Letzten Monat hieß es Urlaub. Urlaub auf Formentera. Formentera? Balearen? Exakt. Nachdem ich in jungen Teenagerjahren bereits meine vorgefertigte Meinung über Mallorca – mit dem Ballermann als dominierendes Schreckgespenst – revidieren musste, als ich die atemberaubenden Landschaften der Insel, ihre kleinen Buchten und beeindruckenden Berge erleben durfte, ist es zwei Jahrzehnte später nun an der Zeit für ein kleines „Verzeih mir Formentera, ich wusste es nicht besser.“
Urlaub auf Formentera: off the grid
Vier Tage verbrachte ich Anfang Mai mit meinem Freund auf Formentera. Kurz vor Saisonbeginn waren wir mit den Einheimischen und einigen wenigen frühen italienischen Touristen relativ allein auf der kleinsten Baleareninsel, die nur zwei Seemeilen von der südlichsten Spitze Ibizas entfernt ist. Es war meine erste private Reise seit Langem und kurz hatte ich überlegt, komplett abzuschalten und sogar meine Kamera Zuhause zu lassen. Da ich mich aber gut genug kenne und wusste, dass es mich wahnsinnig gemacht hätte, Bilder vor meinem Auge zu sehen, ohne sie festhalten zu können (Ja, ich liebe meinen Job!), entschied ich mich im letzten Moment um. Mein Glück und vielleicht auch ein bisschen das eure, denn nur deshalb kann ich euch jetzt auf die zugegeben winzige, aber wunderschöne Insel im Mittelmeer mitnehmen und euch zeigen, was mir bei meinem Urlaub auf Formentera am meisten gefallen hat.
Urlaub auf Formentera: Balearenhopping für Anfänger
Außerhalb der Saison kann es durchaus vorkommen, dass es keinen Direktflug gibt. Mit direkt ist in diesem Fall der Zielflughafen Ibiza gemeint, da Formentera keinen eigenen Flughafen besitzt. So durften wir zuerst kurz den Flughafen von Palma de Mallorca beehren, bevor wir einen Kurzflug weiter nach Ibiza absolvierten, um schließlich im Hafen von Ibiza die Expressfähre (trasmapi) zu besteigen, die uns in knapp 30 Minuten nach La Savina, den Hafen von Formentera, bringen würde.
Zugegeben, Ibiza hat es auf der Busfahrt vom Flughafen zum Hafen tatsächlich nicht geschafft, mit meinen Vorurteilen von einer gesichtslosen und geschmacklos totplakatierten Partyinsel zu brechen, dadurch war ich jedoch nur umso gespannter auf unser Reiseziel Formentera. Die Nase in den stürmischen Fahrtwind gereckt, ließ ich meinen Blick über die tiefblaue Wasseroberfläche gleiten, schmeckte das Salz auf meinen Lippen und ließ mir die Haare zerzausen. Seit Kindheitstagen macht mich das alleine schon tief zufrieden.
Urlaub auf Formentera: Verortung in der Mini-Karibik des Mittelmeers
Von der Fähre gehüpft, Mietwagen abgeholt, Sachen im Hotel abgelegt und … und … nix und!
Schon gar nicht mehr gewohnt, ohne straffen Zeitplan, ohne To-do und To-see, ohne „nur schnell frisch machen und los!“ zu verreisen, musste ich mich selbst daran erinnern, dass das hier wirklich einfach nur Urlaub war. Einfach fünf Minuten mit dem Herzjungen vom Balkon unseres Zimmers die Gegend erkunden, sich über die einzelne Palme am Ende der Straße und das direkt dahinter türkis lockende Wasser freuen und langsam realisieren, dass tatsächlich ein paar Tage völliger Freiheit vor uns liegen … Hi Formentera, nice to meet you!
Nach ein paar Minuten Tiefenentspannung packt mich allerdings die Neugier und ich muss los!
Es ist schon später Nachmittag, das Sonnenlicht wird langsam golden und wir begeben uns auf eine erste Ausfahrt auf den wenigen Straßen der Insel. Für ein paar Stunden begleitet uns Emilio und erzählt uns die Geschichte Formenteras, die Besonderheiten der Natur und wo wir die beste Paella der Insel bekommen würden. Kurzum, er verrät uns die wichtigsten Tipps für unseren Urlaub auf Formentera.
Urlaub auf Formentera: kurzer Einschub in Geschichte
Ich weiß jetzt, dass Formentera schon 2.000 v. Chr. bevölkert war und seinen Namen den Römern verdankt (sie nannten die Insel, die sie als Kornkammer nutzten, „Frumentaria“, was man etwa mit „Weizeninsel“ übersetzen kann). Zwischendurch war sie nach zahlreichen Piratenangriffen (von denen noch heute die vier Wehrtürme erzählen, die an vier strategischen Punkten der Insel stehen), komplett entvölkert und wurde erst im 18. Jahrhundert von Ibiza aus neu besiedelt. Nachdem die Hippies die Insel in den 70ern als ihre kleines Paradies entdeckt hatten, hielt der Massentourismus erst in den 80er Jahren Einzug.
Heute wohnen auf der Insel etwa 12.000 Menschen, die in der Hauptsaison von einem Vielfachen an Touristen überrannt werden. Das mag Segen und Fluch zugleich sein, da es abseits des Tourismus keine wirklichen Einnahmequellen auf der Insel gibt. Viele Festlandspanier leben im Sommer auf Formentera und arbeiten im Tourismus, so dass die Einwohnerzahl sprunghaft auf 45.000 steigt (die Touristen sind hierbei noch nicht eingerechnet!). Außerhalb der Saison lebt es sich ohne Hast oder Eile, denn es gibt schlichtweg nichts zu tun …
Urlaub auf Formentera: im Rhythmus der Zeitlosigkeit
Es mag ein kleines Paradies sein, doch ist es auch das Letzte im Mittelmeer, das wie aus der Zeit gefallen scheint. Formentera betreten heißt, das Tempo abzulegen und den eigenen Rhythmus zu ändern. Uns erwarten weiße Sandstrände, einsame Buchten, Pinienwälder, wüstenartige Mondlandschaften und über 100 m hohe Steilklippen. Müdigkeit und Hunger unsere einzigen Taktgeber, erkunden wir das Eiland von Osten nach Westen, von Norden nach Süden, vorbei an historischen Salinen und bis ins Hinterland hinein, klettern in eine Höhle und folgen den Wanderpfaden kreuz und quer. Ich würde gerne schreiben „Abenteuer ist unser steter Begleiter“, doch das wäre allzu pathetisch in Anbetracht der Niedlichkeit dieser Insel. :)
Abgestützter Feigenbaum auf Formentera, der den Tieren Schatten spendet
Kurven, Kurven, Kurven auf dem Weg nach „La Mola“
Urlaub auf Formentera: 50 shades of turqoise
Eines der wenigen Dinge, das mich niemals müde macht: aufs Meer schauen. Und auch nach all den Jahren macht es mich sprachlos, dass mir dieses simple Schauspiel jedes Mal den Atem raubt. Stundenlang könnte ich aufs Wasser blicken, auf spiegelglatte Oberflächen oder aufgepeitschte See, auf wildes Wellen- und teilweise noch wilderes Farbenspiel. Und kann ich der Farbe Blau „im normalen Leben“ nichts abgewinnen, bin ich verliebt in all die blauen und türkisen Schattierungen, mit denen das Meer vor mir angibt.
Zurecht von sich überzeugt ist das Meer am Strand von „Es Caló“. Die Szenerie sieht aus wie eine Fototapete, bei der jemand gewaltig am Farbsättigungs-Regler gedreht hat. Immer wieder schütteln wir abwechselnd mit dem Kopf ob dieser Farben. Hier soll es nun auch sein, das Restaurant mit der besten Paella der Insel, „Can Rafalet“. Die Speisekarte läuft über vor leckeren Gerichten, die einem das Meer quasi direkt auf den Teller legt, aber wir bleiben dabei: Paella soll es sein! Emilio sollte Recht behalten, Paella at its best. Zum Nachtisch quatscht mir der übermütige Kellner noch die inseltypische Greixonera auf, eine Art Pudding mit Zimt, der Teller liebevoll vom Kellner verziert. Wo ich schon bei Empfehlungen bin: der Weißwein der Insel, „Savina“, der im Can Rafalet serviert wird, rundet diesen Ort der Superlativen perfekt ab!
Beste Paella aller Zeiten und Koch mit Künstlerqualitäten (und Geduld)
Urlaub auf Formentera: kleine Orte und ganz viel Urtümlichkeit
Auf Formentera lassen sich alle größeren Orte über die drei Hauptstraßen erreichen, wobei „größer“ auch hier mit bedacht als Wort gewählt werden muss. Gerade einmal 1.500 Einwohner hat die Hauptstadt der Insel, San Francesc Xavier (von den Inselbewohnern liebevoll San Francisco genannt) und ist damit gleichzeitig die größte Siedlung der Insel. 1738 gegründet, findet man hier auch das Rathaus, sowie die gleichnamige Kirche mitsamt Friedhof.
Es gibt fußballspielende Kinder auf der Straße, sowie eine Handvoll kleinerer Gassen zum Schlendern und Shoppen, Cafés und Eisläden. In der Nebensaison machte zu meiner großen Freude jedoch selbst die Hauptstadt einen eher verschlafenen Eindruck. Neben San Francisco gibt es noch die Ortschaft „Sant Ferran de Ses Roques“, welche in den 70ern Hauptort der Hippies und Bohemians war, sowie „Es Pujols“, welche man als touristisches Zentrum Formenteras betrachten kann und wo sich, neben unserem, auch insgesamt die meisten Hotels tummeln. Das ehemalige Fischerdorf besitzt eine typische Strandpromenade, an der sich zahlreiche Restaurants aneinander reihen und man konnte die Ruhe vor dem Sturm der Sommersaison spüren, wurden doch überall noch die letzten Handgriffe an neu gebauten Straßen, Parkplätzen und Wegen erledigt. Die Insel wappnet sich.
Abseits der Hauptstraßen beginnt sie, die Ländlichkeit und Ursprünglichkeit der Insel, die Ruhe und Abgeschiedenheit. Wir wandern teils über breitere Sandpisten, vorbei an Häusern inmitten von landwirtschaftlichen Feldern, teils verschlungene Pfade entlang, hin und wieder ein Haus am Wegesrand, das von Rückzug und Erholung erzählt. Wir folgen Strommasten und Trockenmauern, und manchmal auch einfach nur dem Geruch des Meeres. Die absolute Stille, die einem in der Stadt so oft fehlt, genießend, werden auch wir zeitweilig wortkarg, naschen frische Feigen und laufen, laufen, laufen.
Trockenmauern entlang der Wanderrouten
32 sogenannte „Grüne Wege“ gibt es auf der Insel
Hin und wieder ein gemütliches Wohnhaus in der Abgeschiedenheit
Proviant für den Weg
Kaktusfeigen & Staub
Urlaub auf Formentera: Insel der Seefahrer, Hippies und Piraten
Aus längst vergangenen Tagen stehen auf der Insel noch immer mehrere Wehrtürme, die einst vor den Piraten schützen sollten, sowie die zwei Leuchttürme „Far de la Mola“ und „Cap de Barbaria“ an den äußeren südlichen Enden der Insel. Die Hochebene „La Mola“ markiert dabei das östlichste Ende Formenteras und zeitgleich den höchsten Punkt des Eilands, mit 192 m über dem Meeresspiegel.
Die Straße zum Leuchtturm und eine der zahlreichen niedlichen Eidechsen
Von hier bietet sich ein majestätischer Blick bis zum Horizont; und nicht weniger majestätisch muss es für die Seefahrer ausgesehen haben, als sie aus der Ferne die Steilklippen und den Leuchtturm erblickten, der sie jahrhundertelang sicher nach Hause geleitete.
Auch wenn das Cap de Barbaria am südwestlichen Zipfel nur knapp 100 m hoch liegt, gewinnt es das interne Leuchtturmduell. Einerseits wegen der kurvigen schmalen Straße, die sich minutenlang Richtung Küste windet, links und rechts nur flache, mit niedrigen Büschen bewachsene Ebenen, bis man um eine Kurve biegt und quasi fast direkt vor dem Leuchtturm steht, zum Anderen aufgrund der kleinen versteckten Höhle einige Meter vom Leuchtturm entfernt … Ich hatte doch das Wort Abenteuer erwähnt? Ein wenig Indiana Jones schwang in diesem Moment schon im Subtext mit.
Wildromantisch und wahnsinnig abenteurermäßig: das Cap de Barbaria …
… inklusive Indiana Jones Höhle :)
Urlaub auf Formentera: so viel Schönheit auf so wenig Platz
Bevor meine Schreiberei komplett ausufert, hier noch eine Handvoll weiterer Tipps für einen Trip nach Formentera:
- „Es Mirador“: Auf dem Weg zur Hochebene von La Mola kommt man zwangsläufig am Restaurant „Es Mirador“ vorbei. Der Name ist Programm, denn von hier aus habt Ihr definitiv einen der besten Ausblicke auf die Insel. Außerdem gibt es hier meinen neuen Lieblingskuchen jeden Tag frisch selbst gebacken: „Flaó“ – eine Art Käsekuchen mit Minze. Sündhaft lecker.
- Ebenfalls auf dem Weg liegt der Kunst- und Handwerksmarkt von La Mola, auf dem seit 1984 (immer zwischen Mai-Oktober) ausschließlich einheimische Künstler ihre Waren anbieten. Dazu gibt es Straßenkünstler und -musiker und eine tiefenentspannte Hippie-Atmosphäre. Da ich ja ungern Nippes, aber wahnsinnig gerne Erinnerungen von meinen Reisen mitbringe, habe ich dort einen Ring in Form eines Posidonia-Grashalmes gekauft. Posidonia ist nämlich das nur in dieser Gegen des Mittelmeeres vorkommende Neptungras, das für das unglaublich klare Wasser um Formentera verantwortlich ist.
Hippiemarkt von El Pilar de Mola
- Die berühmten Strände von Illetes und Llevante im Norden der Insel besuchen. Sie liegen an der Ost- und Westseite der schmalen Landzunge, die zur winzigen Nachbarinsel L’Espalmador führt und man kann quasi in der Mitte sein Strandtuch ausbreiten. Auf einer Seite kann man sich in windgepeitschte Wellen werfen, während das Meer auf der anderen Seite beinahe windstill vor einem liegt. Definitiv ein Ort, an dem man einige Stunden verbringen kann.
Wilde Wellen auf der einen, absolute Ruhe auf der anderen Seite
- Neben der Paella, sollte man unbedingt auch die übrigen kulinarischen Köstlichkeiten auf der Insel genießen. Wärmstens empfehlen kann ich hier das Restaurant Pinatar. Wir hatten an unserem letzten Abend auf Formentera eine Auswahl der typischen Vorspeisen und den hauseigenen Sangria und waren von Essen und zuvorkommender Bedienung gleichermaßen begeistert. Völlig zurecht wird das Restaurant im Michelin Guide empfohlen.
- Ein simpler Rat zum Schluss: Nehmt euch die Zeit, die magischen Sonnenuntergänge auf der Insel zu genießen. Einen Abend am Rand der Steilklippen, einen anderen an der Strandpromenade mit den Füßen im Sand …
Mein Dank für die wunderbare Reise und Organisation vor Ort gilt dem Spanischen Fremdenverkehrsamt Berlin. Ich bin Preisträgerin des diesjährigen Preises für den besten Bloggerbericht über Spanien (für meinen Beitrag über Lanzarote) und diese Reise war ein Teil der Auszeichnung.
Text und Fotos: Laura Droße
4 Kommentare
Besser kann man es nicht auf den Punkt bringen ??
Toller Reisebericht, waren 1972 das erste mal auf der Insel und konnte vieles wieder in Erinnerung abrufen. Damals konnte man noch in der Hauptsaison die Insel genießen. Vielleicht werden wir in der ruhigen Zeit nochmals kommen. Danke für den schönen Bericht über die tolle Insel ????
Da schreibst du einen wunderbaren Reisebericht über Formentera , Ich war in den 70 Jahren öfter da und lebte eine Zeitlang in La Mola in einem der alten Steinhäuser . Es war eine wunderschöne Zeit dort , Es war die Zeit der Hippies und wir waren damals ein buntes Völkchen . Ich hoffe noch einmal diese schöne Insel wieder besuchen zu können , Ich konnte vieles in Deinem Bericht für mich wieder entdecken , vieen Dank nochmals für die schöne Erinnerung in die Vergangenheit ,vielleicht klappts ja noch einmal , vielen Dank