Ich sitze auf einer gepolsterten Bank am Fenster, in einer gemütlichen Ecke. Es duftet nach Kaffeebohnen und Rauch. Draußen ist es grau und kalt. Ein Wintertag, an dem man die Uhrzeit nicht an der Helligkeit des Himmels bestimmen kann. 8 Uhr ist wie 14 Uhr. 17 Uhr wie 22 Uhr. Eine adrette Bedienung stellt einen Teller vor mir auf dem Mamortisch ab. Sie sieht aus wie alle Bedienungen – blondierte Haare, schwarzer Rock und schwarze Strickjacke aus der ein weißer Kragen spitzt. Ihr Blick scheint überall im Raum zu sein, nur nicht bei der Person, die sie bedient.„Bitteschön, wie sie wollten, ein Stück Sachertorte mit Schlagobers. Schlagsahne.“ „Dankeschön“, erwiderte ich. Was Schlagobers ist, wusste ich jedoch. Neben der Sachertorte steht auf einem silbernen Tablett eine Tasse Wiener Melange. Kein Kaffee. Wiener Melange. Sehr wichtig hier in Wien. Ich habe den Fehler, den so manch ein anderer schon vor mir gemacht hat, auch begangen und in einem Wiener Kaffeehaus einen Kaffee bestellt. Hier gibt es keinen Kaffee, hier gibt es Brauner und Franziskaner, Einspänner, eine Vielzahl von weiteren Kaffeespezialitäten und eben Wiener Melange. Aber nicht nur einfach Kaffee. Der Schokoladenüberzug meiner Sachertorte ist perfekt. Dunkelbraun und cremig. Ich genieße sie und lasse mir Zeit. Zeit, dass sollte man sich auch nehmen, in einem Wiener Kaffeehaus. Auf einem Tisch in der hinteren Ecke des L-förmigen Lokals liegt eine Vielzahl von Zeitungen. Tageszeitungen, Wirtschaftsmagazine, Frauenillustrierte. Dahinter steht ein Billiardtisch, an dem sich drei Männer vergnügen. Sie spielen Dreiband-Billiard, rauchen Zigaretten und trinken Kaffee. Entschuldigung. Wiener Melange oder Franziskaner oder Einspänner. Das Kaffeehaus ist ein Ort für Genießer. Für Genießer von guten Mehlspeisen und Kaffee. Ich habe erst nicht verstanden, warum das gleiche Kaffeepulver in Wien viel besser schmecken soll als beispielsweise in München oder Berlin. Es liegt an der wichtigsten Zutat für den Kaffee – dem Wasser. Dieses kommt hier direkt aus einer Quelle in den Bergen.
Ich schaue aus dem Fenster. Eine der Bedienungen steht draußen vor der Tür. Ihr weißes Schürzchen wird vom Winde in die Höhe geblasen. Verkrampft hat sie eine Zigarette zwischen den Fingern in ihrem Mund und zieht, als gäbe es kein Morgen mehr. Die Zigarette verlässt ihren Mund nicht. In jedem Atemzug zieht sie an ihr. Innerhalb von 30 Sekunden ist sie fertig, schnipst den Stummel auf die Straße und geht wieder hinein, um eine weitere Bestellung von Sachertorte mit Kaffee und Schlagsahne entgegen zu nehmen. In einem Caféhaus sollte man nicht nur den Kaffee genießen und sich Zeit zum Lesen und Spielen nehmen, sondern auch zum Beobachten. Zu sehen gibt es eine Menge. Alte Damen beim Kaffeeklatsch, romantische Liebespärchen, die gemeinsam an einer Tasse schlürfen, ein junger Mann mit Smartphone in der Hand. Er hat wohl das Schild am Eingang nicht gelesen – Handys verboten- steht da drauf. Das Wiener Kaffeehaus ist ein Ort, an dem sich nichts verändert hat. Ein Ort, an dem die Technik noch nicht vorgedrungen ist und ein Ort für Menschen mit Zeit. Wer dich nicht hat, soll samt Smartphone draußen bleiben.
Zeitung im Caféhaus
Die Besucher der Wiener Caféhäuser
Salz und Pfeffer
Adrette Bedienungen
Sachertorte und Wiener Melange
Interior eines Kaffeehauses
Mein liebstes Wiener Kaffeehaus – Café Sperl
Wer eine Reise nach Wien plant und keine Lust auf Warten und in der Schlange stehen hat, der kann sich hier schon vorab seine Tickets für verschiedene Touren und Museen kaufen:
7 Kommentare
Herzlichen Dank für diesen Artikel, der mich an einen Besuch in einem Salzburger Kaffeehaus erinnert hat, in dem ich vor einigen Jahren war: http://travelworldonline-traveller.blogspot.com/2010/05/osterreichische-kaffee-kultur-in-einem.html Die österreichischen Kaffeehäuser sind schon etwas Besonderes in unserer hektischen Zeit.
Was für ein schöner Bericht. Ich selber bin Fan von alten Städten. Wien ist mir auch sehr ans Herz gewachsen. Das hat dafür gesorgt, dass obwohl ich aus Norddeutschland komme schon 4 x in Wien war. Ich liebe die Kaffeehauskultur dort und irgendwie sind die Menschen auch glatt ein wenig gemütlicher. :-)
Ja, dass schöne Wien… Habe mich auch verliebt.