgeschoben. Ich war zu schlecht und die Jungs zu genervt von der alten Socke, die ständig aus dem Lift fällt und wie ein Käfer mit dickem Po, dank der Schoner, auf dem Rücken landet und erst einmal liegt. Oli hat die Alten abbekommen. Die, die noch Angst davor haben den Hang rücklings herunterzurutschen. Die, die das Wort Balance und das Prinzip der Körperarbeit nicht kennen, weil sie sonst nur im Schreibtischstuhl sitzen. Ich fühle mich direkt wohler in meiner Gruppe von erwachsenen Anfängern. Jetzt mach das Hinfallen erst richtig Spaß.
Snowboarden im Stubaital: Mittagspause auf der Hütte
Die ersten beiden Stunden meines Kurses sind vorbei, die bekannten Schmerzen wieder da und die Sonne draußen. Jetzt kommt mein allerliebster Lieblingsteil im Winterurlaub: Mittagessen auf der Hütte.
Das Stubaital besteht aus insgesamt vier Skigebieten, den Serlesbahnen, Schlick 2000, Elferbahnen und dem Stubaier Gletscher, und ist damit Österreichs größtes Skigebiet und das schneesicherste! Von Restaurants wimmelt es hier nur so und ich bin schon ganz traurig, dass ich es nicht schaffen werde in jedem Restaurant mindestens einmal essen zu gehen. Denn ich bin stolze Schülerin der Schischule Neustift und damit nur im Stubaier Gletscher unterwegs. Leider. Denn auch die drei anderen Gebiete strotzen nur so vor tollen Pisten und Restaurants.
Snowboarden im Stubaital: Oli, du bist mein Held!
Eine Stunde Pause reicht und dann geht es wieder auf die Piste, äh, auf die Kinderstrecke. Oli ist der wohl geduldigste Lehrer, den ich je erlebt habe. Mit einer Seelenruhe zeigt er uns immer wieder, wie wir uns drehen sollen, wo das Gewicht hinsoll und nimmt uns sogar an die Hand, wenn es mal gar nicht gehen sollte.
Drei Tage verbringe ich nun mit ihm und freue mich immer wieder neu, wenn mal eine Kurve so gut geklappt hat, dass sich sogar Oli darüber freut.
Das Stubaital hat mein Herz im Sturm erobert. Wenn schon der Fahrer vom Skibus am Morgen blöde Witze macht, wenn die Sonne ihren Weg so langsam durch die Wolken kämpft und die Berge in ein ganz bestimmtes Licht taucht und wenn alle Menschen einfach lachen, wenn sie 8.30 Uhr in den Lift steigen und ein Tag auf der Piste vor ihnen liegt – dann bin selbst ich wach, glücklich und zufrieden.
Snowboarden im Stubaital: Voll umsorgt im Hotel Jagdhof
Unsere Abende verbringen wir übrigens im Hotel Jagdhof im Stubaital. Hier hüpfen wir von Liege zu Liege im 3.000 Quadratmeter großen Spa-Bereich. Ob Wasserbett, Himmelbett oder Liege mit Ausblick – es ist einfach alles gemütlich!
Dazu steht in jeder Ecke Tee bereit und es gibt sogar alkoholfreies Hefeweizen, das man sich einfach in einem der Ruhebereiche selbst zapfen kann. Mich überkommt ein Schwall Glücksgefühle. Ein Tag auf der Piste, das Gefühl etwas für den Körper gemacht zu haben und jetzt im flauschig-warmen Bademantel durch den Wellnessbereich tapsen.
Es gibt wirklich kein besseres Gefühl, als nach einem Tag voller Stürzen, Erfolgserlebnissen und Sonnenstunden in die warme Sauna zu gehen und den Muskelkater schon von vornherein abzuwehren.
Snowboarden im Stubaital: Tausend Gänge gegen den Muskelkater – oder so
Der Jagdhof umsorgt uns wie echte Snowboard-Helden. Naja, ich eher so Marke Loser mit Aufstiegschancen. Jeden Abend bekommen wir mehrere Gänge an den Tisch serviert. Nur ein einziges Mal muss ich dazwischen aufstehen und Richtung Salat humpeln. Das wird übrigens von Tag zu Tag schwieriger, dank meines Muskelkaters.
An die schiefen Blicke im Restaurant hab ich mich schon längst gewöhnt!
Snowboarden im Stubaital: Nachtskishow oder Skishownacht?
Zwei Mal im Monat treffen sich alle Ski- und Snowboardschüler an einem Hang in den umliegenden Dörfern und himmeln ihr Lehrer und Lehrerinnen an. Na gut, es sind eher die Kleinen, die auf die großen Blicken.
Oder eben ich und meine Gruppe, die laut schreien, als Oli mit einem Snowboardtrick die Piste herunterkommt. „Wenn wir mal groß sind, dann wollen wir auch so cool sein wie Oli“, denken wir uns.
Naja, das dauert wohl noch. Das Stubaital ist schon längst ein beliebtes Urlaubsziel für Winterhasen geworden. 80 bis 90 % der Gäste fahren allerdings Ski. Komisch, wenn man den Tiefschnee, Powder, wie ihn die coolen Kids nennen, sieht. Gerade die Schischule Neustift hat sich das sehr zu Herzen genommen und macht schon seit längerer Zeit viel für die Boarder. Es gibt einen Funpark und bald auch richtige Kurse: Freeriding, Tricks und viele andere Dinge sollen bald auf dem Plan stehen, sodass auch die coolen Boarder, wie Rena, sich noch einmal überlegen einen Kurs zu machen und etwas dazu zu lernen.
Ich bin bis dahin erst einmal mit der Geradeausfahren und den Kurven beschäftigt, freue mich aber schon sehr auf die Zeiten, in denen ich über Rampen springe und, mal wieder, wie ein dickes Michelin-Weibchen im Schnee lande. Egal. Das gehört dazu! Dank der leider viel zu kurzen Reise ins Stubaital wurde ich wieder gepackt vom Snowboarden, von der Euphorie hinter dem Sport und vor allem dem stetigen Anfeuern, das man merkt. Wer hier Anfänger ist, der hat sowieso schon gewonnen und bekommt sogar den Respekt von den Großen. Denn es geht doch sowieso nur um Spaß und darum, dass man langsam aber sicher Fortschritte sieht. Yeah Oli, danke, wir sehen uns im nächsten Jahr und dann wird gepowdert. Oder so.
Danke an den Jagdhof, die Schischule Neustift und an den Tourismusverband Stubai Tirol!
1 Kommentar
Toller Bericht! Erinnert mich an meine kläglichen Versuche, Herr (bzw. Frau) über mein Snowboard zu werden und die zahlreichen blauen Flecken und Beulen, die ich dabei kassiert habe ;)