„Machen wir da eine Pinkelpause?“, frage ich, „weil da die Toiletten besonders schön sind und nichts kosten?“
„Nein einen weiteren Fahrerwechsel. Tut mir leid. Geht nicht anders.“
Alle guten Dinge sind schließlich auch drei und ich bekomme in Bayreuth einen neuen Wegbegleiter, der mich hoffentlich dann endlich nach München bringt.
Wir halten diesmal an einer Autobahnraststelle vor dem Casino.
Eine Frage, der ich irgendwann einmal nachgehen werde, weil sie mich fast wöchentlich beschäftigt: Welche Menschen sitzen da jetzt drin?
Kalle, der neue Fahrer, ist mir etwas suspekt. Er ist ein kleiner, energischer Perfektionist. Das sieht man schon daran, wie er seine Flaschen ins Cockpit einräumt und seinen Ordner verstaut. Aber wenigstens hält er die Klappe und ich kann endlich einschlummern…
Eine rasante Linkskurve haut meinen Schädel gegen den Türrahmen und lässt mich unsanft aus meinem Schlaf erwachen. Seit wann sind Autobahnen so kurvig?
Ich öffne die Augen und sehe, dass wir uns auf einer Landstraße befinden. Mein Hirn ist zwar noch etwas schläfrig, aber sucht schon nach logischen Erklärungen, warum wir uns plötzlich auf der Landstraße befinden. Die erste logische Erklärung – er verschleppt mich mitten in der Nacht und sperrt mich in ein Verlies wo er mich gefangen hält und von meinen Eltern Lösegeld verlangt. Wäre gar nicht so dumm von ihm. Mitten in der Nacht würde es zumindest keiner mitbekommen. Ich will mich aber noch nicht so ganz mit meiner logischen Erklärung abfinden und frage einmal nach, was da gerade vor sich geht:
„Ist auf der Autobahn Stau oder warum fahren wir auf der Landstraße?“
Was für eine schöne Formulierung ich mir da ausgedacht habe, anstatt zu fragen ob er mich jetzt verschleppt und als Geisel nimmt.
„Nein, wir müssen noch einmal in Nürnberg halten.“
„Fahrerwechsel?“
„Nein Ware abladen.“
Darauf folgt ein starkes Bremsen und der Lieferwagen hält an. Alles ist Gelb und ich bin geblendet von den Flutlichtern der Hallen. Ich sehe Kisten und Paletten, unzählige gelbe Lieferwagen in Reih und Glied geparkt. Die Menschen wuseln schnell hin und her. Stapel Kisten, laden Lieferwagen ein, unterzeichnen Formulare. Mein Hirn ist immer noch etwas schläfrig aber Sekunden später wird es mit klar. Ich befinde mich im Logistikzentrum der Deutschen Post in Nürnberg und wir geben gerade eine Sendung „Overnight“-Briefe ab.
Ich und die Overnight-Briefe waren die ganze Zeit ein Team und ich wusste es gar nicht. Natürlich ging wieder alles ganz schnell. Nur noch 90 Minuten dann müssen wir die restliche Ware in München abgegeben haben, damit sie rechtzeitig sortiert und ausgeliefert werden kann. Wir kommen um Punkt 2 Uhr an und ich darf das Licht des Logistikzentrum der Deutschen Post in München erblicken, bevor mich mein Fahrer zur Entschädigung für die ganzen Strapazen und Zwischenstopps vor der Haustür abliefert. Im Nachhinein war das doch alles ganz spannend. Ich bin Zeuge einer Expresslieferung geworden, war mitten drin, statt nur dabei und frage mich, wer morgen einen der Briefe auf seinen Schreibtisch liegen hat.
2 Kommentare
Oh man das ist ja schon eine echt krasse Geschichte, ich fahre auch sehr sehr regelmäßig MFG – hab auch schon so einige durch- aber das ist echt ein Erlebniss=).
Schöne Geschichte. (Wobei ich doch ein ganz kleines bisschen enttäuscht bin, da ich erst vor kurzem gelernt habe, dass Bayreuth als nationale Opiumhochburg gilt…verdammte Sensationsgeilheit.)