Yoga. Oh Gott, wie ich diesen Begriff gehasst habe. Genauso wie Bubble Tea und Frozen Joghurt kam er vor ein paar Jahren aus dem Boden gesprossen und hat versucht die Weltherrschaft an sich zu reißen. Es ist ihm auch fast gelungen. Ich hatte kaum noch eine Freundin, die sich nicht zum Geburtstag eine Yogamatte wünschte oder jetzt plötzlich nicht mehr mittwochs zum Mädchentreffen kommen konnte, weil sie ihre Yogastunde beim Guru hat oder ihre Hotels nicht mehr nach Lage und Ausstattung buchte, sondern nach Yogakursen und -lehrern. Mindestens zwei Bekannte kündigten von heute auf morgen ihren gut bezahlten Job um eine Ausbildung zur Yogalehrerin in Indien zu machen. Dort haben sie sich in den Tauchlehrer verliebt und kamen nie mehr zurück. Drei Jahre habe ich mich geweigert irgendeine Sonne anzubeten oder den Hund zu spielen. So ist das immer mit mir und Trends – ich ignoriere sie erst einmal, bis der große Hype weg ist und schaue sie mir dann ganz in Ruhe an.
Ich besuchte also vor 2 Jahren meine erste Yogastunde, nachdem sich die Aufregung etwas beruhigt hatte. Es war ganz ok. Mir wurde etwas schwindelig von dem vielen rauf und runter und irgendwie war mir das zu wenig Sport. Wenn ich mich dazu aufraffe Sport zu machen, möchte ich dabei auch schwitzen und danach spüren, was ich getan habe. Oh man, war ich damals blöd…
Meine Yogakarriere entwickelte sich also nicht wirklich weiter. Auf meinen Reisen habe ich ab und zu an Yogakursen teilgenommen, wenn sie an ganz besonderen und schönen Orten waren. Das muss man dem Yoga lassen, in dem Hotel sind die schönsten Orte immer die Yogaplattformen über dem Meer oder auf dem Berg. In Miami hatte ich wieder eine etwas außergewöhnliche Yogastunde, die mich gereizt hat. Yoga beim Sonnenaufgang am Meer. Geil. Natürlich hätte ich mich auch einfach nur an den Strand setzen und die Sonne beim Aufgehen beobachten können, doch irgendwas trieb mich dazu an in dieser Stunde teilzunehmen. Die ersten 20 Minuten verliefen wie immer. Erst einmal tief ein- und ausatmen, ein bisschen dehnen und dann in alle Richtungen strecken. Irgendwann kamen wir an den Punkt, an dem wir einen Kopfstand machen sollten. Ich lächelte kurz. Das schaffe ich nie. Außerdem grusele ich mich von allen möglichen Sachen, die etwas mit Hand- oder Kopfstand zu tun haben. Ich der Grundschule bin ich einmal bei einem Handstand zusammengebrochen. Einfach so haben alle meine Muskeln plötzlich nachgelassen und ich bin wie ein Mehlsack zusammengefallen. Leider so blöd, dass ich mir irgendwas geklemmt und keine Luft mehr bekommen habe. Während also alle versuchen die Beine in die Höhe zu strecken, liege ich da, schaue den Himmel an, der einen wunderschönen Verlauf von hellgelb bis tiefblau hat und lausche unserem Yogaleher. Ich hatte ihm bis jetzt recht wenig Aufmerksamkeit geschenkt. Doch dann fing er an zu erzählen, worum es beim Yoga wirklich geht. Er kam zu mir und sah mir tief in die Augen: „Du könntest sofort einen Handstand machen. Auf der Stelle, wenn du nur frei wärst.“ Bei dem Wort „frei“ klopft er mir mit seinem Finger auf die Stirn und ich weiß genau, was er meint. Ich fühle mich ertappt. Hat er gemerkt, dass ich die ersten 20 Minuten eigentlich an 1000 andere Sachen gedacht habe, nur nicht an die Übung, die ich gerade machte? „Yoga ist Sport für den Kopf. Yoga lehrt euch bei euch zu sein, euch auf nur eine Sache zu konzentrieren. Ihr könnt jeden Tag in die Muckibude rennen und den durchtrainiertesten Körper haben, aber trotzdem keinen Handstand können, denn dafür müsst ihr hier oben frei sein.“ Nun tippt er sich selber an die Stirn. Die nächsten 20 Minuten schaffe ich es mich nur auf ihn und seine Worte zu konzentrieren, denn sie fesseln mich. Auch ich habe bis jetzt nicht verstanden, um was es beim Yoga geht. Eben nicht, um einen perfekten Körper zu modellieren, sondern einen schönen Geist zu kreieren, im hier und jetzt alles ausblenden und nur auf eine Bewegung eine Pose konzentrieren. Den Geist schulen, die Gedanken unter Kontrolle haben, einmal komplett abschalten um danach vielleicht Dinge wieder ganz anders zu sehen. Den Moment leben. Sich selbst spüren. „Ich könnte jeden Tag brav eure Übungen machen, aber ich möchte auch, dass ihr wisst, warum ihr das macht.“ Mir fällt es wie Schuppen von den Augen. Warum hat mir das nie jemand erzählt, um was es wirklich geht? Warum habe ich immer nur gezeigt bekommen, wie der Hund richtig ausgeführt wird, aber nie, was hinter dem Begriff Yoga wirklich steht. Ich bin ein bisschen sprachlos, aber auch angetan, von dem Moment. Die Sonne ist mittlerweile ein roter Ballen am Himmel. Dieser Moment war der Anfang vom Ende.
Ich habe aufgehört Yoga zu hassen und es als überbewerteten Trendsport anzusehen. Ich bin begeistert von der Idee meine Aufmerksamkeit zu schulen und bin wohl die schlechteste Schülerin, die ein Yogalehrer haben kann. 10 km durch den Wald laufen, kein Problem. Das hat wenig mit Sportlichkeit, sondern mehr mit dem Willen zu tun. Aber 10 Minuten an nichts denken – unvorstellbar für mich. Meine Gedanken klopfen ununterbrochen gegen meine Schädelwand und wollen springen von A nach B und C. Nur eine Minute nicht nachzudenken ist für mich die größte Herausforderung, die ich mir vorstellen kann. Viele bekommen den Arsch nicht hoch, ich bekomm die Gedanken nicht still. Doch wie sagt man so schön, Einsicht ist der beste Weg zur Besserung. Ich bin jetzt eine Yogatante aus Überzeugung und habe meinen Maledivenurlaub genutzt Achtsamkeit zu lernen, für den Moment, und mich wahnsinnig geärgert, dass ich meine Co-Bloggerin Anne auf die Yogareise in die Casa Enrica geschickt habe.
Wenn ihr auch ein Yoga-Spätsündler seit, wie ich, empfehle ich euch als erstes ein paar Bücher zum Thema zu lesen und dann loslegen. Übung macht den Meister. Ach und bequeme Kleidung ist auch wichtig, denn wenn der String in der Arschbacke klemmt, kann sich keiner so wirklich auf das Hier und Jetzt konzentrieren.
Lange Hose “Inia” frappé, Fledermaus-Shirt “Gianna” jade, Bustier “Ines” greymelange, Damenbermudas “Gauri” nightblue, Weite Jacke “Inci” nightblue, alles von Kamah
Und hier noch ein paar Fotos von den Malediven auf Maafushivaru.
6 comments
Hallo Christine :-)
mir geht es aehnlich wie dir, ausser das ich noch gar keine Yoga Erfahrung besitze und mir unter dem Begriff Yoga keine Vorstellung habe was man beim Yoga fuer Uebungen macht… Dein Tipp mit den Buechern ist nichts fuer mich, hast du ein praktischen Tipp? Vielleicht dein Lieblingsmove :-)
Liebe Gruesse
Tim
Ich habe jahrelang genauso gedacht wie du. Doch dieses Jahr hat es mich gepackt. Extrem viel Stress und der Wille mich mal richtig zu entspannen und den Kopf frei zu bekommen. Auch mir schwirren immer wieder tausend Gedanken durch den Kopf, doch ich versuche mir beim Yoga größte Mühe zu geben nicht zu denken. Aber es ist schwer. Wahnsinnig schwer!
Oh Gott ja, und wie!
Mir gefällt dein Schreibstil, und die Malediven und die Füße.
Für mich hat Yoga nicht mit abschalten sondern eher mit anschalten zu tun. Anerkennen was ist. So langweilig es auch sein mag.
Danke für dein Lob
Liebe Christine, hach hast du das schön & treffend geschrieben. Gerade habe ich meine dritte Yoga-Stunde hinter mir (ich wollte mal testen was den die Leute an diesem Yoga so toll finden) und bin begeistert. Das mit dem Kopf freikriegen gelingt mir zwar noch nicht – aber das wird schon noch! :)
Traumhafte Bilder!
LG Sasa