Meine kreative Scheibpause kam genau richtig. Ich hätte nämlich sowieso keine Zeit gehabt. München ist zu schnell für mich und der Arbeitstag zu lange. Mal ehrlich, wenn ich um 8 aufstehe, um 9 das Haus verlasse und wieder erst Abends, kurz vor 8 komme, kann ich ja gleich aufhören zu leben. In meinem Kalender steht wann ich Abends schaffe noch zu kochen und wann ich dusche…
Deswegen, habe ich mir gedacht, gibt es jetzt unter der Woche kleinere Beiträge und am Wochenende wieder richtig harten Lesestoff ;)
Habe die Busfahrten und U-Bahnfahrten zur Arbeit und zurück genutzt um über Richard Sennett nachzudenken und der Anonymen Person, die mir diesen Text gepostet hat und wohl auch Richard Sennetts Meinung vertritt.
Richard Sennett über die „Tyrannei der Intimität“(…)“Manchmal wenn ich mich durch diese Weblogs klicke, wo Menschen alle Aspekte ihres intimen Lebens online veröffentlichen, kommt es mir vor, als würden sie Müll in einen Abfalleimer, in dem Fall in ihren Computer, tippen“, meint Richard Sennett, der über die Gefahren dieser „Ideologie der Intimität“ bereits vor mehr als 30 Jahren schrieb, als das Internet in seiner heutigen Form noch nicht einmal gedacht wurde.
„Die Dinge, die einem wirklich wichtig sind, behandelt man mit mehr Achtsamkeit. Nicht so wie dieses endlose Berichten aller Details des alltäglichen Lebens. Es ist ein unermessliches Ödland an Geständnissen und Offenbarungen, das diese Blogs ausfüllen.“ Die private Geschwätzigkeit gefährdet das, was bereits Jürgen Habermas eine „kritische Öffentlichkeit“ nannte.
(…)
Mir ist ziemlich viel dazu eingefallen. Versuche das mal irgendwie halbwegs strukturiert nieder zu schreiben. Mir kommt es so vor, als würde Sennett anprangern, dass zu viel Persönlichkeit, intime Gedanken und Meinungen im Netz veröffentlicht und verarbeitet werden. Aber macht er nicht genau das gleiche im ersten Satz?
„Manchmal wenn ich mich durch diese Weblogs klicke, wo Menschen alle Aspekte ihres intimen Lebens online veröffentlichen, kommt es mir vor, als würden sie Müll in einen Abfalleimer, in dem Fall in ihren Computer, tippen“
1. Keiner zwingt ihn sich durch Weblogs zu klicken.
2. Ist seine Meinung über das Thema nicht auch irgendeine Art von Müll die er runtertippt und veröffentlichen will?
3. Wenn man Gefühle schreibt, in Sätzen, so dass es jeder versteht, dann hat es irgendwie oft einen unangenehmen Beigeschmack für viele. Aber was ist mit den tausend Fotos und Lieder, die jeden Tag ins Netz geladen werden und genauso viel emotionalen Wert haben. Warum verurteilt niemand mal einen Sänger, weil sein Songtext zu persönlich ist? Vielleicht weil es nicht immer was mit seinem persönlichen Leben zu tun hat und man ihn als Künstler ansieht? So kann es doch beim schreiben auch sein. Vielleicht klingt es manchmal super persönlich aber vielleicht liegt die Inspirationsquelle gar nicht beim Autor.
Ich freue mich über die vielem Menschen, die ihren Seelenballast im Netz ablagern. Es gibt keine Verschrottungsgebühren, die Gedanken können in Frieden ruhen und ihr müsst das auch mal positiv und von einer ganz anderen Seite sehen. Würden die Menschen nicht schreiben um ihre Gedanken los zu werden, müssten sie wahrscheinlich zum Psychologen um sie sich von der Seele zu reden und der Steuerzahler darf dann dafür zahlen.
Aber ich gebe ja auch zu, wenn jemand Recht hat und Sennett hat auch was gesagt, was ich bejahen kann.
Die Dinge die einem Wirklich wichtig sind, behandelt man mit mehr Achtsamkeit. Oder sollte man mit mehr Achtsamkeit behandeln… Alles hat Grenzen und jeder muss die für sich selber herausfinden und durchsetzen. Und auch Fehler machen und daraus lernen. Ich habe heraus gefunden, dass mein Blog mit Schuld daran war, dass meine letzte Beziehung kaputt gegangen ist. Das war mein Fehler aber ich habe daraus gelernt und auch gemerkt, dass ich irgendwas ändern musste.
Ich freue mich wenn ich mit meinem „Müll“ die Leute unterhalten kann. Sehr oft will ich gar nichts wegwerfen sondern nur unterhalten. Und wer keinen Bock darauf hat, meistens ist oben rechts im Fenster ein kleines Kreuz, da kann man drauf klicken und dann verschwindet das Fenster mit dem Müll ;)
1 Kommentar
Mir sind etliche Gedanken zu diesem Thema gekommen. Zunächst stört mich einfach der Begriff „Müll“ im Zusammenhang mit dem Privatleben eines Menschen. Persönliche Gedanken und Gefühle eines Menschen sind kein Müll. Etwas anderes ist es, wenn ich als Laie einen Artikel schreibe, meinetwegen zu einem wissenschaftlichen Thema, und mich nicht informiert habe – wenn ich also keine Ahnung habe und trotzdem schreibe, dann kann ich wertlosen Müll produzieren. Dann ja!
So, nun einmal aus der Sicht des Blog-Lesers und anschließend aus der des Autors:
I. Aus der Sicht des Lesers:
Meines Erachtens kommt es darauf an, warum und vor allem WIE ich einen Blog lese. Die Hauptfrage ist für mich, ob ich an Menschen interessiert bin. Ich empfinde es als eine große Bereicherung, wenn Menschen sich öffnen (ja, auch im Internet) und andere an ihrem Leben teilhaben lassen. Mich beeindruckt immer wieder die Vielfalt der Menschen und dessen, was alles in ihnen verborgen liegt; und das beweist sich mir nicht nur in persönlichen Kontakten, sondern auch im Internet. Es bringt mich einfach dazu, die Menschen wertzuschätzen. Oder mitzufühlen, wie auch immer.
Wenn Menschen also an Menschen interessiert sind, werden sie das, was diese berichten, nicht als Müll empfinden. Allen anderen gilt die hervorragende „Bedienungsanleitung“, die du gegeben hast, Christine: einfach das „x“ oben rechts auf dem Bildschirm anklicken und abschalten. Wenn sich Sennett dennoch dort durchklickt, ist er ja vielleicht doch irgendwie auf der Suche nach etwas … ?!
II. Aus der Sicht des Autors:
Es gibt die verschiedensten Gründe, warum jemand einen Blog führt, zum Beispiel: man möchte Gedanken, die einem wichtig geworden sind, anderen nicht vorenthalten. Oder das Schreiben hilft ganz einfach, schwierige Erlebnisse und Erfahrungen zu verarbeiten; eine bekannte Tatsache. Zum Dritten kann man persönliche Fragen in schwierigen Situationen stellen: nicht nur Freunde können antworten, sondern auch Unbekannte aus der Anonymität heraus. Das kann sehr wertvoll und eine große Chance sein. Und schließlich gibt es noch die Möglichkeit, dass man die Leser einfach nur unterhalten möchte. … durchweg positive Gründe fürs Schreiben.
In zwei Fällen kann das Schreiben aber trotzdem zur Gefahr werden:
Um im Leben klar zu kommen, brauche ich Freunde, und zwar solche, die leibhaftig vor mir stehen; Menschen in meiner persönlichen Umgebung, bei denen ich mich „zu Hause“ fühle. (Viele sagen, dass irgendwie auch Gott dazu gehört.) Nur so kann ich irgendwann mit meinem eigenen Leben Frieden schließen, z. B. weil ich in der Alleinverantwortlichkeit für mein Leben Hilfe bekomme. Das Internet kann und darf das nicht ersetzen. Wenn das Internet eine Ersatzfunktion hat, kann man persönlich Schaden nehmen, und man verliert Freunde und Lebenspartner, wenn das Internet ein zu großes Gewicht bekommt.
Zweitens kann es gefährlich sein, wenn ich als Autor persönlich identifiziert werden kann. Wenn Freunde meinen Beitrag lesen, freue ich mich. Unbekannte können mir nur nützen, aber niemals wirklich schaden. Aber es gibt auch Leute, die ich irgendwoher kenne; wo es mir aber größtes Unbehagen bereiten würde, wenn ich auf einmal merkte, dass diese große Teile meines Privatlebens kennen. Also Vorsicht mit Links zum persönlichen Blog!
Liebe Grüße, Martin