Tief gebeugt sitzt er am Tisch, umklammert seine Tasse und schlürft den Kaffee, so als gelte es, bloß nichts zu verschütten. Je kleiner die Schlückchen, desto länger das Glück. Das Foto des alten Mannes mit dem ausgemergelten Gesicht und den frierenden Händen verbreitete sich in sozialen Netzwerken ebenso rasant wie zuletzt die Videos der Ice-Bucket-Challenge.
Die Geschichte hinter dem Bild begeisterte Zehntausende: Der Mann bekam seinen Kaffee geschenkt. Nein, nicht vom Wirt. Ein unbekannter Gast hatte die Rechnung beglichen – im Voraus. Seitdem hat der anonyme Kaffeeheld weltweit viele Nachahmer gefunden – auch in Deutschland.
Ihr trinkt selbst gern mal eine gute Tasse Kaffee in einem netten Café? Dann, Freunde des maßvollen Müßiggangs, möchte ich Euch heute etwas ans Herz legen. Eine kleine Geste nur. Sie wird jemand anderen glücklich machen und Euch ein wohliges Gefühl geben. Deshalb mein Tipp zum Doppelglück: Einen Kaffee trinken, zwei bezahlen.
Wer einen Suspended Coffee ordert, spendiert einem Bedürftigen ein warmes Getränk. Das läuft ganz unkompliziert: Ihr bestellt einen Kaffee, Espresso, Cortado oder sonst ein wohltuendes Heißgetränk in einem der teilnehmenden Cafés. Ihr schlürft alles aus und bezahlt Euer Getränk und ein weiteres für jemanden, der irgendwann einmal ins Café kommt, sich den Kaffee aber eigentlich nicht leisten kann.
Ihr lasst sozusagen Kaffee-Guthaben anschreiben. Dadurch füllt sich nicht nur Euer Karma-Konto, sondern eine Wand, eine Tafel oder schlicht eine Liste mit Gutscheinen, die Bedürftige dann wieder gegen eine frisch gebrühte Tasse Kaffee einlösen können. Das Café vermittelt lediglich eure Spende an die mittellosen Kaffeeliebhaber.
Stefan Urmersbach vom Park Café mit den gesammelten Kaffee-Gutscheinen.
Die Idee stammt ursprünglich aus Neapel im schönen Italien, wo eine gute Tasse Kaffee Daseinsgrund, wenn nicht Daseinsziel ist. Bis heute beschließen die Neapolitaner ein Menü mit einem Espresso und bezahlen obendrein einen „Espresso Sospeso“ für nicht so betuchte Mitbürger. Mit der Wirtschaftskrise schwappte die Idee nach Bulgarien und Spanien, seither erobert sie die Welt. Die Website coffeesharing.com zählt in Europa mittlerweile 134 Orte, an denen es „Suspended Coffee“ gibt.
Das große Berlin hat in Sachen Suspended Coffee noch Nachholbedarf. Bislang schenken hier nur fünf Cafés ein Tässchen Nächstenliebe aus. Jule Eisendick, deren Café ihren Vornamen trägt, will „im Kleinen helfen“ und dabei Nachbarn zusammen bringen, die sonst wenig miteinander zu tun haben. So geht es vielen Café-Inhabern. Auch die Gäste fühlen sich wohler, wenn sie beim Kaffeetrinken Gutes tun können, hat Stefan Urmersbach vom Park Café in Mariendorf beobachtet.
Davon dass jemand die Hilfsbereitschaft der zahlenden Gäste ausnutze, könne keine Rede sein. Im Gegenteil, unterstreicht Frank Engelmann: „Die Hemmschwelle nach so einem Kaffee zu fragen, ist groß.“ Darum freut er sich über jeden neuen Abnehmer. Damit sich niemand vor den übrigen Gästen offenbaren muss, hängen die kleinen Zettel im Café Kuchen direkt im Eingangsbereich. Während Besucher so auf die Idee der Suspended Coffees aufmerksam gemacht werden, können Bedürftige am Tresen diskret um ein heißes Tässchen bitten.
Im Café Kuchen tauscht man die gelben Zettel gegen eine Tasse Kaffee, für die orangefarbenen gibt es etwas zu Essen.
Hat Euch die Idee überzeugt? Dann werdet selbst Kaffeehelden. Das Café 157 braucht noch etwas Anschubhilfe, auch wenn der große Kaffee dort nur 6o Cent kostet.
Café Jule
Kienitzer Straße 93
12049 Berlin (Schillerkiez Neukölln)
Einer für Dich, einer für mich. Saskia Rüdiger von Suspended Coffee Deutschland und Jule Eisendick vorm Café Jule. ©JuleEisendick
Mo,Mi,Do,Fr : 9 – 17 Uhr
Dienstags Ruhetag
Samstags : 10 – 17 Uhr
Sonntags : 12 – 17Uhr
Ist viel los, bleibt länger auf.
Café Kuchen
Wiesbadener Straße 6
12161 Berlin (Friedenau)
Montag bis Freitag 10 – 18 Uhr
Samstag geschlossen
Sonntag 14 – 18 Uhr
(Mobile Espresso Bar)
Bamberger Straße 55
10777 Berlin (Wilmersdorf)
Mittwoch bis Freitag 14-22 Uhr
Samstag 12-20 Uhr
Sonntag nach Bedarf
Park- Café
Rixdorfer Straße 165
12109 Berlin (Mariendorf)
täglich 9 – 18 Uhr
feiertags 10 – 18 Uhr
Café 157
Kontakt- und Begegnungsstätte
John-Schehr-Str. 24
10407 Berlin (Prenzlauer Berg)
Mo, Mi, Fr, Sa, So 14 – 20 Uhr
Donnerstag 14 – 18 Uhr
Feiertag 14 – 19 Uhr
Ein Tässchen Nächstenliebe ©JuleEisendick
5 Kommentare
tolle Aktion – da kann man jemanden mit 2,50-3€ ein kleine Freude machen
Schade dass der Link mit den „teilnehmenden Cafés“ nicht klappt – würde gerne wissen, welches Café aus dem Rhein- und Ruhrgebiet auch darunter ist…
ich finde deinen blog so wundervoll und erlich! danke für diesen post, ich finde das einfach nur toll!
lg modestück
Hi,
vielen Dank, dass Du die Idee in Deinem Blog auf dieser Art und Weise verbreitest! Das Foto lief im Facebook rum. Daher kenne ich es! Weiter so!