Wutausbrüche im Verkehr kennen wir ja alle: Ob mit Auto, Fahrrad oder zu Fuß unterwegs, wir müssen alle ganz schnell irgendwo hin und warum sind verdammt nochmal immer dann alle im Weg?!? Ist doch klar, dass ICH mich jetzt beeilen muss und die ganze Straße mir gehört. Dass die anderen das nicht verstehen! Sehr enttäuschend und vor allem sehr FRUSTRIEREND!
Gut, ein bisschen schimpfen hier, ein wenig pöbeln da und die angebrachte Wutausbruchmimik dazu ist uns durchaus bekannt, ABER in Berlin habe ich etwas ganz neues entdeckt: Hier prügelt man auf dem Bürgersteig wegen Fehlverhalten im Verkehr, wenn es hart auf hart kommt. Die Geschichte geht so:
Ich war als Tourguide mit einer ganz süßen britischen Familie unterwegs und irgendwann mussten wir über einen Bürgersteig fahren, weil die Straße gesperrt war. Ja, hätte man es superdeutsch korrekt gemacht, wäre man abgestiegen. Unsere Alternative war: Ganz langsam fahren, die Fußgänger vorgehen lassen, alles wohlüberlegt, alles gut, denkt man…
Und trotzdem hat es nicht gereicht. Ein hochnäsiger Geschäftsmann, so einer mit einem Anzug in undefinierbarer Farbe, komischer Krawatte und grauen Haaren, die übertrieben glatt und zu hip für sein Alter nach hinten gestyled waren, haut mir auf einmal mit seiner Zeitung auf meinen Rücken. Dann pöbelt er irgendwas von wegen Bürgersteig, Scheißtouris, Fahrradfahren … Ich meinte, dass er sich nicht so haben soll (ein Spruch, der natürlich total nervt, wenn man sich gerade aufregt und vor allem, wenn er dir als hochnäsiger Geschäftsmann von einem Hippie-Tourguide an den Kopf geworfen wird).
Auf jeden Fall ging es dann los: Er schubste mich und meine Ur-Reaktion war, zurückschubsen! Was er wiederum überhaupt nicht erwartet hat und bevor ich mich versah, kriegte ich einen Hausfrauenklatsch ins Gesicht. „Das rote Tuch“ tat seine weitere Arbeit: Zurückklatschen und kratzen und treten und schimpfen ob seine Mutter ihn so erzogen habe. Ich konnte nicht anders.
Es ging so weiter bis die teure Louis Vuitton oder was auch immer Sonnenbrille von meinem Bürgersteiggegner zerstört auf dem Boden lag und einer von meiner Gruppe dazwischen ging. Also war ich einmal wieder ein sehr schönes Aushängeschild für meine Tourguide-Agentur. In Großbritannien macht es jetzt die Runde, dass Fahrradtouren lebensgefährlich sind, Guides voll die Gangster, die mit Karate-Kicks im Verkehr in Berlin durch die Gegend fliegen.
Es hat übrigens ewig gedauert, bevor überhaupt jemand eingegriffen hat: „Es ging ja alles so schnell“, „Ich habe nur gesehen, dass sie IHN attackiert hat, da wusste ich dann auch nicht was ich tun soll“ und „Naja, der Mann hat ja Recht, sie ist ja auf den Bürgersteig gefahren“. Anscheinend konnten meine Augenzeugen ziemlich locker darüber hinweg schauen, dass ein Tourguide mit Gewalt korrigiert wird. Solange die Regeln im Verkehr in Berlin nur eingehalten werden, ist ja alles gut.
Ich habe mich schon gefragt, ob Einfach-auf-die-Fresse-hauen der übliche Vorgang ist, wenn man sich nicht überkorrekt im Berliner Verkehr verhält. In Holland ist die Sache mit einmal kurz schimpfen, wild mit den Armen rumfuchteln und mit rotem Kopf weiterfahren, gegessen. Wo kommt sie her, diese Tieffrustration im Verkehr in Berlin? Und hat man es vor allem auf Touris gemünzt? Eine Diskussion über Auf-die-Fresse-hauenden Geschäftsmänner mit komischen Krawatten im Verkehr in Berlin steht für mich auf jeden Fall noch aus. Was denkt ihr?
11 Kommentare
Wenn EIN Radfahrer das macht ist es kein Problem, wenn man aber den ganzen über Tag zig Radfahrern ausweichen muss, die auf dem Gehweg fahren, bei rot über die Fußgängerampel rasen oder abends aus Gründen partout kein Licht benutzen wollen, dann nervt es extrem und man will allen beim kleinsten Disput nur noch auf die Fresse hauen und das Rad inkl. Sattel im Anus versenken. Und das sage ich als täglicher Radfahrer, der schon von einem anderen Radfahrer angeschissen wurde, weil ich so dreist war und bei rot angehalten habe. Nun nehme ich immer öfter das Auto, schont irgendwie doch die Nerven. Trotz Stau.
Ich lese leichte Aggressionen ;)
Ich fühle mit Dir.
Ich habe mal beobachtet,wie eine frau im oma-alter einen herrn im papa-alter fast vom rad geschubst hat,weil er auf dem bürgersteig fuhr.sie brüllte “das ist kein radweg,mann!”.der bürgersteig war sehr breit und außer mir und der oma war da niemand.ich fand das gefährlich, unnötig und falsch,so zu reagieren.
Das muss wohl ein Mann aus der Provinz von Berlinern ordentlich erzogen werden ;) erstens, schubst und schon lange schlägt man keine Ladies. Nicht in Berlin. Nicht unter korrekten Menschen.
Zweitens wird man generell nicht handgreiflich auch in einem aufgewaschenen Viertel wie Prenzlauerberg nicht, wo Wedding um die Ecke liegt. Bei einem Fahrradkurier wird das der “feine Herr” nicht machen.
Da wird er leise bleiben.
Auch bei den etwas “härteren Jungs nicht ;) Guter Artikel. Seltsame Menschen gibt es immer. Hoffentlich nicht repräsentativ für den Verkehr regulär totalitär …
Wer bei dem Anblick, DU radfahrend auf dem Fussgängerüberweg, nicht den Drang nach einer exzessiv freundlicheren Art der “Zurechtweisung” verspürt, ist soweit entfernt von minimal liebevollem Sozialverhalten, daß -eins auf die Fresse- definitiv 2-3 Kapitel zu sozial ist und mit Besserung in diesem Leben wohl nicht mehr zu rechnen ist……:-(
Ich lebe zwar nicht in Berlin, sondern in München. Hier muss man als Fußgänger den Gehweg mit abgestellten Fahrrädern, Mopeds, Motorrädern, Verkaufsgestellen der Geschäfte, Tischen und Stühlen der Cafes und Restaurants teilen. Nicht zu vergessen der Fahrradweg. Wenn dann noch Fahrradfahrer von allen Seiten ohne Rücksicht auf Verluste auf einen zurasen, dann macht das aggressiv. Am schlimmsten sind die Radfahrer, die 2 cm an einem von hinten ohne Vorwarnung vorbeirauschen. Ich handhabe es da wie die Holländer schimpfe vor mich hin und fuchtle mal mit den Händen. Physische Attacken lehne ich ab. Ich denke die Aggression wird dadurch genährt, dass auf der Seite der Gehweg-Radfahrer keine Einsicht und meist keine Rücksicht herrscht.
Vollkommen korrekt, erwachsene Radfahrer haben auf dem Bürgersteig nichts zu suchen. Lt. Straßenverkehrsordnung gehören alle Fahrzeuge (!) auf die Straße. ich wünschte Radfahrer – ich bin selber einer – müssten auch einen Führerschein machen.
schlagen braucht man troztdem keinen und ich als Radfahrer bin hier in München oft genug genervt von den Fusgängern vorallem denn Rosenheimerberg runter die laufen aufm Fahrradweg rum als wärs ihr Gott gegebenes Recht und schnauzen mich an wenn ich es wage zu klingeln.
Im Verkehr nervt glaube ich jeder jeden ;)
Die Fußgänger sollten den Radlern nicht ständig auf dem Bürgersteig in die Spur laufen und sich besser devot die Hauswand entlang drücken. “Bürgersteige zu Fahrradsteigen” ist die Lösung …und bitte schön rot anmalen!!