Marokko hat neben den bekannten Königsstädten vor allem eines zu bieten: ein abwechslungsreiches Klima, je nach Höhenlage, und eine irre abwechslungsreiche Landschaft. Auf meiner Tour durch Marokko habe ich verschiedene kleinere Orte abseits der Großstädte besucht, Wüstenluft geatmet und mich an das goldene Licht der Sonne Marokkos gewöhnt.
Marokko abseits der Großstädte: Ifran oder die Schweiz Marokkos!
Es geht durch den Anti-Atlas in das Atlasgebirge in Zentralmarokko und ich könnte gespannter nicht sein! Zu Beginn besuchen wir allerdings direkt einen Ort, der für mich völlig absurd und deplaziert wirkt: das Örtchen Ifran, welches von den Franzosen als Sommerort gegründet wurde und heute Wahlort vieler Zweitresidenzen wohlhabender Marokkaner ist. Ifran ist voller Spitzdachhäuser mit roten Ziegeln, Holzzäunen und wirkt alles in allem wie ein klassisches Bergdorf bei uns, oder in der Schweiz. Während wir durch die Straßen laufen und in einem sehr deutsch wirkenden Restaurant eine Tasse Tee trinken und auf sehr europäisch wirkende Tannen blicken, muss ich mich mehrfach vergewissern, dass ich noch immer in Marokko bin. Mein Gehirn hat da so seine Probleme muss ich gestehen.
Wäre nicht das Bild des marokkanischen Königs überall…
Die Laubbäume färben sich gelb und orange und die Temperaturen lassen mich an die ersten kühlen Herbsttage in Berlin denken. Wir sind nur 65km von Fès entfernt, allerdings auf 1650m Höhe und definitiv in einer anderen Welt. Der gute alte Minztee holt mich vor der Weiterfahrt aber rechtzeitig ins richtige Land zurück, doch das soll es noch nicht gewesen sein: Die Landschaft ist hier plötzlich so abwechslungsreich, dass ich mich erst an den amerikanischen mittleren Westen erinnert fühle, nur um kurz darauf das tiefe Schottland vor mir zu sehen… es ist nicht weniger als irre!
Schafherde und endloses Land…
…und mittendrin plötzlich kleine Oasen und etwas Grün
Marokko abseits der Großstädte: Midelt und die Fahrt durch den hohen Atlas
Hoch in den Bergen fahren wir schließlich in ein ursprüngliches Berberdorf ein: Midelt. Hier herrscht wiederum irgendwie eine Goldgräber-Atmosphäre, zumindest empfinde ich das so. Himmel, vielleicht habe ich einfach zuviele Filme gesehen?
Breite Straßen, kühler Wind und ich fühle mich wie in einem Western…
Die breiten staubigen Straßen werden beidseitig von niedriegen Gebäuden gesäumt. Am Straßenrand wird Obst verkauft oder Vieh zerlegt und direkt zur Tajine verarbeitet. Überall stehen Männer in kleinen Grüppchen herum und es herrscht relativ reges Treiben, wenngleich noch immer tiefentspannt im Vergleich zu den Altstädten. Das Gefährt der Gegend sind offensichtlich Pick-Ups, was den rauen Charme, dieser „Versuch-Dein-Glück-Stadt“ unterstreicht. Auch hier möchte ich mich wieder abseilen und jeden Winkel und jede Gasse erkunden. Irgendwie ist alles luftig und übersichtlich, aber es weht ein Hauch von Gefahr und Abenteuer durch die Luft. Bevor es weitergeht beobachte ich nochmal den Tajine-Koch durch den Qualm, blinzele in die gleißende Sonne und seufze ein wenig wehmütig.Auf 2000m Höhe geht die Reise über schmale Bergpässe weiter, hoher Atlas, du bist echt beeindruckend!
Marokko abseits der Großstädte: Erfoud, Hauptstadt der Dattelpalmen
Der Wechsel zwischen Mondlandschaften, grünen Feldern, weiten Ebenen und riesigen Stauseen und nicht zuletzt die wunderschönen Oasen, das macht mich alles ganz dauerseufzend. Mit Einbruch der Dunkelheit erreichen wir Erfoud. Von den Franzosen recht übersichtlich angelegt und dennoch mit dem goldenen Sonnenlicht und dem Sand den Charme des Orients transportierend, wird Erfoud oft als Kulissenstadt für nunja… Wüstenfilme wie „Die Mumie“ genutzt. Ich sehe überall elegante Frauen in langen Gewändern und Männer mit Turbanen, alles wirkt unlängst eleganter als die bisher besuchten Orte und ich muss an 1001 Nacht denken, während die einbrechende Dunkelheit die Atlasstadt komplett verschluckt. Dunkelheit trägt hier „draußen“ ihren Namen nämlich noch zurecht.
Erfoud ist der Hauptort der größten Oase Marokkos und hier werden auch die besten Datteln des Landes produziert. Doch nachdem das alljährliche Dattelfest Tradition in Erfoud war, ist es im letzten Jahrzehnt wiederholt nach ausbleibenden Regenfällen und aufgrund des sinkenden Grundwasserspiegels ausgefallen. Der Klimawandel macht auch vor dem Tal der 1000 Palmen nicht halt.
Marokko abseits der Großstädte: Sonnenaufgang im Erg Chebbi
Am nächsten Morgen steht mein Hightlight der ganzen Reise auf dem Programm: Sonnenaufgang in der Wüste! Um 4:30 klingelt der Wecker, denn bereits kurz vor 5:00 müssen wir die staubigen Jeeps besteigen, die uns in der Nähe der Merzouga-Oase zu den Dünen bringen werden. Eine kleine Gruppe Eruopäer verlässt also zusammen mit 5 Berbern in der Schwärze (und Kälte!) der Nacht Erfoud in mehreren Jeeps. Ziel: Erg Chebbi! Knapp 5km breit und 38km lang ist diese schier endlos wirkende Dünenlandschaft. Bis nach Merzouga fahren wir auf geteerten Straßen, danach wird schnell klar warum wir in Jeeps sitzen und warum diese so aussehen, wie sie aussehen: Es geht querfeldein über Sand, Schotter und kleinere Sträucher! Während ich versuche in der Schwärze irgendwas zu erkennen, wissen unsere Berber-Fahrer offensichtlich ganz genau hinter welchem trockenen Grasbüschel sie nach links abbiegen, nach welchem kleinen Sandhügel es schräg rechts weitergeht. Es ist tatsächlich nicht wenig beeindruckend, wie die 4 Geländewagen beinahe in einer Choreographie durch die stockfinstere Wüste brettern! Fotos gibt es leider mangels Licht keine, klar. Der Fahrer meines Jeeps ist, wie sich später herausstellt, der Sohn des Chefs der Truppe. Ein junger Heißsporn, dem Aussehen nach etwa 14, der sich vom Vater erstmal eine Schelte abholt, dafür dass er offensichtlich teilweise die „Choreographie verlassen“ hat um uns mit ein paar Slides auf Dünenausläufern zu imponieren. Wir müssen alle ein wenig schmunzeln und verteidigen unseren Fahrer natürlich vehement! Hier noch ein kleiner Eindruck der Steinwüste vom Rückweg: Begleitet von ein paar Kameltreibern wandern wir zu Fuß in die Dünen. Das klingt nach einem entspannten Strandspaziergang, ist aber tatsächlich ziemlich anstrengend. Die Dünen sind imposante Berge, die sich hintereinander türmen und sobald man einen erklommen hat, wird einem klar, dass dahinter nur ein weiterer wartet. Die Berber helfen denjenigen, die nicht so fit oder geschickt sind und schnell teilen wir uns in kleinere Grüppchen, immer 1-2 Leute und ein Berber. Natürlich möchte man am liebsten die Stille und Weite der Wüste genießen, gleichzeitig ist es aber auch wahnsinnig spannend ein wenig mit dem Berber zu plaudern, der von seiner Familie, seiner Kindheit und seinen eigenen Kindern erzählt. In Fès (mehr könnt ihr in meinem Artikel über die Königsstädte HIER lesen!) hatte ich mir ein für meine Verhältnisse sehr farbenfrohes curryfarbenes Tuch gekauft und der Berber zeigt mir wie ich es mir traditionell um den Kopf wickeln kann.
Wüstendunkelheit und ich als Berber-Mädchen
Als wir schließlich den Bergkamm einer wunderschönen hohen Düne erklommen haben, sagt er dies sei der perfekte Ort und wir setzen uns in den kühlen und seidig weichen Sand. Es fühlt sich an als hätte ich die halbe Wüste in meinen Schuhen. In der Ferne werden die ersten Lehmbauten und Kasbahs mit einem roten Schleier überzogen. Wortlos sitzen wir da und sehen der Magie zu, die vor uns passiert.
Wie aus absoluter Dunkelheit in kurzer Zeit solch ein wunderschönes Farbenspiel abläuft und es von Minute zu Minute wärmer wird, das rot, das schnell zu gold und gelb wird und die Welt, die aus ihrem Schlaf aufwacht, in der Ferne von den Gesängen des Mueddin begleitet.
„Unser Berber“ zeigt uns in den noch unberührten Dünen Spuren von Salamandern, Mäusen und Wüstenfüchsen. Und während ein Teil der Meckerdeutschen sagt das sei nur Touri-Abzocke, behalte ich die Begegnung mit diesem jungen Berber glücklich in Erinnerung. In seinen Augen konnte ich sehen, dass er mir keine möglichst imposante Geschichte aufgetischt hat um mich zu beeindrucken, sondern der Anekdoten seines Lebens mit mir geteilt und mir die Schönheit seiner Heimat nähergebracht hat. Ich hätte mir keine bessere Begleitung für dieses einmalige Erlebnis wünschen können, und das weiße Marmorkamel und die kleine schwarze Marmorschale, die ich ihm abgekauft habe, zaubern mir bis heute jedesmal ein Lächeln auf die Lippen, wenn ich an ihnen vorbeigehe.
Ein ganz schönes Gewusel da in der Wüste!
Marokko abseits der Großstädte: Mittagessen in der Todhra-Schlucht
Ein weiteres Erlebnis, das mir noch lange im Gedächtnis bleiben wird, ist unser Mittagessen in der Todhra Schlucht (Todhra Gorge). Der Fluss Todhra schlängelt sich durch die nach ihm benannte Schlucht, während auf beiden Seiten rotlehmige Felswände bis zu 300m hoch senkrecht in den Himmel wachsen. An einigen Stellen hängen Kletterer im Fels, an anderen Stellen lassen Einheimische ihre Esel aus dem Fluss trinken oder waschen ihre Wäsche. Nur an wenigen Ecken schafft es die Sonne bis ans untere Ende der Schlucht, zu hoch und steil sind die Bergwände und zu schmal der Pass hindurch. Mitten in der Schlucht findet man die Kasbah Les Roches, in der ich wieder einmal viel mehr esse, als gut für mich ist. Aber den marokkanischen Tajines und dem frischen Obst zu widerstehen ist einfach unmöglich.
Alltagsleben im Schatten der Todhra-Schlucht
Beeindruckende Natur und beeindruckendes Essen, alles wie immer!
Marokko abseits der Großstädte: Ouarzazate & Taourirt
Ouarzazate selbst ist eine moderne Stadt ohne großartige Sehenswürdigkeiten. Die Atlas-Filmstudios liegen hier und sind für Filmfans vielleicht interessant. Mir persönlich war jedoch die umliegende Landschaft wichtiger, sowie die vermutlich beeindruckendste Kasbah ganz Marokkos:
Die Kasbah Taourirt. Noch heute lebt der Houza-Stamm in dieser Wohnburg aus Stamplehm. Die Gassen sind wahnsinnig eng, die Türen -sofern vorhanden- stehen offen und Privatsphäre gibt es eigentlich keine. Wo man in die kargen und oft fensterlosen Räume hineinblinzeln kann, sind es meist nur dunkle Räume, die vor der sengenden Hitze schützen. Durch die schrägen Gassen laufen zahllose Katzen und einige Bewohner versuchen die Touristen gegen Geld in ihre Häuser zu locken. Einzelne kleine Läden verkaufen Handwerksprodukte. Ich habe tatsächlich nicht einmal fotografiert, weil ich mir schon zu nah an ihrer Privatsphäre vorkam.
Klassische Lehmbauten in den Hügeln Marokkos & Taourirt Kasbah von außen
Marokko off Track: was man zum Leben braucht…
Nachdem ich in Marokko eher westlich modern geprägte Stadtviertel gesehen habe, traditionelle Wohnviertel in den Großstädten, die Altstädte und Souks in den Königsstädten, kleine Dörfer wie Midelt und Erfoud… ist Taourirt nun noch einmal eine Stufe „zurück“. Und es fühlt sich wirklich an als würde ich eine Treppe hinabsteigen, wenn ich mir die einzelnen Orte ins Gedächtnis rufe. Ich bin ja eh schon seit geraumer Zeit am Aussortieren, immer weniger besitzen wollen, mein Leben vereinfachen und auf das Wesentliche, mir Wichtige reduzieren. Und wenn man diese verschiedenen Stufen von Besitz und Leben in einem Land wie Marokko aus nächster Nähe gesehen hat, wird einem -oder zumindest mir- ganz leicht und sorglos, weil mir bewusst wird, dass auch ich mit noch sehr viel weniger auskommen und dennoch ein glücklicher Mensch sein würde. Denn die Sonne in der Wüste aufgehen zu sehen, das war schon ein ganz ganz großes Glücksgefühl.
Die wahnsinnigen Pastellfarben mitten im Staub der kargen Landschaft
Güldene Sonne und exotische Pflanzen
Analoge Magie, danke Marokko!
Text und Fotos: Laura Droße
2 Kommentare
Hallo :)
Toller Reisebericht! Mein Freund und ich planen gerade unsere Marokko-Reise im Januar. Ich habe etwas Angst, dass es dann in einigen Orten recht kühl sein könnte. Zu welcher Jahreszeit hast du deine Tour durch Marokko gemacht?
Danke und liebe Grüße!
Lisa
Hallo :)
Toller Reisebericht! Mein Freund und ich planen gerade unsere Marokko-Reise im Januar. Ich habe etwas Angst, dass es dann in einigen Orten recht kühl sein könnte. Zu welcher Jahreszeit hast du deine Tour durch Marokko gemacht?