Wie ich mich jetzt fühle? Ich weiß nicht. Irgendwie leer. Ich versuche die ganze Zeit an irgendetwas zu denken oder was gerade passiert ist zu analysieren, aber meine Gedanken rasen vorbei, wie die Autos auf der Schnellstraße. Was soll man denn da auch analysieren. Ich habe versagt. Ich habe mich nicht getraut. Ich habe Angst bekommen und den Schwanz eingezogen. Ich war ein richtiges Mädchen. Ich weiß auch nicht, was mich da überkommen hat. Ich war doch eigentlich schon unten.
Es war ein Samstagmittag, als ich mich auf den Weg zum Seaquarium in Miami gemacht habe um mich am Counter für den Sea Trek anzumelden. Ich habe mich schon den ganzen Tag darauf gefreut, denn das Bild, das ich vorab geschickt bekommen habe, sah so cool aus.
Irgendwie musste ich dabei an die Taucherglocke von Zinnowitz denken. Bei Sea Trek setzt man sich einen lustigen Helm auf und geht Unterwasser. Mehr Gedanken habe ich mir dazu auch nicht gemacht, bis ich am Encounter stand und unterschreiben musste, dass ich selbst dafür verantwortlich bin, wenn ich unter Wasser einen Herzinfakt bekomme oder Gehörschäden oder sterbe. Die Amis, lustig, müssen sich immer mit allem absichern. Dabei können diesen Sea Trek sogar 10-jährige Kinder machen.Da wusste ich noch nicht, dass ich wirklich am Herzinfakt sterben könnte… Trotzdem fragte ich mal lieber nach, wie tief denn das Becken ist. Die Frau hinter dem Tresen hat irgendwas von Inch geredet und dann 3 Meter ergänzt. 3 Meter? Ok, das geht gerade so. Zweimal schwimmen und ich bin wieder an der Oberfläche. 10 Minuten später stand ich da, im Neoprenanzug und mit zwei Indern, die auch den Sea Trek gehen wollten, und war bereit. Theoretisch. Unser Guide hat sich vorgestellt und wir mussten uns ein Video anschauen, das genau gezeigt hat, wie alles abläuft. Auf dem Weg zum Videoraum hatte ich natürlich schon unendlich viel Fragen. Ist schon mal was passiert? Nein. Ist das gefährlich? Nein. Wie groß sind die Fische? Größer als du. Waaassss??????????????? Mein Magen schnürte sich zusammen. Kurz hatte ich die Hoffnung, dass es ein Scherz sei. Ich dachte, ich schwimme mit süßen, kleinen Nemos um die Wette. Es gibt genau zwei Tiere, von denen ich unendliche Angst habe. Spinnen und Fische. Das Video beginnt zu laufen. Ich bin völlig überfordert mit den Gefühlen, die sich in mir ausbreiten. Trotzdem versuche ich mich auf das Video zu konzentrieren. Wir gehen in das Wasserbecken, bekommen den Helm auf, gehen Treppen runter und dürfen nicht vergessen einen Druckausgleich mit den Ohren zu machen. Einen was? Wie tief ist denn das Wasser? An die 5 Meter. Waaasss? Ich sterbe, innerlich 15 Tode. Die Vorstellung mit mannsgrossen Fischen 5 Meter unter dem Wasser zu sein, nimmt mir den Atem. Ich weiß, ich weiß, die tun nichts, die sind alle lieb und brav, aber irgendwie kommt es nicht in meinem Kopf an. Ruhig bleiben Christine. Ruhig bleiben. Wir machen uns auf den Weg. Die Inder scheinen ziemlich entspannt zu sein. Ich versuche ihnen den Spaß nicht zu verderben, halt einfach die Klappe und watschle hinterher. Dann ist es soweit. Ich bin die Erste, die den Helm aufsetzen soll. Ich weiß nicht, was ich tun soll. Meine Gedanken sind gelähmt. Es fühlt sich alles nicht gut an, aber ich setze das Ding auf und gehe unter Wasser, ein Schritt nach dem anderen und bete, dass mich kein Fisch berührt. Mein Guide fragt mich, per Zeichen, ob alles ok ist. Ich sag ok und schau mich um. So ein ganz goldiges Ding mit zwei Glubschaugen schaut mich an und es ist wirklich niedlich, aber dahinter schwimmt einer der mannsgrossen Fische und mir schnürt es die Kehle zu und ich will das nicht und ich merke, dass der Moment gekommen ist, an dem ich Nein sagen muss. Ja, für viele ist das ein Traum, ein Vergnügen, ein unvergesslicher Moment, für mich ist es Stress pur. Ich gebe dem Guide ein Zeichen, dass ich hoch will. Er schaut ganz traurig, ich versuche ihn zu ignorieren und mache noch einmal klar, dass ich hoch will. Jetzt. Er begleitet mich hoch und seine Kollegin nimmt mir wieder den Helm ab. Fuck. Ich entschuldige mich 1000 Mal, lache hysterisch und dann laufen mir die Tränen die Wange runter. Ich kann mich nicht daran erinnern schon mal geweint zu haben, weil ich was nicht konnte. Ich hatte einfach unglaubliche Angst da unten. Zu Wissen, dass ich nicht sofort wieder auftauchen kann, macht mich verrückt. Trotzdem bin ich enttäuscht von mir. Ich habe unglaubliche Höhenangst und habe es geschafft einen Fallschirmsprung zu machen, doch hier war meine Grenze. Da höre ich so oft von anderen: „Was du reist so viel alleine? Das ist aber mutig“, doch dann schaffe ich es nicht mal in ein 5 Meter tiefes Becken mit Fischen zu gehen. Ich will euch nichts vormachen, Scheitern ist Scheisse und fühlt sich scheisse an. Aber es gehört zum Leben dazu. Richtig blöd ist nur, wenn keiner da ist, der dir sagt, dass es nicht so schlimm ist…
26 Kommentare
Es ist nicht schlimm! Ganz und gar nicht. Man muss einfach nicht alles im Leben machen und Nein sagen ist manchmal viel mutiger als sich durch Situationen zu quälen!
Scheitern gehört zum Leben. Hast Du selbst geschrieben und ich kann nur zustimmen. Und manchmal ist es besser zu wissen, wann der Moment gekommen ist, nein zu sagen. Auch das erfordert Mut. Und irgendwann wird der Moment kommen, wo Du auch 5m unter Wasser mit mannsgrossen Fischen sprichst. Jetzt scheint er noch nicht da zu sein, aber das ist alles nicht so schlimm.
(Und es gehört auch Mut dazu, deine Gefühle so in Deinem Blog zu schreiben – davor habe ich allerhöchste Achtung)
..vielleicht hast Du auch eine Art von Platzangst – wenn da so ein Helm drübergestülpt wird – aber so ne kleine Panikattake kann jeder mal bekommen!!!
Wen interessieren schon die blöden Fische? Mach dir nichts draus, du bist Fallschirm gesprungen man !!!
Hi Christine,
Ich bin stolz auf dich. Du hast den Mut gehabt Nein zu sagen und auch dazu zu stehen.
Jetzt kennst du eine Grenze. Tauchen ist nicht dein Ding :-)
LG Eric
Nevermind!
Genau das bringt dich persönlich vielleicht viel weiter.
Du hast nur bewiesen, dass du Persönlichkeit hast! Weiter nichts. Du stehst wenigstens da zu:)
Alles Liebe Anna
hey, so ist das halt machmal muss man ganz nah dran um zu spüren wo die grenzen sind.
nimm es dir nicht übel das ist menschlich, du bist ein mensch dazu gehört scheitern.
ich bewundere deinen mut.
Ich kann das vollkommen verstehen. Als ich im Great Barrier Reef Schnorcheln war hatte ich auch irgendwie Angst. Aber da konnte ich eh nur an der Wasseroberfläche schwimmen. Der Gedanke daran dort zu tauchen hat mich wahnsinnig gemacht obwohl ich die Unterwasserwelt super schön fand! Ich war froh sie nur von oben betrachten zu müssen!
Und manchmal ist es auch ok, wenn man sich eingesteht, dass man irgendetwas einfach nicht kann. Nicht jeder muss alles können! Und du hast es zumindest versucht! Das finde ich schon wahnsinnig mutig!
“Ich habe versagt. Ich habe mich nicht getraut. Ich habe Angst bekommen und den Schwanz eingezogen. Ich war ein richtiges Mädchen.” Mädchen versagen also. Uff.
Wie sieht es denn aus, wenn du versagst? Versagen ist für mich nicht Herr über meine Gedanken zu sein. Und in dieses Becken mit den harmlosen Fischen zu gehen ist Kopfversagen.
Versuch es nach einiger Zeit noch einmal – ich bin sicher dann klappt es.
Ich weiß nicht :(
Schlimm ist doch nur, dass die Angst Dich so übernommen hat. Sie hatte Dich im Griff. Die Angst. Nicht die Fische. Und auch nicht das Wasser – bei 5m schon gar nicht.
Du ärgerst Dich, wirst hysterisch, weil Du denkst, dass es nicht sein darf. Weil Du weißt, dass Du auftauchen kannst. Weil Du weißt, dass Du 60 Sekunden lang die Luft anhalten kannst, ohne Probleme – und sogar 30 Sekunden, wenn Du vorher “ausgeatmet” hast. (Das muss ich jedes Jahr beim Arzt für die Tauchtauglichkeitsprüfung machen). Probiere das mal aus – Du merkst tatsächlich nach 20 Sekunden, wie der Körper in ein Notprogramm schaltet und die Blutzirkulation in den Gliedmaßen zurückfährt, um weiter die Hauptorgane zu versorgen. Toll, so ein Körper. Dein Körper.
Und diese großen Fische – male Dir das Schlimmste aus, was sie tun könnten. Mit Dir. Im Wasser: Dich anstupfen. Wie auf facebook. Um Dir zu sagen: Komm mal runter, liebe Christine!
Du siehst, dahinter – gut versteckt – ist sie es, die Dich im Griff hatte – diese blöde Angst. Und nur die. Und das ärgert Dich. Deshalb hast Du geweint. Was überhaupt nicht schlimm ist. Und weißt Du, was Du jetzt machst? Einen Tauchschein. Und zeigst der Angst den Stinkefinger! :O)
LG, Tom
Bei mir war die Grenze bei einer, für alle anderen Beteiligten, harmlosen Kanufahrt.
An einigen Stellen war der 5-10m breite “Fluss” oft nur so tief, dass man mit dem Paddel noch den Grund tasten konnte… Trotzdem hat mich das Schaukeln und die Nähe zur dunklen Wasseroberfläche so fertig gemacht, dass ich echt total knatschen musste und die ganze Gruppe an der nächsten flachen Uferstelle anhalten und darauf warten musste, dass ich unter Tränen aussteige… Kurz gesagt: Es war furchtbar für mich, aber im Nachhinein mussten alle über meinen Dickschädel lachen und genau weil ich meistens eher unerschrocken bin und davor plötzlich Panik hatte, wird die Geschichte irgendwie immernoch in meinem Freundeskreis schmunzelnd erzählt…. Also: Good Luck, Bad Luck – who knows? Wichtig ist, dass du immer diesen großartigen Mut behälst Stopp zu sagen, deinen Willen durchzusetzen und manchmal auch den komplizierteren Weg zu wählen! Also weiter do :-)
Es ging um deine Äußerung “Ich war ein richtiges Mädchen”. Diese Aussage suggeriert Schwäche, die Mädchen, und Stärke, die Jungen zugeschrieben wird. Und das ist scheiße.
Aha…
Also bitte! Du hast dir nichts vorzuwerfen! Hast es ja wenigstens noch versucht. Manchmal muss man einfach auf sein Bauchgefühl hören.
Hatte in Südafrika auch die Chance zum Hai-Tauchen und hab dankend abgelehnt. Trotz Käfig war mir das einfach zu gruselig. Letztendlich war ich froh, denn fast alle die dabei waren haben sich schon auf der Hinfahrt mit dem Boot das Frühstück noch mal durch den Kopf gehen lassen. Ich bin also nicht böse, dass mir auch das entgangen ist ;)
Ich würde mich niemals trauen, Fallschirm zu springen, also mach dir wegen ein wenig Wasser und den paar Fischen, die du verpasst hast, keine Gedanken. Du bist verdammt mutig!
Das hat übrigens nicht immer mit großen Taten zu tun. Schon allein deine Offenheit hier in deinem blog oder das Ansprechen wildfremder Leute, wenn du unterwegs bist, ist etwas, das für viele ganz schön mutig ist.
Und “Versagen” gibt’s nicht. Deine Geschichte hatte in diesem Fall einfach nur ein anderes Ende :)
Oh Gott, tauchen mit Haien, da hat mir mal jemand eine Geschichte erzählt, die das ohne Käfig gemacht hat. Unglaublich!!!! Danke für deine lieben Worte!
Liebe Christine,
das ist doch vollkommen in Ordnung, dass man mal Angst hat und eine Situation dadurch nicht mehr im Griff hat.
Wieso müssen denn immer alle Ängste unbedingt überwunden werden (insbesondere Phobien vor gruseligen Tieren)? Wir gehen den Spinnen und großen Fischen einfach aus dem Weg und gut ist! Natürlich tun uns die Viecher nichts, dass wissen wir – aber trotzdem ist da eben diese Panik.
Als ich vor 15 Jahren zum ersten Mal in Berlin im Zoo-Aquarium war, da bemerkte ich, dass ich panische Angst vor großen Fischen habe (mit 19 Jahren!). Richtige Panik mit allem drum und dran. Aber es ist okay für mich – ich kann damit leben, genauso wie du auch!
Man muss doch nicht alles mitmachen (obwohl: Mann oftmals schon, Frau aber sicherlich nicht ;-))
Greetings & Love
Ines
Ich hoffe nur, dass ich nie ein Schiffsunglück haben werde ;) Da würde ich am Herzinfarkt sterben…
Nein sagen und Sachen auslassen weil man sich nicht danach fühlt ist doch kein scheitern meine liebe Christine… Ey du bist am reisen und sollst Spaß haben! Finde du solltest schon stolz auf dich sein den Helm überhaupt aufgehabt zu haben ;) Du wählst aber auch immer reisserische Titel haha :D
Ich habe mich wirklich wie ein Versager gefühlt… jetzt mit Abstand sieht man das natürlich wieder etwas anders.
Hey Christine,
nach dem Artikel würde ich dich gerne in den Arm nehmen und dir sagen, dass es nicht schlimm ist. Viel schlimmer wäre es gewesen, wenn du es durchgezogen, eine Panikattacke bekommen hättest oder schlimmeres. Um dich auf andere Gedanken zu bringen, erzähle ich dir meine Versagensgeschichte:
Zu Schulzeiten habe ich Schwimmen, Tauchen etc. gehasst, weil ich bei der Prüfung zum Seepferdchen erstmal abgetaucht bin und dabei so viel Wasser geschluckt habe, dass mir danach richtig mies und elend war. Habe zwar die Prüfung geschafft, dafür aber den Geburtstag meiner Oma nur bei ihr im Bett verbracht. Aus diesem Grund habe ich Schwimmunterricht in der Schule immer nur mit Mühe und Not überstanden, Trauma oder so könnte man es nennen. Somit habe ich mich weder zu eine Köpper noch zu einem Sprung vom 1 Meter Brett hinreißen lassen können. Im letzten Jahr bin ich dann überraschend gerne regelmäßig Bahnen schwimmen gegangen und irgendwann hat es mich gepackt. Ich wollte unbedingt eine Köpper vom Startblock machen. Ich war auch schon aus dem Wasser raus, stieg auf den Startblock, schaute auf das sich bewegende Wasser – dann sah ich die (wenigen) anderen Schwimmer/Badegäste und hab mir alle möglichen Gedanken gemacht. Das führte dazu das ich unverrichteter Dinge wieder herunter gestiegen bin. Das war mir mega peinlich, obwohl mich vermutlich kaum jemand beobachtet hat. Seitdem habe ich es nicht wieder versucht und ich glaube es wird eins der Dinge bleiben, zu dem ich mich nicht überwinden kann.
Manchmal muss man seine Grenzen erkennen und dann auch akzeptieren, dass man sie nicht überschreiten kann. Finde es mutig, dass du uns so offen davon berichtet hast.
Viele Grüße, Silke
Und ich glaube für einen selber ist das immer viel schlimmer, als für Aussenstehende. Zum Beispiel find eich deine Geschichte auch gar nicht schlimm und denke mir, das macht doch nix ;)
Liebe Grüße
Christine
Schaukeliges Gefährt alias nicht ganz stabile Plattform, auf der man sitzt oder steht: Das mach viele wahnsinnig, so auch mich. Das vermieste mir meine Stehpaddelversuche, und das trotz stehtiefen Wassers. Auf einer Palette zu stehen, die ein Stapler auf 2 Meter Höhe wuchtet, ist für manche schlimmer als die (recht schmale) mittlere Galerie auf dem Völki, und die macht mehr Angst, als auf der Aussichtsplattform eines Funkturms zu schlendern. Wirklich blöd dabei ist aber: Hat man Schiss, fängt man zu zittern an, und das Etwas, auf dem man steht, eiert dann noch stärker.
Mach’s so wie die Amis und sag einfach: Shit happens! Sei’s drum. :-P