Philadelphia hat mein Herz im Sturm erobert und das liegt zum Großteil an all den Menschen, die ich dort getroffen habe. Der Name „Philadelphia“ bedeutet übersetzt soviel wie „Stadt der brüderlichen Liebe“, was seit geraumer Zeit im täglichen Wortgebrauch mit „und schwesterlichen Zuneigung“ ergänzt wird, da die Stadt ausdrücklich LGBTQ freundlich ist.Da zudem die Quäker seinerzeit die ersten Siedler in Philadelphia waren, liegt Freiheit der Religion zusätzlich in den Genen der Stadt. Insgesamt war ich knappe 5 Tage in Philadelphia und selten habe ich in so kurzer Zeit so viele persönliche und bereichernde Begegnungen gehabt wie in diesen Tagen. Ein paar waren vorab als Interview geplant, ein paar sind Zufallstreffen. Von einigen möchte ich Euch hier ein wenig berichten.
Begegnungen in Philadelphia – der Museumswächter
Im Museum of Art bin ich nicht nur wahnsinnig inspirierenden Kunstwerken begegnet, sondern auch einem zauberhaften alten Mann der dort als Aufseher arbeitet. Leider ist es verboten, Aufseher zu fotografieren, so dass ich nur die Geschichte erzählen kann.
Eine Aufseherin, deren Haare mich beinahe mehr faszinierten als die Kunst im Raum, erlaubte mir zumindest ein Bild von hinten.
Im asiatischen Teil des Museums saß ein älterer Herr mit weißem Haar in einer dunklen Ecke des Raumes auf einer Bank. Im ersten Moment wirkte er auf mich, als wäre er Teil des Inventars, so organisch verschmolz er mit dem Raum. Bald erfuhr ich, dass dieser Eindruck durchaus Sinn macht. Thomas ist 85 Jahre alt und arbeitet inzwischen seit 39 Jahren im Museum. Er ist der festen Überzeugung, dass dies auch an seiner deutschen Abstammung liegt. “Alle anderen, mit denen ich hier angefangen habe, wurden inzwischen entlassen. Mich behalten sie irgendwie, bestimmt weil ich so akkurat bin, das liegt an den deutschen Genen.“
Sein Großvater kam damals aus Deutschland nach Philadelphia und änderte zuerst den Namen, weil dieser einfach zu deutsch klang. Zuerst arbeitete er für 10 $ die Woche an den Docks. Weil er “ein Mädchen heiraten wollte”, fragte er nach einer Erhöhung auf 12 $, die ihm aber nicht gewährt wurde. Er heiratete trotzdem und wenig später kam Thomas’ Mutter zur Welt. Thomas selbst hat spät geheiratet, erst mit 39, denn: „Ich wollte erst noch meinen Spaß haben und außerdem musste ich auch sicher sein, dass ich das richtige Mädchen heirate!“. Inzwischen ist er sicher, dass sein Mädchen die Richtige war und noch immer ist. Sie sind seit nunmehr 46 Jahren verheiratet „und sie beschwert sich noch immer jeden Tag über mich. Wenn sie sich einmal nicht beschwert, fange ich an mich zu sorgen!“
Sein Job hier ist es, die Schulkinder zu zählen, die durch die Ausstellung laufen. Das tut er wirklich sehr detailliert und genau, außerdem auch ganz oldschool mit Bleistift und Papier. Während er mir seine Geschichte erzählt, wird mir ganz warm ums Herz, wie er da sitzt mit seinen chaplin-esken, viel zu riesigen Schuhen und dem ebenso zu großen Anzug, in dem er zu verschwinden droht. Seine schlohweißen, aber noch immer akkurat frisierten Haare und die vielen Falten um seine Augen erzählen von seinen Lebensjahren. Ganz alte Schule macht er mir noch Komplimente für meinen Stil und meine Ausstrahlung: „Deutsche Frauen sind immer so direkt und stark, das ist beeindruckend!“ Am Ende bedankt er sich für die schöne Begegnung: „…die meisten Menschen sehen mich gar nicht, wie ich hier sitze…“
Ich verlasse den Raum mit einem frohen Lächeln, vor allem im Herzen, doch gleichzeitig fast traurig, da mir bewusst ist, dass ich diesen liebenswerten alten Mann mit Sicherheit nie wieder sehen werde. Ich hätte ihn am liebsten umarmt. Was mich so sehr berührt hat? Seine Bescheidenheit und Dankbarkeit für das Gute, das es in seinem Leben gibt und der Stolz, den ich in seinen Worten hören konnte, als er von seinem Beruf und seiner großen Liebe erzählte.
Begegnungen in Philadelphia – Steve Duross, Soapmaker
Steve ist der Kopf hinter „Duross & Langel“, einem Shop für Seifen und Rasierprodukte zwei Blocks entfernt von der City Hall. Mit ihm habe ich mein erstes arrangiertes Interview. Bei Seife muss ich noch heute immer sofort an „Fight Club“ denken, in welchem der Charakter des Tyler Durden Seife macht und verkauft, welche seiner Aussage nach “das Eichmaß der Zivilisation” ist. Logischerweise fragt ich Steve also zuerst, warum er sich entschieden hat, Seife zu machen:
„Ich habe Seife einfach schon immer geliebt. Und ich glaube, dass jeder Mensch die Möglichkeit zu einem guten Bad haben sollte. Ich möchte keine absurd teuren Produkte herstellen. Ich verwende die besten Zutaten, die ich finden kann, aber ich versuche gleichzeitig so gut und simpel wie möglich zu sein. Meine Produkte sind nicht billig, aber auch nicht völlig unerschwinglich. Menschen, die den Wert eines Produktes nur nach dem Preis bemessen, werden niemals meine Kunden sein. Damals, als die handwerkliche Bewegung in Europa losging, ist hier drüben einfach gar nichts passiert. Also dachte ich mir das könnte meine Chance sein, und am nächsten Tag machte ich Seife in meiner Küche.”
Co-Geschäftsführer ist James Langel, Steves Ex-Ehemann, und Steves Umgang mit den Angestellten ist streng, aber vertraut, so dass ich wissen möchte, ob er das Ganze als Familienunternehmen sieht. Ich erfahre, dass James und er aus Dankbarkeit für den Einsatz, den ihr Team im täglichen Geschäft an den Tag legt, ihren Mitarbeitern eine Partnerschaft übertragen haben. „Ja, es ist eine Familie, wenngleich nicht im traditionellen Sinne. Die beiden dort unten? Die würde ich gerne als Kinder haben, wenn denn. Und James ist ganz einfach das Ying zu meinem Yang. Es ist schon ziemlicher Irrsinn ein Geschäft mit deinem Ex-Ehemann zu starten, aber in unserem Fall macht es einfach eine Menge Sinn.”
Steve möchte bestmögliche Produkte bieten und auch „grünstmögliche“ Produkte, dabei aber nicht jedem Trend folgen müssen. Das Hauptsortiment orientiert sich an den Klassikern unter den Zutaten, Olivenöl und Mandeln. Aber da es jedes Jahr aufs Neue einen Hype geben wird und etwas das “jeder jetzt unbedingt BRAUCHT”, hat Steve beschlossen jede Saison eine Sonderlinie herauszubringen. Diese beinhaltet dann DIE Superzutat der Saison, sei es nun Arganöl oder Chiasamen. Doch sein Hauptcredo bleibt bestehen: “Wenn Du Farbe, künstliche Gerüche und all das wegnimmst, muss am Ende noch immer ein umwerfendes Produkt übrig bleiben. Nur auf diese Weise begeisterst Du die Leute.”
Was Steve an Philadelphia am meisten liebt? “Die Menschen und die Vielfalt, das kreative Wachstum in der Stadt. NY ist in Reichweite und die Leute kommen von überall, der Rhythmus hier ändert sich mit den Jahreszeiten. Ich empfinde die Stadt noch immer als authentischer als NY, obwohl natürlich durch das Wachstum auch etwas verloren geht. Philadelphia wird dennoch immer eine industrielle Stadt bleiben. Was mein persönliches Leben angeht: In Philly kann ich ein Leben haben und zwar das Leben, das ich leben möchte, ohne mich zu Tode zu arbeiten. Philly erlaubt mir ein Leben zu haben und das ist alles, was ich erreichen wollte.”
Steve hat eine Leidenschaft und eine Vision, an der er festhält. Er tut nichts, woran er nicht glaubt. Und der Erfolg gibt ihm eindeutig Recht, was mich sehr freut.
Begegnungen in Philadelphia – Evan Inatome, Inhaber von „Elixr Coffee“
Kein Morgen ist komplett ohne einen frisch gemahlenen und aufgebrühten Kaffee und keine Reise ist komplett ohne die besten Kaffee-Spots aufzusuchen. Für Philly war der eindeutige Tipp von Ann: „Elixr Coffee“. Nach einer kurzen Nacht wanke ich relativ schlaftrunken durch die morgendlich leeren Straßen von Philadelphia, kein Morgen wäre perfekter gewesen, um bei Elixr vorbeizuschauen. Im urgemütlich mit viel Holz und eher dunkel, schlicht und raw eingerichteten Café lasse ich mich direkt in die einladende Couchecke sinken und bin ziemlich dankbar, dass mir Evan quasi noch vor dem eigentlichen „Hallo“ einen ersten Kaffee anbietet. „Flat white?“ murmele ich fragend in meinen nicht vorhandenen Bart und halte wenig später das Zauberelixier in meinen Händen. Hallo Welt, es besteht Hoffnung!
Evan Inatome, mit japanischen Wurzeln und Surferherzen, ist einer dieser Menschen, der weniger über Dinge redet und sie stattdessen einfach tut. So war er mit einigen Freunden in Indonesien, um nach dem verheerenden Tsunami beim Wiederaufbau der Dörfer zu helfen. Beim Hämmern und Nageln der Holzbretter kam ihnen die Idee, gemeinsam ein Café in Philadelphia aufzumachen. Evan hatte zuvor noch nie längere Zeit in Philadelphia verbracht, doch als nach ihrer Rückkehr irgendwie doch wieder „jeder irgendwas anderes“ machte, zog er einfach nach Philly und machte das Café kurzum alleine auf.
Ob es an seinen asiatischen Wurzeln liegt oder am Kaffee, den sie in Indonesien zu trinken bekamen, er kann es selbst nicht sagen. Doch Evan mag die leichten Kaffees, die in Anmutung und Farbe teilweise fast wirken wie Tee. Dunkle Röstungen sucht man bei Elixr vergeblich, anstelle von aschigen und bitteren Aromen schmeckt man hier Tee- und Fruchtnoten, woran sich auch mein Gaumen erstmal gewöhnen muss. Evan steht in direktem Kontakt mit den Farmern, bei denen er seinen Kaffee bezieht, hat die meisten persönlich auf Reisen kennengelernt. Er sucht ständig nach dem perfekten Kaffee, sei es in Sachen Röstung und Zubereitung oder was die Bohnen selbst angeht.
Ich freue mir jedenfalls einen Ast, als ich den Kaffee in einer henkellosen Tasse gereicht bekomme. Henkel benutze ich eh nie und frage mich ständig warum jemand diese Dinger überhaupt erfunden hat. Evan gibt mir Recht: „Diese Becher sind etwas Besonderes. Als ich sie zum ersten Mal sah, musste ich sie haben. Ohne den Henkel bist Du einfach so viel näher am Erlebnis.”
„Wie bei einer Tee-Zeremonie?”
„… ja … fast wie bei einer Tee-Zeremonie.“
Die Möbel und sogar der Boden des Cafés bestehen aus recycleten Materialien, so finden sich zum Beispiel alte Orgelpfeifen als Regal. An der größten Wand im Raum werden lokale Künstler gefeatured, alle 6 Monate kommt ein neues „Mural“ an die Wand. Dabei ist grundsätzlich alles möglich, nur eine Regel gilt: „Nichts, das zu dunkel ist, denn das würde einfach nicht zur Ausstrahlung des Shops passen.“
Zur zweiten Tasse gesellt sich ein von Pastry-Göttin Roxanne gezaubertes Mandelcroissant. Ich glaube, ich könnte problemlos den ganzen Tag hier bleiben. Etwa die Hälfte der Kunden sind Stammkunden, denen es anscheinend genauso geht wie mir.
Was mir Evan einmal mehr klar gemacht hat: Manchmal muss man einfach tun, wovon man träumt. Sich Dinge (zu)trauen.
Begegnungen in Philadelphia – Izzie, Inhaber von „Kayuh Bicycles“
Ein kleiner Spleen von mir ist es, in jeder Stadt nach einem „Fahrrad-Café“ zu gucken. Dort gibt es meiner Erfahrung nach meist megaguten Kaffee, gute Musik und super Leute. :) In Philly verschlägt es mich deshalb zu „Kayuh Bicycles“.
Bei über 30° laufe ich eine ganze Weile und bin halb verdurstet, als ich endlich in der Girard Avenue ankomme. Keine zwei Minuten später bin ich in ein Gespräch quer durch den recht übersichtlichen Laden vertieft. Teemeister Pablo hat mir einen exquisiten “iced green tea” gezaubert und berichtet, wie er zufällig bei Kayuh gelandet ist, obwohl er gar keine Ahnung von Fahrrädern hat. Izzie, der Shopinhaber, pflichtet bei, dass er ja eigentlich nur eine Fahrradwerkstatt haben wollte, aber bald begriff, dass er eine zusätzliche Einnahmequelle braucht. Und da Pablo Ahnung von Tee und Kaffee, sowie eine gute Menschenkenntnis besitzt, war dieser Deal schnell per Handschlag besiegelt.
Izzie selbst merkt man an, dass Räder seine große Liebe sind und er glücklich ist, solange er was zum Schrauben hat. Fame + money sind nebensächlich, gute Menschen und gute Erlebnisse, darum geht es ihm.
Während wir noch quatschen und über „bicycle friendly coffee shops“ sinnieren, stellt mir Pablo ungefragt einen fabulösen iced coffee vor die Nase. Ich bin augenblicklich traurig, dass ich sobald nicht wieder hierherkommen kann, verspreche Izzie aber, dass ich der Welt da draußen von ihm erzählen werde.
Izzie ist das beste Beispiel dafür, dass man manches besser als Team schafft, wenn man jemanden findet, der die Dinge übernimmt, für die man selbst einfach nicht geboren zu sein scheint!
Begegnungen in Philadelphia – Alex Griffin, Inhaberin von „High Street on Market“
Mein bestes Philly Frühstück hatte ich schließlich im „High Street on Market“ an einem super verregneten Morgen. Als ich grade verzweifelt guckend am Hoteleingang stand und mich fragte wie ich bei dem Regen ins “High Street” kommen solle, kam mir der Hoteldirektor entgegen und drückte mir ungefragt seinen Schirm in die Hand: „Ich werde eh den ganzen Tag hierbleiben und du brauchst ihn jetzt definitiv dringender als ich. Nimm!“
Hatte ich schon erwähnt, dass ich die Leute in Philly mag?
So lief ich also durch die Straßen von old city, quasi die einzige, die sich bei dem Wetter vor die Tür gewagt hatte. Oder vielleicht schläft der gemeine Philadelphier auch einfach gerne etwas länger? Nach guten 30 Sekunden Schirm abtropfen lassen, schlage ich die Tür zum „High Street“ auf. Sofort freue ich mich über den Duft von Kaffee und frischen Waffeln, der meine Nase umweht. Manchmal ist eine Tasse Kaffee einfach nochmal so gut, wenn man vorher durch den Regen laufen musste.
Alex, die Inhaberin des High Street, setzt sich für ein paar Minuten zu mir. Sie verrät mir ihre Favoriten auf der Karte und erzählt ein wenig über den Laden. Das High Street ist die kleine Schwester des „Fork“, einem ziemlich fancy Restaurant nebenan. Außerdem sind das Hotel „aka“ und die angeschlossene „a.bar“ Teil der Familie. Alle Zutaten der Läden werden von lokalen Farmen in der Nähe der Stadt bezogen. Besonders stolz ist Alex auf ihr selbstgebackenes Vollkornbrot. Da ich Deutsche bin, besteht sie natürlich darauf, dass ich das Brot koste und meint es etwas zu gut mit mir, als sie mir ganze vier Scheiben auf meinen Teller legt.
Der Kaffee kommt von „Rival Brothers Revolver Coffee“, geröstet im Norden von Philadelphia. Es ist der erste Kaffee seit langem, den ich schwarz und ohne Zucker trinke. Er schmeckt einfach pur so verdammt gut! Alex hat selbst eine Weile in New York gelebt und ist froh über die Nähe zum big apple. Allerdings liebt sie das Leben in Philly, wo alles noch einem „normalen Tempo“ folgt. New York sei ihr irgendwann zu „überfordernd“ geworden, erzählt sie. Dort sei es ein Kampf ein Café zu führen, während sie sich hier über die kreative Food-Szene freut, in der sich alle untereinander kennen und in der es keine harten Rivalitäten gibt.
Zum Abschied packt sie mir noch einen „Ricotta Fritter“ ein, ein fluffiges gebackenes Bällchen mit Ricotta-Füllung. Am Nachmittag zu meinem Kaffee im Museum of Art, verspeise ich das Bällchen zufrieden vor mich hin grinsend.
Alix hat mir gezeigt, dass man einige Wünsche nur erfüllen kann, in dem man Kompromisse eingeht und dass sich diese Kompromisse dann aber auch als beste Entscheidung herausstellen können. So wie ihr Umzug nach Philadelphia.
Begegnungen in Philadelphia – Dr. Fred Simeone, Ex-Neurosurgeon & Car-Collector
Für mich vermutlich die beeindruckendste Person, die ich in Philly getroffen habe:
Dr. Fred Simeone, seines Zeichens Gehirnchirurg im Ruhestand, 80 Jahre alt und Gründer + Leiter des „Simeone Foundation Automotive Museum“ in Philadelphia.
Dr. Frederick Simeone, 80 Jahre alt, Gehirnchirurg a.D. und Rennwagen-Liebhaber
Während er noch aktiv als Gehirnchirurg tätig war, und nebenbei alleine seine Tochter aufzog, fing er vor 50 Jahren an Rennwagen zu sammeln. Eine Weile konnte er die ersten Autos in einer Garage unterbringen. Bald jedoch brauchte er eine größere Halle und als das große Areal in der Nähe des Flughafens frei wurde, in dem die Stiftung jetzt untergebracht ist, zögerte er keine Sekunde. Seither findet sich hier die größte Sammlung der seltensten und besondersten Rennautos, die jemals gebaut wurden! („Racing cars, not Indy cars!“ wie er wiederholt betont.)
Seine Liebe zu den schnellen Flitzern begann, als er mit seinem Vater Anthony über Schrottplätze wanderte. Wie er sagt, war sein Vater sogar der Ursprung für beide seiner Passionen: die Autos und die Laufbahn als Arzt. Sein Vater war selbst Arzt und nahm seinen Sohn früh zu Hausbesuchen mit – am Wochenende ging es dann auf die Autofriedhöfe der Umgebung. Seine Sammlung soll daher auch seinen Vater ehren, wie Fred mir erzählt, insgesamt vier seiner Autos gehörten ihm sogar einmal.
Fred weiß auch, dass er Glück hatte, seine Liebe so früh zu entdecken. In der Nachkriegszeit wurden einige Schätze unter Heuhaufen und teilweise in der Erde vergraben gefunden. Sie fanden nur deshalb zu ihm, weil jemand über jemand dritten von Fred erfahren hatte. So wurden ihm einige Autos geschenkt oder für einen kleinen Obolus übergeben. Inzwischen ist der Wert für die meisten Autos in seiner Sammlung explodiert oder mit Freds Worten: „Heutzutage könnte ich mir keines dieser Autos leisten. Kein einziges! Der Wert dieser Autos ist astronomisch gestiegen. Aber damals in den 70ern waren sie super erschwinglich. Und dass ich damals in den 70ern schon wusste, was ich kaufen musste, verdanke ich einzig und allein meinem Vater!”
Sein erstes Auto fuhr Fred mit 12 Jahren. Seither hat er so ziemlich alles gefahren, was in der Geschichte des Rennsports einen Namen hat. Die Sammlung umfasst Autos von 1909 (Amercian Underslung) bis 1996 und insgesamt arbeiten in der Simeone Foundation fünf Leute. Fred selbst ist noch immer jeden Tag dort. Er ist das Herz und die Seele des Hauses. Seine Mitarbeiter begegnen ihm zu gleichen Teilen mit Respekt und Ehrfurcht (es ist immer Mr. Simeone, wenn jemand über ihn spricht) als auch Zuneigung (seine Bürotür ist mit rosanen Blumen und Girlanden geschmückt, seit er kürzlich Großvater einer Enkelin wurde). Er selbst kann nicht erklären wie er all das geschafft hat: „Ich habe keine Ahnung! Es ist total verrückt, oder? Und zusätzlich musste ich auch noch meine Tochter alleine großziehen! Ich habe wirklich überhaupt keine Ahnung wie ich das eigentlich gemacht habe.”
Und wonach werden die Autos ausgewählt? Hier sind die Auswahlkriterien: “Jedes Auto muss historische Wichtigkeit besitzen. Es muss ein Rennwagen für die Straße sein, kein Indy- und kein Formel 1-Wagen. Sie müssen alle Originalteile besitzen. Und sie müssen für etwas besonderes stehen, in Bezug zum Design und der Ära selbst.”
Wir stellen die Wagen chronologisch aus, um den jungen Leuten zu beweisen, dass Dinge besser werden, sobald es eine Art Wettbewerb gibt. Die ältesten Autos in der Kollektion sind beinahe primitiv, während die Wagen zum Ende der Ausstellung hin irre weiterentwickelt sind. Und warum wurden sie immer besser? Weil sie im Wettbewerb bestehen mussten. Sie mussten jedes Jahr besser und schneller werden! Unser Motto lautet “Gesunder Wettbewerb ist gut!”. Und es gibt wenige Beispiele, die den Effekt von Wettbewerb so dramatisch und wunderschön veranschaulichen wie die Evolution des Rennwagens.
Im Museum kann man das Ergebnis dieser Evolution als ein Ergebnis aus sieben Jahrzehnten im Geiste des Wettbewerbs sehen. Unsere Philosophie besagt dabei auch, dass es nicht nur die Mechanik einer Maschine ist, oder wie schnell so ein Wagen fahren kann. Vielmehr geht es auch darum wo der Wagen herkommt und was er erlebt hat! Jedes einzelne unserer Autos hat eine Geschichte, die es wert ist gehört zu werden.”
Eines der Herzstücke der Ausstellung
Fred, Dr. Simeone, hofft, dass in Zukunft auch die jüngeren Generationen sein Museum besuchen. Der Stammkunde ist eher grauhaarig und oldschool, doch manchmal bringen sie ihre Kinder oder Enkelkinder mit. Und manchmal springt der Funke über. Um mehr Besucher anzulocken (und aus Spaß an der Freude), veranstaltet das Museum regelmäßig sogenannte „Demo Days“. Zu einem bestimmten Thema werden Autos aus der Sammlung zusammengestellt und im Anschluss im Hinterhof ausgefahren. Außer Fred darf nur sein Mechaniker hinters Steuer!
Jeder, der auch nur ansatzweise eine Liebe für motorisierte Gefährte(n) hat, empfehle ich unbedingt einen Besuch in der Simeone Foundation. Fred’s Antwort auf meine Frage, was er an Philadelphia am meisten liebe: „Geschichte. Und ich sehe sie hier jeden Tag.“
Was ich von diesem beeindruckenden Mann gelernt habe: Nicht zu viel über die Dinge nachdenken und sie einfach tun. Denn meistens haben wir viel mehr Energie als wir denken.
Danke Philly, für alles. Für deine zauberhafte Gastfreundschaft und für die vielen tollen Begegnungen auf deinen Straßen. Good night Philly, hoffentlich bis bald!
Text und Fotos: Laura Droße