Während ich durch den Sommerregen auf den Malediven gelaufen bin, war Gastbloggerin Corinna für mich auf der Fashion Week Berlin 2013. Aber irgendwie ist ihr nach der ersten Show schon die Lust vergangen.
“Ich bin in einem anderen Universum gelandet. Fashion Week Berlin 2013, erster Tag, die Show von Rebekka Ruétz. Die Front Row ist voll von bunten Männern und Frauen mit viel Make-up im Gesicht und Kunstblumen im Haar. Sie alle halten Ausschau nach bekannten Gesichtern, doch die sind rar. Eine Ex-Castingshow-Viertplatzierte posiert für die Fotografen. Doch sie ist nie zufrieden mit dem Ergebnis, sodass die Paparazzi bald genervt abziehen.
Das Licht geht aus. Ganz dunkel wird es aber nicht. Die Gesichter der Zuschauer werden von ihren iPhone-Bildschirmen erleuchtet. Die Musik geht los, sie donnert durch den Raum. Als das erste Model auf den Laufsteg tritt, werden die Gesichter der Zuschauer frontal erleuchtet. Sie haben ihre Telefone jetzt direkt vor der Nase und klicken wie wild auf den Auslöser.
Die gezeigte Mode ist großartig. Ich sehe breite Schultern, starke und satte Farben. Die Stoffe variieren von zart bis grob, und doch ergänzen sie sich perfekt. Die Gesichter der Models sind mit Flügel-Aufklebern dekoriert, die an den inzwischen allgegenwärtigen Vollbart erinnern. Ein schöner Bruch zur sehr feinen Kleidung. Die Kleidung ist besonders, und trotzdem ist sie nicht abgehoben. Ich bin begeistert von Rebekka Ruétz Kreativität. Sie hat sich weiterentwickelt von verspielten Schneewittchen-Kleidern zu einer erwachsenen Kollektion.
Ihr Publikum hingegen hat einen Schritt zurück in die Jugend gemacht und wie immer jegliche Art von Anstand vergessen. Die Designerin tut mir leid. Vor zwei Jahren hat sie ihr Label erstmals in Berlin präsentiert. Das Publikum war fachkundig, es war nicht ganz so bunt und auch die Immobilienmakler-Dichte war niedriger.
Die Menschen, die hier im Publikum sitzen, sind keine Einkäufer und gehören auch nicht ihrer Zielgruppe an. Stattdessen starren sie neidisch in die ersten Reihen mit den Goodiebags und greifen im Vorzelt alles ab, was kostenlos zu haben ist. Außerdem freuen sie sich, als sie unter den Models eine weitere Ex-Castingshow-Teilnehmerin erkennen. Fotos werden keine gezeigt. Letztes Jahr wurde Christine mit dem Anwalt gedroht, als sie die unübersehbare, langweiligen Gesichter der Front Row dokumentiert hat. Freie Meinungsäußerung gibt es also auch nicht mehr.
Irritiert verlasse ich das Zelt, blinzle in die Sonne und setze mich auf mein Fahrrad. Es ist traurig, wie eine sorgfältig geplante Show vom Publikum versaut wird. Ich bin ebenfalls kein Käufer und auch nicht die unmittelbare Zielgruppe der Show. Aber ich habe eine Grundvorraussetzung für die Fashion Week, die bei den meisten noch nie vorhanden oder verloren gegangen ist – ich interessiere mich für Mode. Ich kann über sie Mode schreiben, über das stimmige Gesamtkonzept der Show und darüber, wie eine junge Designerin sich positiv weiterentwickelt. Das hilft der Marke. Die bunten Papageien können ihr nicht helfen. Sie haben ohnehin alles nur durch die Linse ihres iPhones gesehen oder eine weitere Ex-Castingshow-Achtplatzierte…”
5 Kommentare
Genauso stelle ich es mir vor! Endlich spricht es mal jemand aus…
Schön zu sehen, dass die Designerin auf Magermodels verzichtet hat. Auf den Bildern sehen die Mädels alle ziemlich gesund proportioniert aus. Das könnte man vielleicht noch als positives Highlight neben der Kollektion selbst hervorheben.
wirklich gut!