Der Boden unter uns schaukelt leicht hin und her, über uns kreischen die Möwen in der Luft, das Wasser vor uns glitzert im Morgengrauen. Warm eingepackt mit Kapuze, Schal und Handschuhen stehen wir an der Reling der Baltrum III und warten darauf, dass es endlich losgeht. Noch liegt das Fährschiff im Hafen von Neßmersiel vor Anker. Neßmersiel ist ein kleiner Ort nördlich von Aurich in Ostfriesland, direkt am Meer. Mein Freund und ich verbringen hier ein langes Wochenende. Unser Ziel heißt heute Baltrum. Die kleine Insel liegt in rund fünf Kilometern Entfernung in der Nordsee. Die nach ihr benannte Fähre wird uns dorthin bringen.
Baltrum ist die kleinste Einheitsgemeinde Ostfrieslands und dünn besiedelt, dennoch gibt es dort 20 kleine Wanderungen zu entdecken. Ob auf der Aussichtsdüne mit Blick auf das Weltnaturerbe Wattenmeer, oder eine Wanderung zur alten Inselkirche – es gibt viele kleine verschiedene Wege, die einem eine neue Sicht auf die kleine Insel verschaffen. Und das Beste: Die Insel ist autofrei und verspricht absolute Ruhe und Entspannung. Und gerade im Winter zeigt sich die Insel von ihrer rauen, vielleicht sogar von ihrer schönsten Seite.
Über dem Wattenmeer geht die Wintersonne auf.
Wandern auf Baltrum – Anreise mit der Fähre Baltrum III
Nachdem die letzten Passagiere an Bord gekommen sind, macht die Besatzung pünktlich um 8.45 Uhr die Leinen los. Während das Schiff langsam Fahrt aufnimmt, spielt sich am Horizont ein Spektakel ab: Der Himmel färbt sich rosa – genauso wie die Wasseroberfläche. Plötzlich taucht dazwischen ein orangefarbener Feuerball auf – über dem Meer geht die Sonne auf. Während der 30-minütigen Fahrt gibt es noch mehr zu sehen: Wir passieren eine Sandbank, auf der sich dutzende Seehunde in der aufgehenden Sonne aalen. Einige der Tiere liegen rücklings im Wasser und strecken ihre Schwanzflossen in die Luft. Ihr Fell schimmert glänzend im Morgenlicht.
Wandern auf Baltrum – Wenn das Wetter nicht mitspielt, hilft nur warme Kleidung
Die Hoffnung auf einen sonnigen Tag erfüllt sich aber leider nicht. Bei der Ankunft im Insel-Örtchen Westdorf zeigt sich der Himmel wolkenverhangen. Ein eisiger Wind pfeift uns ins Gesicht und zerrt an unseren Jacken. Rund vier Stunden haben wir nun Zeit, die Insel wandernd zu erkunden. Um 13.30 Uhr wird uns das Schiff zurück nach Neßmersiel bringen, denn fahren kann die Baltrum III nur bei Flut. Deswegen geben die Gezeiten auf der Insel den Takt an: Weil der einzige Mitarbeiter der Volksbank-Filiale auf dem Festland wohnt, richten sich die Öffnungszeiten nach dem Linienplan der Fähre.
Ganz nach dem Motto „Es gibt kein schlechtes Wetter, es gibt nur schlechte Kleidung“ zurren wir unsere Schals fester, schnüren die Wanderschuhe enger und stapfen los, dem Wind entgegen. Als erstes steuern wir den Strand an. Weil der komplett in Nebel eingehüllt keine Anstalten macht, uns zu einem Spaziergang einzuladen, beschließen wir, durch die Dünen Richtung Osten zu wandern und anschließend am Strand wieder zurück zu laufen.
Der Wind hat diesen Baum in seine schiefe Form gezwungen.
Kleine Holzhütten in den Dünen bieten Schutz vor Unwetter.
Wandern auf Baltrum – Durch die Dünenlandschaft
Die Dünenlandschaft, durch die wir wandern, liegt im Winterschlaf. Gräser und Sträucher säumen von Raureif überzogen wie erstarrt unseren Weg. Vom Sturm verbogene Bäume ragen blattlos in den Himmel. Das Eis auf den zugefrorenen Pfützen knarzt unter unseren Schuhen. In einer kleinen Schutzhütte am Wegesrand machen wir eine kurze Pause, ziehen unsere Thermoskanne aus dem Rucksack und schlürfen warmen Tee. Das tut gut.
Irgendwann lichten sich die Dünen und wir wandern durch überflutete Wiesen weiter Richtung Norden, Richtung Strand.
Auf den Wiesen im Osten der Insel haben sich riesige Pfützen gebildet.
Der Strand von Baltrum ist im Winter menschenleer.
Wandern auf Baltrum – Menschenleerer Strand und Berge von Muscheln
Dort stellen wir erfreut fest, dass sich der Nebel aufgelöst hat. Hier und da scheint durch die grauen Wolken sogar ein Stück blauer Himmel. Vor uns liegt der Strand – unglaublich breit und unendlich lang sieht er aus. Wir machen uns auf den Rückweg. Neben uns staksen Möwen durch die heranrauschenden Wellen und ziehen mit ihren Schnäbeln Essbares aus dem Wattenmeer, andere lassen sich vom Wind durch die Luft tragen. Wir laufen über Berge von Muscheln – von Weiß, Beige über Blau, Braun und Schwarz sind die unterschiedlichsten Farbtöne dabei.
Herzmuscheln, Miesmuscheln, Schwertmuscheln: Alles voll damit am Strand.
Möwen wie diese fressen alles, was sie in den Schnabel bekommen.
Wandern auf Baltrum – Fähre zurück zum Festland
Immer häufiger tauchen andere Spaziergänger vor uns auf – das Zeichen, das wir nicht mehr weit von Westdorf entfernt sind. Gegen 13 Uhr erreichen wir den kleinen Insel-Ort. Die Wartezeit bis zur Abfahrt der Fähre überbrücken wir in einem kleinen Fischgeschäft mit frischen Matjes- und Lachsbrötchen. Kurz vor 13.30 Uhr legt die Baltrum III wieder am Hafen an.
Am Fähranleger liegen dutzende Karren zum Transportieren der Koffer, denn auf Baltrum gibt es keine Autos.
Nachdem alle Passagiere, die angereist sind, um länger auf der Insel zu bleiben, ausgestiegen sind, dürfen wir das Schiff betreten. Am Fenster ist ein Platz frei. Wir setzen uns und holen die Thermoskanne heraus, trinken die letzten Tassen heißen Tee und lassen den Blick hinaus über das Meer schweifen. Das Wasser steht jetzt so hoch, dass die Sandbank und mit ihr Seehunde verschwunden sind. Macht nichts: Auf dem Smartphone-Display schauen wir uns die auf der Hinfahrt geknipsten Schnappschüsse an: Wie drollig sie aussehen, die nass-glänzenden dicken Seehunde im Sonnenlicht. Nach einer halben Stunde legt die Fähre wieder in Neßmersiel an. Unser Insel-Ausflug ist zu Ende. Wir sind zurück auf dem Festland.
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Text und Fotos: Katharina Klöber
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