“Ihr spinnt doch komplett! Kuchen mit Omas backen und die dann verkaufen!? Das klappt doch nicht.” Das waren die Worte, die Katrin und Katharina von Kuchentratsch am Anfang ständig zu Hören bekommen haben. Ob von Freunden, Bekannten oder Fremden. Heute sitze ich zusammen mit Katrin in ihrer eigenen Backstube im Münchner Stadtteil Schwanthalerhöhe unweit vom Hauptbahnhof gelegen. Die Idee hinter dem Konzept ist Katharina auf Reisen gekommen. Sie war in Brasilien unterwegs und hat dort gesehen, wie junge Menschen Produkte verkauft haben, die die ältere Generation hergestellt hat. Und schon war die Idee für Kuchentratsch geboren. Denn warum weit weg gehen, wenn sich auch vor Ort soziale Probleme auch lösen lassen!?
Altersarmut und Vereinsamung von Senioren und Seniorinnen, das sind aktuelle Probleme, mit denen wir alle schon einmal in Berührung gekommen sind. Die eigene Oma, die eigentlich noch top fit ist, sitzt nur noch zu Hause. Viele ihrer sozialen Kontakte gehen über die Jahre verloren oder sterben weg. Die Rente ist spärlich, reicht zum Überleben, aber wenn mal größere Ausgaben anstehen, wird es schwierig. Wir leben in einer Gesellschaft, in der ein jeder von uns etwas wert ist, so lange er arbeitet. Scheiden wir jedoch aus dem Arbeitsalltag aus, wird es schwer einen Platz in der Gesellschaft zu finden. Oftmals haben wir im Laufe der Jahre verlernt, Zeit für die Dinge im Leben aufzubringen, die uns wirklich Spaß machen. Arbeiten um Geld zu verdienen. Arbeiten für das nächste (Luxus)Produkt. Arbeiten der Arbeit wegen. Das ist das Credo nach dem wir leben. Kein Wunder, dass es vielen Menschen schwer fällt, eine Aufgabe für sich zu finden sobald sie nicht mehr berufstätig sind. Viele ziehen sich zurück, vereinsamen und tun sich zudem schwer komplett neue Kontakte zu knüpfen. Es macht mich traurig zu sehen wie normal dieser Zustand zu sein scheint. Als müsste das so sein und als könnte man daran nichts ändern.
So ein Quatsch! Und genau das haben sich auch Katrin und Katharina gedacht und im Handumdrehen Kuchentratsch ins Leben gerufen. Sie backen gemeinsam mit Omas Kuchen und verkaufen diese an Cafés, Restaurants und Privatpersonen. Die Omas bekommen jeden Monat ein Gehalt ausgezahlt, mit dem sie ihre Rente aufstocken können. Sie lernen andere Frauen in ihrem Alter kennen, die zudem auch noch dieselbe Leidenschaft haben wie sie: das Backen! Sie haben das Gefühl wieder gebraucht zu werden und Teil des gesellschaftlichen Lebens zu sein.
“Ich habe immer gesagt: ich werde nie selbstständig!”, höre ich Katrin sagen. Doch benötigt es mehr junge Frauen und Männer wie Katrin und Katharina, die den mutigen Schritt in die Selbstständigkeit wagen, denke ich mir. Menschen, die arbeiten weil ihnen eine Sache am Herzen liegt. Weil sie Leidenschaft haben, etwas verändern wollen und sich nicht mit dem Status Quo zufrieden geben. Das mag jetzt für den einen oder anderen verträumt und naiv klingen. Katrin und Katharina sind aber alles andere als das! Sie wissen was für ein Risiko sie mit ihrem Projekt eingegangen sind. Angst macht ihnen das allerdings nicht. Im Gegenteil: Mir sitzt eine junge Frau gegenüber, die zu wissen scheint was sie macht. Und wenn sie einmal nicht weiter weiß, ist das auch in Ordnung. “Was ich hier lerne, würde ich nirgendwo anders lernen”, sagt Katrin. Vom Marketing, über den Vertrieb, die Finanzierung bis hin zum Einkauf der Backöfen. Alles machen die beiden selbst und wachsen täglich an ihren Aufgaben. Manchmal stehen sie von morgens um acht bis abends um zehn in der Backstube. Die kennen sie mittlerweile besser als ihr eigenes Zuhause. Die große Herausforderung ist es inzwischen, sich Zeit für sich selbst zu nehmen. Zum Abschalten und Entspannen. Für die Selbstständigkeit braucht es viel Durchhaltevermögen und Kraft. Besonders in der Gründungsphase bleibt kaum Zeit für andere Dinge. Für Katrin und Katharina ist das in Ordnung. Sie wissen wofür sie die harte Arbeit leisten und das ist es ihnen wert. Ihr Wunsch ist es, eine fest etablierte Backstube in München zu haben, nicht ein hohes Monatsgehalt oder ein prestigeträchtiges Unternehmen. Ihnen ist es wichtig von Kuchentratsch leben zu können, Jung und Alt zusammen zu bringen, vereinsamten Senioren und Seniorinnen einen neuen Anlaufpunkt in ihrem Leben und wieder mehr Freude an ihrem Alltag zu geben.
Ich bin beeindruckt von dem Mut, den die beiden haben, sich ins kalte Wasser zu stürzen. Ich bin beeindruckt von dem Vertrauen, das sie in sich selbst, aber auch in sich gegenseitig haben. Und ich bin beeindruckt von ihrer positiven Einstellung.
P.S. Der Kuchen schmeckt echt richtig gut!
4 Kommentare
Ich finde eure idee einfach nur klasse wünsche euch viel Glück dabei und ihr habt so recht
was ihr schreibt dies generation mitzunehmen ist genial
Diesen Team eine schöne Zeit lg
Mir geht es so wie dir. Ich bewundere diese Menschen auch. Hut ab! Durch meinen Beruf (ich bin selbst selbständig) habe ich viel mit Gründern zu tun und es macht mir immer sehr viel Spaß mit diesen Menschen zu arbeiten. So viel Motivation, so viel Ehrgeiz, so viel Liebe. LG Tanja
Eine richtig tolle Idee! Hut ab und weiterhin viel Erfolg!
Ich finde das richtig klasse! Die Kuchen sehen so lecker aus. Die Damen haben im Kuchen backen eine Menge Erfahrung. Das wäre doch schade, wenn die nicht genutzt würde. Das freut beide Seiten, die Kuchenliebhaber/innen und die Damen. Schade, dass ich so weit weg bin.