Was macht so eine Band oder die DJs bevor sie ihren Auftritt haben? Meine bisherige Vorstellung – in ihrem verqualmten Backstage-Bereich rumlungern, sich über das Essen am Buffet aufregen und pseudointellektuelle Gespräche führen. Dann noch einen Joint und eine Line reinziehen und ab geht es bocklos und gelangweilt auf die Bühne. Ist ja auch nur ein Job für sie. Vielleicht stimmen meine Vermutungen sogar teilweise, aber Modeselektor war anders.
10. Festival. Was vor 12 Jahren in ein paar Clubs der Stadt von Graz begonnen hat und knapp 2000 Besucher angelockt hat, ist zu einem weltweit geliebten Festival geworden. 7 Bühnen, über 30 Künstler und ein abwechslungsreiches Rahmenprogramm. Von der bumsvollen Beate bis zur depressiven Dillon ist alles dabei. Das Ziel des Springfestival – das Festivalfeeling, das man sonst nur irgendwo auf einer Kuhweide bekommt, in die Stadt holen und mit urbanen Einflüssen mischen. Genauer gesagt, das Festivalfeeling nach Graz holen. Ein Festival in der Stadt sozusagen. Die Nacht zu elektronischer Musik durchzappeln und tagsüber schön Tourist spielen, auf den Schloßberg wandern und den Uhrturm besichtigen. Ist der Hangover zu groß, kann man auch die Schlossbergbahn nehmen. Rauf sollte man aber auf jeden Fall, denn der Grazer Schlossberg ist im Guinness-Buch der Rekorde als stärkste Festung aller Zeiten. Sogar Napoleon konnte sie nicht erobern. Im Schlossberg befindet sich ein Stollensystem mit 6,3 km Länge und der „Dom in Berg“, ein unterirdischer Veranstaltungsort. Insider haben mir verraten, dass dort sonst eher peinliche Veranstaltungen à la Ballermannkomassaufen oder Ü-30 Partys statt finden. Beim Springfestival ist der Raum im Stollen einer der geilsten Locations.
Sie stehen vor den Stufen zum Bühnenaufgang. Einer trägt einen normalen Herrenhut, ein andere eine Art Franzosenkappe. Es ist stockfinster. Im Grunde sieht man nur ihre Umrisse, die sich nervös hin und her bewegen. Ein Feuerzeug geht an, das Gesicht wird erleuchtet und kräftig an der Kippe gezogen. Adrenalin liegt in der Luft. Noch schnell ein Foto mit Freunden. Blitz. Immer wieder drehen sich ihre Köpfe Richtung Bühne und warten auf ihr Zeichen. Noch Zeit für eine zweite Kippe. Dabei immer schön in Bewegung bleiben. Bewegung baut den Stress ab. Jetzt ist es soweit. Der erste wird auf die Bühne geholt und stellt sich links an das Pult. Noch ist das Publikum ruhig und das Licht aus. Scheint wohl niemand wichtiges gewesen zu sein. Jetzt werden die zwei Mützenträger aka Modeselektor auf die Bühne geholt. Die Jungs sind heiß den Laden zu rocken. Ein letztes Mal auf die Schulter klopfen, ein Klaps auf den Po und sich Mut zusprechen. Sie sollen hinter der Leinwand vorbei gehen, die von hinten beleuchtet wird. Beim erscheinen der Schatten auf der hell beleuchteten Leinwand flippt das Publikum aus. Dann gehen die beiden an ihr Mischpult und es geht los. Electro der feinsten Art kombiniert mit psychodelischen Visuals. Für die Masse geht es jetzt erst richtig los. Schade, für mich ist es jetzt schon vorbei. Das Beobachten, den Moment aufsaugen und den Nervenkitzel mitfühlen, obwohl man ihn gar nicht hat. Künstler erleben als Menschen, verstehen wie so ein Festival überhaupt abläuft. Hinter die Kulisse schauen. Dieses Mal durfte ich viele menschliche Erfahrungen machen. Ich verlasse den Backstage- Bereich und halte noch ein Pläuschen mit den drei Jungs von der Garderobe, die rumsitzen und pokern und nicht wirklich viel zu tun haben.
Das Motto vom Springfestival Graz taugt mir absolut – schön die Nacht durchmachen und dann gemütlich nach Hause torgeln und in das weiche Bett fallen lassen. In der Praxis sieht das dann aber ein bisschen anders aus. Natürlich tanzt man und trinkt man die Nacht durch, natürlich torgelt man auch nach Hause oder nimmt den Bus. Da sitzt man dann abgeschossen und stinkend neben lieben, kleinen Grundschülern, die auf den Weg zur Schule sind. Absolut zerstört am Hotel Wiesler angekommen, stehen dann auch schon die ersten Strebertouris mit beiger ¾ Hose, Sneakers mit Füßlingen und Stadtplan in der Hand in der Lobby, um früh los zu gehen und möglichst viel vom Tag zu haben. Nach dieser Erfahrung weiß ich auch, warum normale Festivals am Arsch der Welt sind, abgeschottet von allen Normalos – einem fällt unter gleichgesinnten nicht so sehr auf erbärmlich man gerade ist.
Modeselektor auf dem Springfestival Graz
Dillon
Die drei von der Garderobe.
8 Kommentare
http://img708.imageshack.us/img708/985/img0836qa.jpg
Als letzte Ergänzung zu Graz.
Man sieht sich in Nürnberg und bei 10 anderen dieses Jahr ;)
Habe ich fotografiert :)
Nene, bei dir fehlten ein paar zettel! :)