Als vernünftig ausgebildete Germanistik-Linguistin, wie ich es bin, will man nach dem Studium gerne auch Geld verdienen und arbeiten. Klingt komisch, ist aber so. Man spielt die unterschiedlichsten Szenarien durch, was man denn machen könnte und ich bin beim Unterrichten gelandet. Es gibt bestimmt ein paar verrückte Deutsche, die bei mir Niederländisch lernen wollen. Also machte ich mich eines Tages auf den Weg zur Sprachschule bei mir um die Ecke, um zu fragen, ob sie vielleicht noch Lehrerinnen für Niederländisch gebrauchen könnten und ich eventuell ein Bewerbungsgespräch haben könnte. Natürlich treffe ich nicht auf den Chef, sondern seine so-called „Assistentin“, die mich warten lässt, und warten lässt und warten lässt…
Eine cheflose Stunde später habe ich beschlossen meine Unterlagen bei der Assistentin zu hinterlassen und es nächste Woche noch Mal zu versuchen. Sie sagte darauf nur: „Nein, Niederländisch bieten wir nur an, wenn es gefragt wird.” Ich denke mir: Wie sollen sich denn Leute für eine Sprache interessieren, wenn sie nicht wissen, dass sie überhaupt angeboten wird? Außerdem fügte die Assistentin noch hinzu: “Und der Chef wird dir auch nichts anderes sagen!” Mmmmmhhh, ich laufe wieder nach Hause und versuche ihren Satz zu interpretieren. Eigentlich meinte sie, glaube ich: „Hände weg vom Chef, Bitch! Für dich gibt es kein Bewerbungsgespräch!“
Doch irgendwie wollte ich das nicht kapieren und bin mit meiner offenen, lebensfrohen, niederländischen Art eine Woche später noch einmal hin und hab den Chef persönlich getroffen. Das lief ungefähr so ab:
Chef: „Du hast ja schon mal schlechte Karten, weil du nicht auf meine Assistentin gehört hast. Wenn die Leute was von dir wollen, kommen sie zu dir, das musst du echt lernen. Manche haben einfach kein Fingerspitzengefühl. Und nicht, dass du denkst, dass ich auch nur einen einzigen Schüler für dich suchen werde… Ich bin Italiener weißt du, das ist wie mit Niederländisch, das wollen die Leute nur lernen damit sie „Pillowtalk“ machen können“.
Ok. Alles klar. Was habe ich bis jetzt aus diesem Bewerbungsgespräch gelernt: Er ist Italiener, er ist angepisst, und will Pillowtalkunterricht auf Niederländisch anbieten. Na klasse…
Ich erzählte ihm, dass ich viele Unternehmen kenne, wo es geschätzt wird, wenn man selbst die Initiative ergreift. Der Chef: „Ja weißt du, es gibt Leute die mich anrufen und fragen, ob sie mir eine E-Mail schicken dürfen. Verstehst du, was ich meine? Das ist so dumm! Schick einfach!“
Was zum Teufel ist denn das für ein Bewerbungsgespräch hier? Und was zum Henker will er jetzt von mir? Soll ich eine E-Mail schicken, soll ich übelst ausrasten oder erzählt er mir indirekt, dass ich es vergessen kann mit dem niederländischen Pillowtalkunterricht?
Chef: „Das ist auch nicht persönlich gemeint (immer ein sehr schöner Satz, gerade wenn ganz klar ist, dass es sehr wohl persönlich gemeint ist. Aber warum hast du nicht einfach eine E-Mail geschickt, sondern kreuzt hier persönlich auf?!“
Also doch eine E-Mail. Alles klar.
Ich dachte, dass der persönliche Kontakt mit dem Chef gut ist, wenn man irgendwo arbeiten will. Chef: „Ja, das stimmt schon, aber nicht jetzt. Wo kommst du denn her aus Holland? Und wo wohnst du jetzt? Seumestraße, ah um die Ecke, das ist schön. Ich hatte auch mal eine, die in Schöneberg gewohnt hat und deswegen nicht spontan einspringen wollte. Die arbeitet jetzt auch nicht mehr für mich. Na gut, ab April können wir dich auf der Website mit rein nehmen, wenn du willst. Wie schreibt man deinen Namen?“
Ich sage: “Menschen sind schon faszinierend… ” Und gehe. Ich schaffe es nicht mehr mir noch mehr von seiner Frustration und Autoritätsgeilheit reinzuziehen.
Zu dem Pillowtalkchef habe ich nie wieder Kontakt gehabt und ich wüsste auch ehrlich gesagt nicht, wohin ich gucken sollte, wenn wir uns mal über den Weg laufen würden, so ganz zufällig: “Oh Hi! Hab dich gar nicht gesehen. Na, wie gehts, wie stehts?!” “Schönes Wetter was?!” Oh Gott…
Hattet ihr schon mal ein merkwürdiges Bewerbungsgespräch? Und wie habt ihr euch gefühlt und was habt ihr gemacht? Oder bin ich hier die Einzige, die nicht ganz „reinpasst“?