
Jenseits des Waldes, dort wo Graf Dracula sein Unwesen treibt, die Wölfe heulen und Braunbären in den Bergen herumstromern, wurde ich geboren. Transsilvanien – das konnte ich bisher noch nicht einmal richtig schreiben. Übersetzt heißt das „Jenseits der Wälder“.
Außerdem spreche ich Dialekt. Das liegt nicht daran, dass ich in Baden aufgewachsen bin, gell, sondern mir meine Eltern noch eine Sprache beigebracht haben, die ausstirbt, da man sie eigentlich nicht aufschreiben kann: Do rieden mir Siweberjesch Såksesch – Siebenbürger Sächsich. Verwirrt? Verständlich.
Die Siebenbürger Sachsen sind ein deutschstämmiges Volk, das sich vor vielen hundert Jahren im fruchtbaren Rumänien niedergelassen hat und einen Teil des Landes, den man Transsilvanien oder auch Siebenbürgen nennt, bis in die späten 1980er Jahre besiedelten. Viele Jahrhunderte haben meine Vorfahren also in diesem, mir so fremd erscheinenden Land, verbracht, jetzt war es an der Zeit, sich das mal anzuschauen und Urlaub in Rumänien zu machen.
Draculas Heimat! Bisher kannte ich Siebenbürgen nur von kurzen Besuchen als Kind und aus den Erzählungen meiner Großeltern, wo von Kriegszeiten und Sozialismus die Rede war. Meine Eltern fanden mein latentes Unwissen nicht akzeptabel und nahmen mich in ihrem VW Bus mit auf eine 12-tägige Rundreise in ihre Heimat und mein Geburtsland, um im Schnelldurchlauf die wichtigsten Orte kennenzulernen – Siebenbürgen für Anfänger, sozusagen.
Zwar war ich im Urlaub in Rumänien schon in Bukarest und an der Schwarzmeerküste in Constanta, bin aber noch nie ausschließlich durch das „Land“ meiner Eltern gereist. Die Landschaft Siebenbürgens stellte ich mir zwar malerisch, aber eher langweilig vor, zumal das Wandern „jenseits der Wälder“ nicht ganz oben auf der Liste meiner Lieblings-Freizeitbeschäftigungen stand (was sich in den letzten Jahren geändert hat). Was soll ich sagen, ich habe mich geirrt und will euch deswegen auf keinen Fall vorenthalten worauf ihr euch gefasst machen könnt, wenn ihr euch mutigen Herzens ins Vlad Tepes’ Land aufmacht. Den Knoblauch könnt ihr zuhause lassen, den gibt’s in Rumänien an jeder Ecke in großen Zöpfen zu kaufen, da er ein unverzichtbarer Bestandteil in so ziemlich allen rumänischen Hauptgerichten ist.
Hier nun mein „Siebenbürgen für Anfänger in sieben Schritten“:
1. Urlaub in Rumänien – Pferdekutschen und die Entdeckung der Langsamkeit
Einbisschen ist es tatsächlich so, als wäre man aus der Zeit herausgefallen. Die 150.000 Einwohner- Stadt Sibiu (Hermannstadt) mit ihren historischen Häusern, dem großen Marktplatz und verwinkelten Gässchen erinnert an mittelalterliche Filmkulissen. Sehr pittoresk, fast kitschig reihen sich kleine Eisenwarenhandel, Buchläden, aber auch Filialen der bekannten kommerziellen Ladengeschäfte aneinander. „Hermannstadt hat sich gemacht“ – sagt meine Oma immer. Der aktuell neu gewählte rumänische Staatspräsident Klaus Johannis ist hier seit 14 Jahren Bürgermeister.
Fährt man landeinwärts weiter an den kleinen Nachbargemeinden und Dörfern vorbei, ticken die Uhren gaaanz langsam. Pferdekutschen, unebene Pflasterstein-Straßen und Schafherden, die den Weg kreuzen – warum war das neue Iphone 6 nochmal so wichtig?
2. Urlaub in Rumänien – Schnaps in Heltau
Die Gastfreundschaft der ehemals sozialistischen Ostblock – Länder hat sich ja schon herumgesprochen und klingt wie ein zu oft gehörtes Klischee.
Tja, aber es ist tatsächlich so: Klopf an eine Tür und sie wird Dir geöffnet. Was vielleicht noch nicht jeder weiß, ist, dass man dann auch einigermaßen trinkfest sein sollte. Es gilt als Beleidigung des Gastgebers keinen Schnaps mit diesem zu trinken. Selbstgebrannt, natürlich. Ein obligatorisches Bild in vielen Haushalten ist also die 1,5 Liter ehemalige Cola-Plastikflasche, die eine gelb-bräunliche Flüssigkeit enthält. Tuica (sprich Zuike). Ein Hochhochhoch-Prozentiger, der aus diversen Pflaumenarten hergestellt wird. Hoch die Tassen! Ein nicht unwesentlicher Tipp am Rande: Sagt lieber nicht „Prost“ beim Anstoßen, damit beleidigt ihr den Gastgeber als Dummkopf. Beliebt macht man sich mit dem schönsten und simpelsten Trinkspruch der Welt: Noroc! (das bedeutet einfach Glück und ist ganz leicht auszusprechen).
3. Urlaub in Rumänien – Sighisoara und was Prinz Charles mit Dracula zu tun hat
Sighisoaras (Schäßburg) historisches Zentrum wurde 1999 zum Unesco Weltkulturerbe deklariert. Ihr solltet auf jeden Fall einen Abstecher hierhin machen, denn das Städtchen mit seinem mittelalterlichen Marktplatz ist wunderschön pittoresk und hat sich ordentlich herausgeputzt. Leider kommt man nicht um Dracula herum, der hier als ein gewisser Vlad Tepes geboren sein soll, was natürlich erbarmungslos als Touristenattraktion ausgeschlachtet wird. Tja, wir haben es nicht anders gewollt. Ich bin kein Spaßverächter, aber das sogenannte „Vlad-Dracul-House“, das im Grunde aus Souvenir-Shops besteht, könnt ihr getrost links liegen lassen. Es sei denn ihr steht auf trashige Transsilvanien-T-Shirts (kein unlustiges Souvenir) oder habt eine Schwäche für Geisterbahnen.
Glücklicherweise wurde unlängst Schlimmeres verhindert: Eine Bürgerinitiative, unterstützt von keinem geringeren als dem britischen Thronfolger Prince Charles, wehrte sich mit Erfolg gegen einen geplanten „Dracula-Vergnügungspark“. So wurde die schöne Landschaft um Sighisoara erhalten.
4. Urlaub in Rumänien – Hollywood und Braunbären
Europas größte Braunbärenpopulation ist in Rumänien angesiedelt. Verantwortlich dafür ist der ehemalige Staatspräsident Nicolae Ceaușescu, der die Tiere unter Schutz stellen ließ, um hohen Staatsgästen bei der Braunbär-Jagd nicht die Tour zu vermasseln (gut, dass diese Zeiten vorbei sind). Bis zum Stadtrand größerer Städte, wie Brasov (Kronstadt) trauen sich hungrige Bären, die Futter in den großen städtischen Mülltonnen suchen. Es ist ein nicht mehr ganz so geheimer Insidertipp, sich bei Anbruch der Dunkelheit mit dem Taxi in die potentiellen „Braunbär-Viewing“- Gegenden chauffieren zu lassen, in der Hoffnung einmal einen Blick aus nächster Nähe auf einen wild lebenden Braunbären zu erhaschen, ohne sich dafür in größere Gefahr zu begeben.
Bären haben wir in Brasov nicht entdeckt, dafür aber den perfekten Aussichtspunkt mit einem atemberaubenden Blick über die ganze Stadt.
Mit der Seilbahn fährt man den Hügel hinauf, den auch der Schriftzug im Hollywood Style, ziert. Dort gelangt ihr nach einem kurzen Marsch hinter ebendiesen Schriftzug BRASOV, von wo aus ihr einen herrlichen Ausblick habt.
5. Urlaub in Rumänien – Schloß Bran – Schon wieder Dracula
Der Mythos Dracula ist in allgenwärtig, wenn man als Reisender in Transsilvanien unterwegs ist. Die volle Vampir-Dröhnung bekommt man auf Schloss Bran – Bran Castle. In Wahrheit hat ein walachischer Fürst namens Vlad Tepes, der Bram Stoker’s literarischer Graf Dracula Figur Pate stand und den es tatsächlich gab, das Schloss Bran nie betreten.
Vielmehr diente Bran als Inspirationsquelle Stokers bei der Beschreibung des Schloss Dracula. Um den Mythos aufrechtzuerhalten huscht ein verkleideter Touristenschreck hier durch die Gänge und die obligatorischen T-Shirts gibt es natürlich auch. Das Schloss selbst sieht tatsächlich etwas verwunschen aus und wenn man durch die ehemals bewohnten, mittlerweile zu Ausstellungsräumen umfunktionierten Zimmer, ausstaffiert mit Original-Möbelstücken der Familie Habsburg, wandert, wird man unwillkürlich in den Bann der bewegten Geschichte dieses Ortes gezogen.
Der Weg ist bei dieser Reise das Ziel: Bran liegt etwa 30km von Brasov entfernt und unterwegs führen schluchtenartige Straßen an steilen Felswänden und kristallklaren Bergbächen entlang. Am Straßenrand haben Händler ihre Stände aufgebaut und verkaufen handgefertigte Keramik (sehr schön!), sowie flauschiges und Skurriles aus Schafwolle.
6. Urlaub in Rumänien – Ganz tief unten
Ein Traum für jeden, dem notorisch das Salz in der Suppe fehlt: Wir befinden uns in der Saline von Turda, einem ehemaligen Salzbergwerk von 526 Metern Länge, tief unter der Erde. Über eine schwindelerregend steile Holztreppe gelangt man zwischen salzweißen organisch geformten Felswänden nach unten in die riesige, ähm ja…Sporthalle. Unerwarteter Weise erstrecken sich so tief unter der Erde ein astreiner Kinderspielplatz mit allem Drum und Dran, mehrere Tischtennisplatten und sogar eine Bowlingbahn.
Außerdem befindet sich dort unten ein gar nicht mal so kleiner Salzsee, auf dem man mit Booten herumpaddeln kann, was bei einer Lichtstimmung á la „Apocalypse Now“ einbisschen beunruhigend, aber wahnsinnig romantisch ist.
7. Urlaub in Rumänien – Siebenbürgen für Anfänger – der Weg ist das Ziel
Wie schon erwähnt, lohnt es sich auf jeden Fall auf dem Reiseweg spontane Stops einzulegen. Von Roma Familien, die vor der Haustür ihre sehr schönen Kupfererzeugnisse verkaufen (Verhandlungsgeschick ist hier unbedingt notwendig, also solltet ihr lieber einige Brocken Rumänisch draufhaben), über Tiere am Straßenrand, bis zu kleinen Märkten, die Lebensmittel, regionalen Honig, Keramik und Felle anbieten. Die authentische rumänische Küche findet sich weniger im touristischen Zentrum der großen Städte, sondern lässt sich am Besten unterwegs in einem der vielen kleinen örtlichen Lokalen ausprobieren. Diese Küche ist nichts für den schwachen Magen: Viel Fleisch, wie die beliebte gebratene fettige Wurst (Mici, sprich Mitsch), Polenta mit Käse (Mamaliga cu Branza) und mit Hackfleisch gefüllte Paprika muss man schon mögen, aber auch als Vegetarier finden sich zahlreiche Gerichte und vor allem viel Gemüse und Salat auf den Speisekarten. Unbedingt probieren sollte man (als Fleischesser) in Cluj-Napoca das „Klausenburger Kraut“, ein Gericht aus Hackfleisch, Sauerkraut und Reis.
Wer Lust hat ein ungewöhnliches Land ohne die obligatorischen Touristenmassen zu erkunden, ein Abenteuer in den Karpaten zu erleben und mal eben aus der Zeit zu fallen, ohne mehr als zwei Stunden Flugzeit in Kauf zu nehmen, sollte im Frühjahr oder Herbst (im Sommer ist es sehr heiß, im Winter arschkalt) einen Trip nach Transsilvanien planen. Urlaub in Rumänien. Mit einem Mietauto, dem Zug, oder, für die Sportler unter uns, mit dem Fahrrad, kann man in zwei Wochen wunderbar rundum reisen und Eindrücke, wie Puzzleteile sammeln, die sich zu einem kleinen, aber wichtigen Teil eines vielseitigen und sehenswerten Landes zusammensetzen. Noroc!
Christine: Na, habe ich zu viel versprochen? Nein! Ich will nach Transsilvanien und Urlaub in Rumänien machen! SOFORT! Hier kommen jetzt noch viele, tolle Fotos. Wenn ihr noch mehr von Petra sehen möchtest, dann schaut HIER vorbei!
14 Kommentare
Danke für den tollen Post! Ich hab mich wirklich drüber gefreut!
Meine Eltern stammen nämlich ebenfalls aus Siebenbürgen, leider spreche ich den Dialekt (und Rumänisch) gar nicht.
Mit meinen Eltern waren wir bis zur Wende jedes Jahr „unten“. 2003 und 2008 habe ich dann noch eine Busreise mit dem hiesigen „Siebenbürger Sachsen Verein“ gemacht, was ich sehr spannend fand. Und seit dem wird sich sicherlich noch einiges getan haben!
Eine weitere Reise steht auf jeden Fall auf meiner to-do Liste, weil es noch so viel gibt, das ich nicht gesehen hab!
LG MissXoxolat
Also wenn du Nachhilfe brauchst, Petra weiß bescheid ;)
Eigentlich ist der Dialekt ganz leicht: Deutsch mit vertauschten Vokalen ;-)
Freut mich, dass Dir der Post gefallen hat – umso mehr, weil Du ja quasi Siebenbürgen Profi bist!
Er kommt halt nicht wirklich leicht über die Lippen, wenn man nicht damit aufgewachsen ist – so wie jeder Dialekt. Und bei diesem finde ich es besonders schade, weil die Sachsen inzwischen so weit verstreut sind.
Schöne Bilder und wirklich gut geschrieben aber Rumänien als Reiseland … Schwierig.
Wieso denkst du das?
Ich weiß nicht wie ich es formulieren soll ohne das es zu negativ oder heftig rüberkommt.
Aber Rumänien ist für mich einfach kein Reiseziel.
Mir fällt einfach kein einziger Grund ein warum ich da hinfahren sollte!
Gastfreundschaft? Gibt es zig Alternativen in jeder Preisklasse.
Sonne, Strand & Meer? Wär jetzt auch nicht mein erster Gedanke ‚auf nach Rumänien‘.
Kultur? Siehe Gastfreundschaft.
Usw. …
Ich denke, es gibt immer Länder, die nicht ganz oben auf der „da-möchte-ich-unbedingt-mal-hin“ Liste stehen. Meiner Meinung nach ist Rumänien aber tatsächlich unterschätzt – ich schreibe ja zum Beispiel nur über einen kleinen Teil des Landes, dabei gibt es noch so viel mehr zu sehen: landschaftlich (Donaudelta, Karpaten), urban (Bukarest), sowie Strand&Meer (Schwarzmeerküste). Und kulturell gesehen ist ein ehemals sozialistisches Land schon alleine aufgund seiner Geschichte eine Reise wert. Meine Meinung.
Dann…bleib bitte in Deutschland,und urlaub nach Malorca.Ist einfach so besser für dich.Ich bin rumena,und stolz darauf.Ich lebe in Deutschland,und trotzdem eine ganz komplizierte sprache,ich Liebe Deutschland.So wie ist.Mit schlechte und gutte.Aber noch mehr für dich:Ich Liebe unsere Welt,weil wunderschon ist.Tschao.
Sehr schöner Bericht!!! Wir wollen in den nächsten Tagen Richtung Rumänien starten … Campen :-) sind sehr gespannt und freuen uns. LG Amelie
Viel Spaß!!!
Hallo, hört sich vielversprechend an.
Ich plane mit Freunden eine Tour über ein verlängertes Wochenende.
Jetzt mal meine Frage:
Gibt es einen Tipp für eine vorOrt Reiseleitung, die man buchen könnte?
Und falls möglich mit deutscher Sprache?