Kaum bin ich zwölf Stunden in Dubai, will ich schon wieder weg. Genauer gesagt will ich nach Abu Dhabi und mir statt kilometerhohem Stahl die „Sheikh Zayed Grand Mosque“ ansehen, die zwar wie das meiste hier erst fünf Jahre alt ist, dafür aber sogar auf Bildern so märchenhaft schön, dass ich gar nicht glauben kann, dass sie wirklich existiert.
In der „Sheikh Zayed Grand Mosque“ können gleichzeitig rund 40 000 Moslems beten.
Das Hotel, in dem wir drei Nächte lang wohnen dürfen, trifft keine Schuld an meiner Dubaiflucht. Es befindet sich direkt am Strand, nicht auf dem siebenundvierzigsten Level der Selbstbefriedigung eines Rekordarchitekten, und lässt mir beim Terrassenfrühstück die Wahl zwischen Wachteleiern, Mangostan, eingelegten Litschis, geröstetem Brot, frischen Parmesanlaibstücken, Kuchen und Croissants, sechs Joghurtsorten und tausend anderen Sachen. Außerdem könnte ich gleich danach zum Bogenschießen, zur Massage, auf einem Pferd reiten, mit einem der Kofferautos durch die Anlage heizen, mir anschauen, wo Tom Cruise letztes Jahr fünfhundertmal höher hing als er groß ist, oder Wettkönig Dennis Schleussner beim Jojospielen auf dem Goldmarkt beobachten. Aber ich habe mir überlegt, nach Abu Dhabi zu fahren, wenn ich hier bin, also mache ich das jetzt. Ich könnte auch im Meer baden, aber das wäre mir wirklich zu irre.
Im größten der sieben Vereinigten Arabischen Emirate gibt es weniger Tourismus und keine Drinnenskihalle, die aussieht wie ein Ufo, dafür echte Pflanzen, ein paar zumindest, erzählt uns der Reiseleiter, während wir im Bus sitzen. Er heißt Ahmed, ist verheiratet und kommt aus Ägypten, obwohl das Namensschild, das ihm vorm Bauch baumelt, das Foto eines dicken europäischen etwa 15-jährigen Jungen zeigt. Ich frage nicht nach. Man weiß, dass man Dubai hinter sich gelassen hat – eine richtige Grenze gibt es nicht, ich brauche nicht mal einen Pass –, wenn am Straßenrand plötzlich Palmen wachsen, sagt Ahmed, deshalb nennt er Abu Dhabi das „grüne Emirat“. Ich lehne mich gegen das Fenster und sehe vor allem die Formel-1-Strecke, das Baugesellschaftsbüro von Präsident und Scheich Chalifa bin Zayid Al Nahyan und die schnellste Achterbahn der Welt im „Ferrari World“-Freizeitpark. Dann setzt uns der Fahrer ab.
Als Frau soll man sich in der „Sheikh Zayed Grand Mosque“ komplett verhüllen, das verlangen Tradition, Unterdrückungskultur und Ahmed, was die beiden US-Mädels vor mir allerdings nicht davon abhält, supersexy für ihr neues Facebookprofilbild zu posieren. Klick-klick-klick. Greeaaat! Ein paar Meter weiter sitzt eine arabische Mädchengruppe auf dem Boden. Während ihr Lehrer spricht, hält die multimediaprofesionelle Kleine in der Mitte den Religionsunterricht mit dem iPad fest, ohne klick-klick, dafür vermutlich mit Livevideo für die Freundinnen zu Hause. Ich drücke auf den Auslöser meiner Smartphonekamera und komme mir vor wie meine eigene Oma. Die Moschee selbst ist noch beeindruckender als ich es erwartet habe. Die Säulen und der Marmorboden sind mit Blumenornamenten aus Halbedelsteinen verziert, die maurischen Bögen und die achtzig Kuppeln und die vier typisch islamischen Minarette so weiß, dass sie mich fast mehr blenden als die Sonne. Am liebsten würde ich ewig im offenen Innenhof stehenbleiben, leider läuft mir der Schweiß unter meinem Pseudotschador unangenehm den Rücken runter. Die Entscheidung liegt ohnehin nicht bei mir, Ahmed sagt, dass wir weitermüssen, da versteht er keinen Spaß.
Im „Emirates Palace“, einem Hotel mit inoffiziell sieben und offiziell fünf Sternen, begrüßt uns die deutsche Marketingdame auf Schuhen, die ihr das Blut und jede erkennbare Fußform wegdrücken, was, wie sie uns erklärt, ein Zeichen der Wertschätzung ist. Sie schickt uns mit einer Kollegin, die Ballerinas trägt, durch das riesige kitschgoldene Gebäude und sagt, dass das Filmverbrechen „Sex and the City 2“ leider nicht hier gedreht wurde, obwohl das viele denken. Ein paar Minuten später begehe ich selbst eine Straftat, indem ich mir Sushi mit Hummus reinstopfe (sehr lecker!), bevor uns Ahmed das Zeichen gibt, dass es weitergeht, diesmal ins Falkenkrankenhaus.
Das Falkenkrankenhaus ist, wie der Name schon andeutet, ein Krankenhaus für Falken, also nur für Falken, mit anderen Vögeln muss man gar nicht erst ankommen, außer vielleicht mit Eulen, das lässt die preisgekrönte Arztchefin Dr. Margit Müller, ebenfalls eine Deutsche, gerade so durchgehen. In den Vereinigten Arabischen Emiraten gibt es noch weniger Tiere als Pflanzen, jedenfalls habe ich bisher fast keine gesehen. Auf den Apartmentdächern unseres Hotels tobt sich eine sexuell aktive Pfauenkommune aus, das war‘s aber auch. Daher kann ich nur schwer sagen, worüber ich mich mehr wundere: dass jetzt knapp dreißig Zentimeter von meinem Gesicht entfernt ein Greifvogel auf meiner Hand thront, dass sein Hakenschnabel unter einer Augenhaube aus Leder hervorschaut, dass ich aus irgendeinem Grund keine Angst habe oder dass jeder Falke in Dubai und Abu Dhabi einen Reisepass besitzt und bei den Emiratfluglinien einen eigenen Sitzplatz buchen kann. Auf dem Weg in den Garten staune ich noch, schnell ein Gruppenbild für die Tagespresse, dann schaue ich wieder durch Busfensterscheiben.
Der nächste Tag vergeht mindestens so schnell wie alles in den Vereinigten Arabischen Emiraten. Ich sitze in der Sonne, fahre inmitten einer russischen Großgroßfamilie plus Kinderwagen in einem Zehnmannauto mit ausklappbaren Extrasitzen in die „Ibn Battuta“-Mall und sehe mir beim Abendessen im dritten Stock des 828 Meter hohen Burj Khalifa zu Whitney Houstons „I Will Always Love You“ Wasserfontänen an. Zurück im Hotel hat die Strandbar noch offen. Gegenüber beim „German River Cruise“, wo Paare mittleren Alters bis eben zu den Klängen von Metallica enggetanzt haben, ist der Abend gelaufen, das merkt man. Schade eigentlich, das hätte lustig werden können. Stattdessen bestelle ich mir einen Wodka auf Eis und finde, dass es in Ordnung war, einen Abstecher nach Abu Dhabi zu machen trotz der wenigen Zeit, die ich in Dubai hatte. Ich weiß aber auch, dass ich vielleicht kein zweites Mal hierher komme, und obwohl mir die Stadt auf Dauer viel zu gedopt und irreal wäre, will ich plötzlich nicht mehr weg. Ich denke, es liegt daran, dass ich muss.
Die Säulen im Innenhof sind mit Blütenranken aus Halbedelsteinen verziert.
107 Meter ragen die vier Minarette der Moschee in den Himmel.
Nicht ohne mein iPad: moderner Religionsunterricht in Abu Dhabi.
Auch in den Waschräumen ist fast alles aus Marmor.
Wirken im direkten Vergleich mit mir gar nicht SO hoch: Wolkenkratzer in Abu Dhabi.
Bevor der Falke seine Maniküre bekommt, muss er betäubt werden.
Links: Hasan zeigt uns, wie ein Falkenreisepass aussieht. Rechts: Tierkosmetik.
Weil die Falken nicht in freier Wildbahn leben, lassen ihnen die Besitzer regelmäßig die Krallen kürzen. Die Tiere können sich sonst verletzen.
Die meisten Falken in Abu Dhabi kommen aus Deutschland oder Österreich.
Irgendwie scheine ich mehr Spaß zu haben als er.
Das „Burj Khalifa“ in Dubai ist 828 Meter hoch. Ich konnte nicht lange nach oben schauen, sonst wäre mir schlecht geworden.
Im „Emirates Palace“-Hotel gibt es 394 Zimmer und Suiten und 128 Küchen.
So sieht der Speisesaal der großen „Palace Suite“ aus. Eine Übernachtung kostet über 10 000 Euro, dafür hat man drei Schlafzimmer.
5 Kilo essbares Gold verwenden die Köche des „Emirates Palace“ pro Jahr. Ich bevorzuge Sushi, Hummus, Muscheln, Reis und Suppe.
Kurz hinsetzen ist in Ordnung, wohnen will ich im omafarbenen Luxuszimmer lieber nicht.
Überkitschig und trotzdem toll: Blick von der Terrasse des „Armani Ristorante“ in Dubai auf die Wassershow.
Vielen Dank an die TUI, die mir diese Reise ermöglicht hat. Weitere Berichte über Dubai findet ihr bei Angelika, Heike, Marianna, Nina, Alex, Jörg, Christoph und Johannes
7 Kommentare
Unterdrückungskultur…..oder westliche Ignoranz???
I am typically to running a blog and i actually respect your content. The article has actually peaks my interest. I am going to bookmark your website and maintain checking for new information.
[url=http://www.obpmilling.com/0320/216.html]http://www.obpmilling.com/0320/216.html[/url]