Mit kleinen Kindern hatte ich noch nie wirklich viel am Hut. Es hat sich in meinem Kreis einfach nie die Gelegenheit angeboten. Es gab kein kleines Brüderchen zu Weihnachten, keine kleinen Cousinen und Cousins und auch keinen Nachwuchs im Bekanntenkreis. Nichts. Bevölkerungsrückgang in Deutschland? Also hier definitiv! Weil ich als Mädchen zudem jede freie Minute beim Pferd verbrachte waren Klassiker wie „Babysitten“ oder „AuPair“ für mich erst recht undenkbar. So kommt es nun dazu, dass ich mich in meinem hohen Alter von 24 Jahren outen muss und sage: Nein, ich hatte noch nie in meinem Leben einen Säugling auf dem Arm. Und tatsächlich reiße ich mich auch nicht gerade darum. In diesem Sinn: Ja, ich habe einen Riesenrespekt vor diesen kleinen Wesen namens Baby und Kleinkind. Meine Qualifikationen als Tante sind also mangelhaft bis nicht vorhanden…
Trotzdem bin ich jetzt auf einmal Tante im Doppelpack. Ganz unabhängig voneinander, haben es mein Bruder und meine Schwester doch tatsächlich geschafft, gleichzeitig Nachwuchs in die Welt zu setzen. Ein Bub und ein Mädchen. Jetzt, wo das Ergenis „Und, was wird es?“ klar ist, stürmen die Leute auf mich zu und wollen wissen: „Na, wie fühlt es sich an Tante zu sein?“ Darf ich antworten, dass ich überfordert und eingeschüchtert bin? Bisher schaue ich zwar schon entzückt und quietsche auch schon mal auf, wenn ich einen kleinen Hosenscheißer herumtapsen und auf den Windelmors mit weichem Kern fallen sehe, bleibe aber gerne in sicherer Entfernung.
Kinder haben es einfach faustdick hinter den Ohren! Das glaube ich zu wissen, weil ich selbst mal eines war! Wenn sie fertig sind mit Babybrei spucken, fangen sie an unheimliche Wahrheiten auszuspucken. Ja, manchmal ist meine einzige Scheu vor den kleinen Kindern ihre Ehrlichkeit und damit die Angst vor einem peinlichen Bloßstellen. Es ist doch Fakt, überall wo man mit einem kleinen Kind auftaucht, heißt es: All eyes on you! Dann zeigen sie alle mit dem Finger und kritisieren, was man alles falsch macht. Diesen Druck ertrage ich nicht! Es fängt mit der Situation an, wenn man ein Baby auf den Arm bekommt und es beim bloßen Anblick des Fremdlings zu weinen beginnt. Ist es bei mir so schrecklich, dass man gleich weinen muss? Ich möchte im Boden versinken! Oder diese Situationen, wenn man mit kleinen Kindern auf dem Spielplatz „mit unsichtbarem Tischtennisball Tischtennis spielt“ und Teil einer Phantasiewelt wird. Ich fühle mich wie auf der Bühne des Volkstheaters, bei dem das Publikum mich auf Schritt und Tritt argwöhnisch beobachtet!
Als Tante kann ich mich solchen Situationen aber nun wohl nicht mehr entziehen! Was bei meinem Besuch passiert war zu erwarten: auf Purzelbäume schlagen vor lauter Faszination über die winzigen Fingernägelchen folgt der Vorschlag, ich solle die Miniaturausgabe doch auf den Arm nehmen!
Meine unbeholfene etwas verkrampfte Art den Wurm auf dem Arm zu halten bringt ihn natürlich gleich zum Weinen – es ist bei weitem nicht so bequem wie bei Mutti. Ich vernehme einen schrecklich herzzerreißend und Trommelfellschädlichen Signalton! Von 0 auf 100 läuft der kleine Kopf des Kindes hochrot an und schaut, als würde man ihm gerade ganz Schreckliches antun – man möchte ihm irgendwie behilflich sein, verspürt aber gleichzeitig einen kitzelnden Schmerz im Ohr, so als würde man im Club neben der Box stehen! Auf diese für mich außergewöhnliche Stresssituation folgt die einfach gesagte Aufforderung, ich solle das Kind zur Beruhigung doch herum tragen. Wer noch nicht in den Genuss gekommen ist: Das erste Mal mit einem Baby auf dem Arm von einer durchgesessenen Couch aufzustehen kommt einem Lauf auf dem Drahtseil gleich. Aber dann geschieht mit diesem Kind wundersames: eine Walzerdrehung und die Lage beruhigt sich von 100 auf 0, als wäre nichts gewesen. Ich komme mir verarscht vor, feiere mich aber auch ein bisschen. Als ich sehe, dass sich das gleiche Szenario auch auf dem Arm der Eltern abspielt, beschließe ich, den Aufnahmetest für das Tanten-Dasein bestanden zu haben.
In den wenigen Tagen meiner Kontaktaufnahme mit dem kleinen Wesen wurde mir als Tante vorgeführt, dass man eigentlich ziemlich genau die Uhr nach Ihnen stellen kann. Erst wird „gegessen“, dann geschlafen, zwischendrin gepupst, dann geweint und dann geht es auch schon wieder von vorne los. Im Grund genommen, und das traue ich mich nur zu sagen, weil ich aus der Generation mit viel zu hohen Opportunitätskosten komme und jemand bin, die sich noch nicht ernsthaft mit dem Gedanken Kinder beschäftigt hat, haben diese Babys wirklich – naiv gesagt – etwas von Tamagotchis. Und das kleine süße Bäuerchen? Das sind eigentlich einfach nur richtig großartige Rülpser.
Ja, manchmal könnte man sagen war meine einzige Scheu vor den kleinen Kindern die Scheu vor einem peinlichen Bloßstellen. Lächerlicherweise ist das Blödsinn. Weil ein weinendes Baby auf dem Arm einem nicht peinlich sein muss, sondern ziemlich normal ist. Meine erste Aufnahmeprüfung als Tante ist also bestanden, jetzt bin ich nur noch gespannt, wie ich mich schon bald im „mit unsichtbarem Tischtennisball Tischtennis spielen“ anstelle.
Weil meine Ansprüche recht hoch sind, und Tante-Dasein allein mir irgendwie nicht reicht, versuche ich nun Credits im Coolnessfaktor zu sammeln, indem ich die Kinder bei ihren großen Abenteuern fotografiere. Wer mit unsichtbarem Tischtennisball Tischtennis spielen kann, der darf auch Anne Geddes imitieren. Es lebe das Leben als Tante.
2 Kommentare
Ein Junge und ein Mädchen? Respekt! Dann bist du ja jetzt Tante und Onkel…:)…!
voll gut, ja =) vor allem beim schenken sehr angenehm!