Wie das Dschungelcamp mein Leben verändert

Mein Dschungelcamp-Coming-Out: Es geschah letzten Samstag. Es war einer jener Samstage, an denen man um die Mittagszeit aufwacht, erst mal drei Stunden nicht schafft aufzustehen und wenn, dann ist es schon wieder dunkel. An solchen Tagen kann man gut auf Sonnenschein verzichten. Zu grelles Licht würde nur die Kopfschmerzen fördern. Man vegetiert vor sich hin, die einzige Bewegung ist das Klimpern mit den Augen und vielleicht wälzt man sich mal von der rechten auf die linke Seite. Diesen Zustand nenne ich komatöse Katerstimmung, die mittlerweile in meinen fortgeschrittenen Alter nicht mehr nach einer Flasche Wein, sondern zwei Gläsern auftritt. Ich muss mir also jedes Mal, wenn ich weggehe überlegen, ob ich es mir leisten kann am nächsten Tag regungslos dazuliegen und Eis zu fressen. In diesem Zustand habe ich letzten Samstag den Fehler gemacht und meinen Laptop angeschaltet. Ich weiß gar nicht wie es soweit kommen konnte, doch plötzlich packte mich etwas und sog mich ganz tief hinein. Ich war nur auf Facebook und dann habe ich auf irgendeine effekthaschende Überschrift geklickt und schon lief die Wiederholung vom Dschungelcamp-Einzug und ich hatte nicht genug Kraft wieder wegzuschalten und schaute gebannt zwei Stunden auf meinen Laptop und hatte sogar so etwas wie einen kleinen Glücksmoment, als ich die Kandidaten beim Fallschirmspringen sah und an meinen eigenen Sprung denken musste. Nach der Wiederholung kam die neue Sendung und ich schaffte es wieder nicht weg zu schalten und so geschah es, ich war drauf. Vollkommen drauf.

In Berlin gibt es ein paar Sachen, die man auf keinen Fall sagen sollte, wenn man im Becken der Coolheit mitschwimmen möchte.

1. Ich möchte keine fettarme Milch. Auch keine Soja-, Mandel- oder lactosefreie Milch. Ich stehe auf vollwertige 3,8%-ige Milch. Am besten direkt aus dem Euter in meinen Mund.

2. Ich habe etwas an, dass ich weder auf dem Flohmarkt, noch im Designerladen gekauft habe, sondern in irgendeinem Ghettoschuppen in Kreuzberg, in den sonst nur Bling-Bling-Bunnys reingehen.

3. Ich schaue das Dschungelcamp.

Normalerweise sollte man sagen, dass man ARTE mag, obwohl man keinen Fernseher hat und Zeitungen ganz toll finden, obwohl man kein Abo hat. Aber niemals nie schaut man das Dschungelcamp. Da kann man ja gleich nach Marzahn ziehen. Ich habe mich schon mal nach Wohnungen dort umgeschaut…

Ich wollte es erst geheim halten und niemanden davon erzählen, dass ich das Dschungelcamp schaue. Aber ich merkte, wie mich die Sucht überkommt und alle denken ich bin ein bisschen gaga. Ich freute mich, wenn Freundinnen schon um halb zehn müde waren und nach Hause gingen, damit ich pünktlich um 22:15 mit meinem Laptop im Bett liegen konnte. Ich legte alle abendlichen Termine zwischen 18 und 19 Uhr mit der Hoffnung wieder pünktlich zu Hause zu sein. Wenn es knapp wurde, nahm ich mir sogar ein Taxi. Am Mittwoch hätte ich sogar fast Freunden abgesagt, weil ich es kaum ertragen konnte nicht live dabei zu sein, wenn Larissa und Winfried in die Dschungelprüfung gehen. Oh mein Gott, ich kenne schon all ihre Namen. Weist mich ein, ich bin verrückt!!!!

Es ist heute ein großer Schritt für mich, mein Coming-Out zu haben und zuzugeben – JA, ich schaue das Dschungelcamp. Natürlich suche ich nach Erklärungen. Wie konnte das passieren? Wie konnte ich meinem Lieblingssender zdf_neo mit all meinen Lieblingssendungen, die sonst kein Schwein kennt wie: „Herr Eppert sucht…“ oder das „Neo Magazin“ untreu werden und auf dem Dschungelcamp hängen bleiben?

Verschiedene Möglichkeiten für meine Dschungelcamp Sucht:

A) Vielleicht habe ich letzte Woche bei der Fashion Week einen Coolheits-Colla bekommen und fahre jetzt das absolute Anti-Programm. Das sieht folgendermaßen aus: Ich sitze im Jogginganzug vor dem Laptop, fresse Eis, von dem jeden Tag irgendwas auf mein T-Shirt tropft, das mittlerweile schon ein wildes Muster hat, und rülpse so laut ich kann, was ich mit einer Dezibel-App auch noch messe und in mein Notizbuch eintrage. 20.01.2014 80 Dezibel.

B) Ich fühle mich den Dschungelcamp-Besuchern absolut solidarisch verbunden. In meiner Wohnung habe ich gerade ähnliche Zustände. Erst gab es einen Tropenregen vom Boiler, anschließend eine Hochwassergefahr vom Spülkasten, warmes Wasser gibt es auch nicht und wenn ich aufs Klo gehe, schütte ich einen Eimer Wasser nach und bete jedes Mal zu Gott, dass alles verschwindet.

C) Das gehört zum sesshaft sein dazu? Ich hatte mir ja dieses Jahr vorgenommen öfters zu Hause zu sein und weniger zu verreisen. Ehrlich gesagt, fast 80% der Menschen, die solch ein „normales“ Leben führen, haben irgendein TV-Highlight, auf das sie sich freuen und das sie immer anschauen. Vielleicht brauch ich das jetzt auch und ich sollte mich einfach freuen, dass es nicht „Sturm der Liebe“ geworden ist, was jeden Tag und immer läuft, sondern das Dschungelcamp.

Nur noch eine Woche, dann ist es wieder vorbei. Liebe Mitmenschen, bis dahin bitte ich euch um Verständnis. U zehn Uhr muss ich zu Hause sein. Ich beantworte keine Mails mehr und gehe auch nicht ans Telefon. Es tut mir leid, wenn ich bis jetzt immer ein bisschen geflunkert habe und es auf meine Wintermüdigkeit geschoben habe. Es ist die Sucht, schlicht und ergreifend die Sucht jeden Tag zu schauen, was 11 Irre in einem Dschungel machen und es bereitet mir unglaublich Freude diese Menschen zu beobachten und ich stehe dazu. In diesem Sinne – Amen.
Liebe Grüße
Eure irre Christine aus dem Berliner-Dschungel