Wir trafen uns an einem Mittwochabend auf dem Boxhagener Platz in Berlin. Er war ein Freund von einem meiner langjährigen Freunde. Wir drei haben damals das Abitur zusammen gemacht. Damals, ein paar Jahre ist das jetzt auch schon wieder her, fünf um genau zu sein. Aber damals da waren wir alle frei und unser einziger Stress war es, die ganzen Partys am Wochenende unter einen Hut zu bringen, uns nebenbei noch irgendwie auf, so nannten wir es damals, Klausuren vorzubereiten und einfach irgendwie was für die uns unbekannte Zukunft zu tun. Jetzt, fünf Jahre später kann ich diese Zukunft schon so langsam spüren. Sie bedrängt mich morgens, wenn ich aufwache und immernoch nicht weiß, was ich machen soll. Dann verfolgt sie mich tagsüber, wenn ich mich mit Freunden zur Mittagspause treffe und die mir von ihren Vorstellungsgesprächen erzählen, von ihren neuen Ideen und von ihrem Gehalt. Und dann kommt diese Zukunft abends noch einmal, so kurz vor dem Schlafengehen in Form meiner Eltern. „Wie geht’s denn jetzt eigentlich weiter?“.
Foto by Lastnights Party
Bisher dachte ich, dass ich unglaublich verloren bin, nicht weiß wie es weitergeht und generell eigentlich keinen Plan von meinem Leben und schon gar nicht von meiner Zukunft habe. Umso interessanter ist es dann, wenn man sich mit den alten Freunden trifft und gemeinsam über diese Zukunft redet. An diesem einen Abend am Boxi änderte sich so einiges für mich. Da saß er mit seiner Zigarette mit Mangogeschmack und lachte über die Scherze, die wir machten. Wir redeten über die neuen Songs ihrer Lieblingsbands, über die alten Geschichte aus der Schule und eben auch über die Zukunft. Alles war entspannt und genau so, wie früher. Bis die Frage kam: „Was machst du denn eigentlich jetzt?“, fragte ich ihn. „Ich bekomme Kindergeld“, sagte er. Und da saß ich, mit einem fetten Fragezeichen im Gesicht. Wie, er bekommt Kindergeld? Das sind €184 über die ich mir bis zu meinem Auszug von zu Hause nie Gedanken gemacht habe. Er anscheinend schon. Denn er wohnt zu Hause, ist 24 Jahre alt, und bekommt Kindergeld. Auf etwas anderes hat er gerade keine Lust. Nach dem Abi war es bei ihm vorbei, da hatte er einfach keinen Bock auf irgendwas, ist ein Jahr zum Bund gegangen und saß dann wieder bei Mama und Papa zu Hause. „Naja, meine Mama gibt mir ja auch noch ein bisschen Geld“, sagt er. Na, Mensch. Dann hast du ja ausgesorgt, oder nicht? Ich koche innerlich.
Ich mache mir wirklich den ganzen Tag Gedanken darüber, wie es weitergehen soll. Was kommt nach dem Studium und den ganzen unbezahlten Geschichten, die jetzt bald auf mich zukommen? Täglich stresse ich mich damit, träume davon und mache mich total fertig. So fertig, dass selbst Freunde von mir sagen, sie hätten mich noch nie so gesehen. Und er sitzt einfach da mit einem fette Grinsen auf dem Gesicht. Kindergeld bekommt er und anscheinend fühlt er sich damit ganz gut. Ich verstehe das einfach nicht. Wie kann man es sich denn so einfach machen? Oder wie kann man seine eigene Zukunft denn so einfach wegwerfen und wirklich einfach nur Gammeln? Ich verstehe es einfach nicht.
Auf der anderen Seite gibt es da Dinge, die auch mich in diesem Ding, der Zukunft, nerven. Selbst wenn man noch so motiviert ist und ein noch so gutes Studium hat, hangeln sich qualifizierte Absolventen häufig nur von kleinem Praktikum zu noch kleinerem Praktikum. Ab und zu gibt es dann sogar Geld, aber das auch nur in den seltesten Fällen. Deutschland möchte, dass seine Kinder etwas aus sich machen. Dass wir, die neue Generation, zu großen Fachkräften heranreifen, aber wie soll das denn gehen, wenn uns unbezahlte Praktika angeboten werden und wenn wir keine Jobs bekommen, nur weil uns die Erfahrungen fehlen, die wir normalerweise in drei Monaten unbezahlter Arbeit in Form eines Praktikums bekommen würden? Ich finde, das ist ein Fehler im System und bringt keinen weiter. Was geht den großen Firmen denn dabei ab, mal in die Kasse zu greifen und ein bisschen Geld zu zahlen, für einen ambitionierten, gut ausgebildeten Praktikanten?
In diesem Moment dachte ich mir, dass dieses „Kind“, so sehe ich ihn leider, das da vor mir sitzt doch ansatzweise Recht hat mit seiner Einstellung zum Leben. Warum sollen wir uns für nichts tot arbeiten, wenn sowieso nichts davon kommt? Trotzdem. Ich kann es mir nicht vorstellen tagein, tagaus zu Hause zu sitzen und wirklich nichts, ja auch so rein gar nichts zu machen. Er wiederum sagt, er hätte so viel Zeit zu „zocken“, Playstation zu spielen, Freunde zu treffen und ganz ganz viele andere Dinge zu machen. Eigentlich ist das doch genau das, was wir damals auch in der Schule gemacht haben. Zu der Zeit, in der die Zukunft ganz ganz weit weg war. Da war alles so unbeschwert und locker und ohne Gedanken an etwas, das danach kommt oder kommen könnte und jetzt sind wir mittendrin und vielleicht kommen einige Leute einfach nicht klar mit diesem „mittendrin“.
Dann gibt es solche Leute, wie mich, die sich um alles Gedanken machen und es dabei auch nicht verbessern. Dann gibt es die Leute, die für sich selbst schon einen Weg gefunden haben und diesen auch gehen. Und dann, ja dann, gibt es die Leute, die nicht wissen, was passiert und auch nicht daran arbeiten wollen. Die sitzen Abends am Boxhagener Platz und rauchen eine Mangozigarette. Vom Kindergeld.
3 Kommentare
Sicherlich läuft in unserer Gesellschaft bei den Erwartungen und den sich bietenden Möglichkeiten auf dem Arbeitsmarkt einiges schief. Über diese Einstellung, vom Kindergeld zu leben und einfach nichts zu machen, lasse ich mich jetzt nicht weiter aus. Du hast es mit “in mir kocht es” schon ziemlich treffend beschrieben.
Viel mehr möchte ich etwas zum Thema Praktika sagen: zwar ist es nicht fair, jemanden über Monate lang in der Arbeit einzuspannen und ihn nicht dafür zu bezahlen. Auf der anderen Seite muss man auch die Unternehmen verstehen, dass sie einen ungelernten Menschen, bei dem sie nicht wissen welchen Mehrwert er dem Unternehmen bringt, bezahlen sollen.
An dieser Stelle kann ich jedem nur raten, entweder Ausbildung und Studium zu kombinieren oder erstmal eine Ausbildung zu machen, dafür bekommt man Geld und kann am Ende entsprechende erste Erfahrung vorweisen. Mir gefällt der Trend nicht, dass viele nach der Schule “erstmal studieren gehen” ohne genau zu wissen, was sie wirklich wollen. Natürlich kann niemand zu diesem Zeitpunkt detailgenau seine Zukunft ausmalen, das konnte ich damals auch nicht. In der Rückschau hätte ich mich vielleicht doch auf eine etwas andere Richtung einlassen sollen. Sich ausprobieren, um herauszufinden, was einem gefällt ist durchaus in Ordnung, aber manche studieren x Fächer und komme nie recht zum Abschluss. Nur den Schritt in die Ausbildung wählen dann die wenigsten. Daher bleiben auch jedes Jahr viele Plätze unbesetzt.
Ich finde auch, dass wir zu wenig Angebote im Bereich Beratung/Coaching für Schulabgänger haben, auch das Thema Mentoring ist zu wenig etabliert. Aus diesem Grund engagiere ich mich soweit möglich in diesem Bereich und möchte das gerne noch weiter ausbauen. Nur ist es nicht einfach, passende Möglichkeiten zu finden, wie man sich ehrenamtlich oder nebenberuflich da stark machen kann.
Richtig guter Text!
Recht haste!
Danke!